24 Dezember 2008

Weihnachtsgedanken II

Weil Weihnachten ist, schreibe ich auch noch ein paar Gedanken.
Ich habe heute Dienst.
Wie gesagt, in meinem Beruf eher unweihnachtlich.
Und arbeitsreich: Misshandlungen, plötzlicher Säuglingstod, zwei Schwerkraftvergiftungen und div. Spurensicherungsmassnahmen.

Und wenn man an die menschlichen Schicksale hinter diesen Fällen denkt, so macht sich - gerade weil Weihnachten ist und niemand gerade an diesem Tag leiden sollte - natürlich leicht Traurigkeit breit.

Und dennoch. Die Straßen sind dunkel und leer, auf dem Weg zum Einsatz kommen schreckliche Weihnachtslieder (kurz) und ein herrliches Hörspiel über Beethoven (lang) und es ist irgendwie friedlich.

Diese Stimmung, gerade bei nächtlichen Einsätzen, ist etwas ganz Besonderes.
Irgendwie weihnachtlich.


Oder bin ich komisch?
Fröhliche Weihnachten!

Fehmarn ist nicht Helgoland

Manchmal hat man eine gute Geschenkidee, gegen die sich einfach alles verschwört, denn Fehmarn ist nicht Helgoland - aber immerhin sind beides Inseln am Meer.

Da ich am 24.12. Dienst habe, was ja in meinem Beruf garantiert unweihnachtlich ist, wollte ich Tanja am 23.12. zu einem Tag am Meer entführen, genauer gesagt nach Helgoland, Deutschlands einzige Hochseeinsel (ist zwar nautisch gesehen gelogen, marketingtechnisch aber geschickt).
Urlaub zu nehmen war das geringste Problem und Helgoland schien sehr nahe. Zwar fahren im Winter Fähren nur von Cuxhaven aus, aber mit einem Kleinflugzeug kommt man von Hamburg inerhalb von 1 Stunde auf die Insel. Und mit einem Sonderangebot von 79 Euro pro Person und Strecke für eine Entführung meiner Liebsten an das von ihr geliebte Meer durchaus im Rahmen von: "Dieses Jahr schenken wir uns nix" ;)

Dann noch schnell kryptisch Tanja aufgefordert, für den 23. keine Aufträge anzunehmen und zum Telefon gegriffen, um den Flug zu reservieren. Und ab da war mir der Weihnachtsmann übel gesonnen (vielleicht, weil ich bereits zu viele Schokonikoläuse erdolcht, erhängt oder erschossen habe?).

Denn es gab zwar noch Flüge nach Helgoland, aber der Flug zurück war ausgebucht. Mist. Und übernachten geht ja nicht, wegen Dienst.
Also den nächsten Flughafen bei Heide (ca. 100km) angerufen. Da gab es nur noch Rückflüge.
Aber wie denn aus der Pampa bei Heide wieder zurück nach Hamburg kommen, wenn das Auto in der Pampa des Hamburger Flughafens steht?

Mist.

Neuer Plan: Noch am 22. nach Cuxhaven fahren, dann am 23. mit der Fähre nach Helgoland und retour nach Hamburg. Da hätten wir zwar nur 3 Stunden auf Helgoland, aber das wäre den Spaß wert. Und Helgoland ist ja wirklich nicht groß. Also ein hübsches Hotel rausgesucht und dann vorsichtshalber bei der Reederei angerufen, die die Fähre betreibt. Und da teilt man mir mit, dass die Fähre (entgegen dem Fährplan im Internet) bereits 2 Stunden früher von Helgoland ablegt.

Mist.

550 km mit Auto und Schiff für eine Stunde Helgoland? Ich bin zwar für verrückte Sachen zu haben, aber eine gewisse Grunddauer sollten sie schon haben.

Aber bitte, das hat Helgoland jetzt davon. Dann suche ich halt eine Insel in der Ostsee, und flugs habe ich Tanja ins Auto gesammelt und bin mit ihr nach Fehmarn gefahren, wo wir vom 22. auf den 23. einen vorweihnachtlichen Tag am Meer verbracht haben.

Und der war schön.

Weihnachtsgedanken

So. Die Wohnung ist aufgeräumt, die letzten Geschenke von der Post geholt und verpackt. Ich habe meinen letzten Auftrag - ein völlig unweihnachtlich trashiges Computerspiel - abgegeben, Leo macht grade den letzten seiner Kunden zu, nachdem er den ganzen Tag in der Arbeit verbracht hat. Ich hab's sogar noch geschafft, mir eine klassische Weihnachtsliteraturverfilmung anzusehen: die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, mit sehr aktuellem Anlass. (Wie viele Investmentbanker den wohl dieses Jahr sehen und ihr Leben aus ähnlich egoistischen Motiven - Ich will nicht allein sterben! - wie Ebenezer Scrooge komplett umkrempeln?)
Die Katze versucht gerade zum wiederholten Male, das Adventsgesteck zu essen, zum Glück sind die Kerzen aus. Gleich gehen wir nämlich zum Italiener (warum haben Türken, Chinesen Koreaner und Vietnamesen an Weihnachten geschlossen, aber ausgerechnet Italiener nicht?), der Kühlschrank ist in Urlaubsvorbereitung schon total leer, und unser ursprünglicher Plan, uns stimmungsvoll eine Pizza mit Entenbrust und Blaukraut zu teilen, geht nicht auf, weil der Lieferservice schon zu hat.
Das klingt fast alles nicht besonders weihnachtlich. Jedenfalls nicht so, wie man sich's vorstellt. Ich schwanke ein bisschen zwischen: "Gott sei dank sind wir dem konventionellen Weihnachtskitsch dieses Jahr entgangen!" und "Als ich klein war, war das irgendwie besser."
Aber Moment - wurde da nicht auch noch im letzten Augenblick besorgt, gebastelt und verpackt? Sind wir nicht auch am 25. oder 26. ins Auto gestiegen und weit gefahren, um liebe Menschen wiederzusehen? Bestand nicht auch ein großer Teil des Tages auch aus Warten? Und vor allem: Wenn man immer alles genauso macht wie letztes Jahr, wo bleibt dann das Besondere?
In diesem Sinne, frohes Fest!

18 Dezember 2008

Marketing, neu definiert

Da studiert man jahrelang, sammelt mühevoll Erfahrung in diversen Marketingabteilungen, stellt Pläne auf und bastelt Strategien... dabei ist es ganz einfach:
Man nehme eine zweiwöchige Auftragsflaute, vorzugsweise in der Vorweihnachtszeit. Man erledige alles, was sonst ohnehin nebenbei gehen muss (Buchhaltung, Steuerunterlagen sortieren, Essen kaufen) und unternehme die üblichen Werbemaßnahmen (auf ausgeschriebene Jobs bewerben, alte Kontakte durchgehen und anfragen, sich schmissige Texte für die zu erstellende eigene Homepage ausdenken). Dann resigniere man und nehme sich für den nächsten Tag Dinge vor, die nicht so einfach nebenbei gehen. Man springe morgens motiviert aus dem Bett und beginne, die Wohnung von Grund auf zu schrubben und sich dabei gründlich eine Route für den nachmittäglichen Weihnachtsgeschenkeeinkauf zu überlegen. Dann, nur so kurz zwischendurch, aus reinem Pflichtbewusstsein, rufe man mal eben Mails ab, in einer Hand die Maus, in der anderen noch der nasse Putzlappen... und schon hat man einen Auftrag.
Ob ich wohl aufbauend auf der einfachen Erkenntnis, dass Aufträge grundsätzlich nur dann kommen, wenn's grad gar nicht passt, einen Bestseller schreiben kann, der die Werbe- und Verkaufsbranche revolutioniert...?

16 Dezember 2008

Lesestoff

Ich kann's ja nicht lassen. Neulich habe ich wieder mal einen dieser Online-Tests der Süddeutschen gemacht, trotz vergangener Demütigungen. Diesmal hat mich das Ergebnis aber besonders interessiert, denn es ging darum, welchen Bestseller ich 2009 schreiben werde. Sollte. Könnte. Möglicherweise. Wenn ich mich halt endlich mal auf meinen Hintern setzen täte... (War das jetzt ein Bavarizismus? Glaub schon.) Immerhin ist das Ergebnis ganz ermutigend: Ich gehöre zwar zu den ca. 10%, die die SZ als 'Harry-Potter-Typ' einstuft, aber die detaillierte Beschreibung dieses Typs scheint mir eigentlich ganz zutreffend. Wenn das mal kein Ansporn ist.
Weiteren Ansporn liefert mir mein soziales Umfeld, das sich nicht nur ausführlich schreiberisch betätigt, sondern auch erfolgreich veröffentlicht. Da ist Jana Eilers mit 'Gewittertage', einer Mischung aus DSA-Roman und Krimi, schön geschrieben und für einen Rollenspielroman erstaunlich vielschichtig und v.a. mit unerwartet offenem, gar nicht mal so heldenhaft-gutem Ende. (Ist da wohl eine Fortsetzung im Hinterkopf der Autorin? Oder darf ich doch als nächstes auf einen Vampire-Roman hoffen?)
Dann, sehr empfehlenswert, Astrid Moslers Kurzgeschichte 'Stille des Herzens' in 'Bitte mit Schuss', ebenfalls ein Krimi, ebenfalls ein unerwartetes Ende und gleichzeitig eine sehr intensive Schilderung des Berliner Großstadtlebens im Kleinen, sprich: des Biotops Hochhaus.
Und schließlich auf internationaler Ebene Regina Glei, die in Japan lebt, auf Englisch schreibt und offenbar in der Sprache der Krähen denkt. Ihre Kurzgeschichte 'As the crow flies' beschreibt für mich herrlich treffend Japan aus der Sicht eines Insiders, in der Sprache eines Ausländers, also für uns Westler les- und nachvollziehbar, aber trotzdem sehr authentisch. There's more where that came from - ich werde euch auf dem Laufenden halten, wenn wieder was veröffentlicht wird. Regina ist übrigens neuerdings auch unter die Blogger gegangen. Wer lustige Geschichten über U-Bahn-Fahren in Tokyo lesen will, der lese hier nach.
So, das sollte erstmal an Lesestoff für die Weihnachtsferien reichen. Und als Motivation, mich endlich mal auf den Hosenboden zu setzen...

07 Dezember 2008

Nikolausgeschichte

Gestern war also Nikolaus, ja? Soll ich dir sagen, was für mich gestern war? Ein Scheißtag war gestern. Der beschissenste Scheißtag in meinem ganzen Leben, um genau zu sein.
Dabei fing alles ziemlich gut an. Irgendeiner dieser hirnrissigen Riesen hat ein Fenster offengelassen, und das bei der Kälte. Lange genug, damit ich es sehen und reinfliegen konnte. 'Ne richtige Wohnung, Alter. Beheizt und alles. Mit Pflanzen. Nicht viele, 'n bisschen mickrig, aber genug für 'nen guten Futterverwerter wie mich. Die Teppiche hättest du sehen müssen. Was da allein an Futter drin hing... Für den Winter hätte ich ausgesorgt gehabt.
Da kriech ich also friedlich, unauffällig über den weißen Teppich - welcher Idiot hat denn *weiße* Teppiche, vor allem wenn er so ein Krümler ist?! - und dann steht auf einmal dieses Vieh vor mir.
Riesengroß, gelbgrüne Augen, Krallen wie Dolche und eine Unschuldsmiene wie ein kleiner Zweipunkter. Starrt mich an und tappt dann mit ihrer Riesenpfote auf mir rum. Eine von der 'ich will nur spielen'-Sorte. Das sind die Schlimmsten, übersättigt und gelangweilt und völlig ahnungslos und deswegen extrem grausam.
Ich denk schon, das ist das Ende, und ein langes, schmerzhaftes noch dazu. Da beugen sich plötzlich zwei von diesen Menschenweibern über mich. 'Ooooh, guck mal, wie süß', das übliche bedeutungslose Süßholz. Immerhin, kein hysterisches Gekreisch, also seh ich meine Chancen steigen. Nur weg von dem Katzenvieh. Ich krabbel auf die Stricknadel, die mir eine hinhält, während die andere das Fenster öffnet. Ob es mir draußen um die Jahreszeit nicht zu kalt wäre, spekuliert die eine laut. Mädels. Ihr seid Menschen. Ich bin ein Marienkäfer. Eure Hirne sind ungefähr 20 Millionen Mal größer als meines. Ich weiß die Antwort. Ihr offenbar nicht.
Ich klammere mich an der Nadel fest, aber dem gewaltigen Pusten des Menschenweibes halten meine Beine nicht Stand. Ich werde rausgeschleudert, in die Kälte, die feuchte Luft... und direkt ins Wasser.
Na toll. Als wäre es nicht schlimm genug, aus der warmen Wohnung zu fliegen, nein, ich lande direkt in der vollen Regenrinne. Können die Menschen ihre eigenen blöden Konstruktionen nicht mal sauber halten, so dass sich das Wasser darin nicht zu Käfer-Todesfallen staut? Das war's dann wohl, ich gehe unter, meine Flügel kleben zusammen, ich rudere verzweifelt mit den Beinen, die schon fast vor Kälte erstarren, aber ich gebe nicht auf, nicht so leicht, ich sehe den Rand der Regenrinne, gleich hab ich es geschafft, gleich bin ich hier raus...
Ein Seil fällt ins Wasser und treibt mich vom rettenden Regenrinnenrand weg. Einige Facetten meiner Augen sehen, wie sich die Rausschmeißer-Frau über mich beugt und wild mit dem Wollseil rudert. Es wieder aus dem Wasser zieht. Wieder reinwirft, endlose Zentimeter von mir entfernt, was aber eine unüberwindliche Strömung vom Rand weg erzeugt. Sagte ich vorhin was von größerem Hirn? Ich nehm alles zurück, das muss ein Gerücht sein. Wahrscheinlich haben die nur so große Köpfe, um irgendwie das Gleichgewicht zu halten, auf zwei Beinen stehen kann ja auch nicht so einfach sein.
Jetzt ist es also aus mit mir, nur wegen dieser blöden Tussis. Ich gebe das Strampeln auf, keine Kraft mehr, versuche, an die warme Wohnung zu denken, den schönen Winter, den ich dort hätte verbringen können, und nicht an das nasse, kalte Laub am Boden der Regenrinne...
Da kommt etwas auf mich zu. Ich lege die Fühler an, um besser sehen zu können. Das ist ein Löffel. In der Hand der Frau. Die bis zur Hüfte aus dem Fenster ragt. Die riskiert tatsächlich, selber abzustürzen, um mich zu retten. Vielleicht ist sie doch nicht so blöd.
Der Löffel taucht ins Wasser, fischt mich auf, ohne mir auch nur ein Bein abzuklemmen, das kalte Wasser tropft von mir ab. Vielleicht, wenn ich Glück habe, werde ich in ein paar Stunden sogar wieder fliegen können. Ich bleibe einfach ganz ruhig hier auf der Regenrinne sitzen, wo sie mich gleich absetzt... Mist, meine nassen Füße kleben an dem blöden Löffel. Sie schüttelt ihn. Mir wird schlecht. Sie schüttelt ihn heftiger, bis ich schließlich davon abrutsche, den Rand der Regenrinne knapp verpasse, und mit zusammengeklebten Flügeln in die leere Luft geschleudert werde - um vier Stockwerke, Menschenstockerke tief ins Nichts zu stürzen.
Das war also mein Scheiß-Nikolaustag. Und du, hast du auch was geschenkt bekommen, Schweinebacke?

03 Dezember 2008

Gordischer Knoten

Es kommt ja nicht oft vor, dass ich (immerhin der Erstgenannte in diesem Blog) selbst die virtuelle Feder  in die Hand nehme.
Eigentlich fast nie.

Das liegt unter anderem daran, dass ich dazu Zeit, Muße und Kreativität bräuchte und alle drei Dinge sind in meinem Leben eher eine Seltenheit geworden, seitdem ich Mitarbeiter in einem gewissen Institut bin.

Kreativität für einen Blogeintrag? Braucht man denn da so viel davon? So eine Meldung zwischendrin sollte doch auch Leo möglich sein, oder? 
Das mag ein Maß geben, was mit mir in den letzten 5 Jahren passiert ist.

Dafür gibt es viele Gründe, nicht zuletzt mein pathologisches Arbeitsverständnis und die im Institut vorherrschenden, auf starke Abhängigkeitsverhältnisse abzielenden Strukturen mit allenfalls geringsten Planungsmöglichkeiten. Aber darauf möchte ich jetzt gar nicht näher eingehen, ich denke, auch aus Tanjas Berichten sind die Auswirkungen unserer Situation in Hamburg bekannt.

Jetzt naht die Zeit, in der ich endlich mit meiner Ausbildung in dem von mir gewünschten Spezialfach ein Ende nahen sehe. Auch das geht nicht ganz ohne Probleme, denn von mir bei der Behörde eingereichte Zeugnisse aus Bayern seien 'formaljuristisch' problematisch, weil sie zwar einerseits die Güte meiner Ausbildung über das normale Mass der Erfordernisse bestätigen, darin aber zu viele (!) Unterschriften haben. Deswegen muss per Ausschuss über die Anrechenbarkeit entschieden werden (Dauer: 6 Wochen), so dass ein erster Prüfungstermin ins Land zieht und der nächste Termin erst 3 Monate später möglich ist.

Das ganze bedingt auch erhebliche Neuplanungen auf unserer Seite, die auf zahlreiche Probleme privater und beruflicher Natur Rücksicht nehmen müssen (siehe auch: starke Abhängigkeitsverhältnisse und allenfalls geringste Planungsmöglichkeiten). 
Nach 5 Jahren so kurz vor Schluss mit so zahlreichen Problemen kämpfen zu müssen, ist natürlich extrem frustrierend. Seit Wochen drehen sich meine Gedanken um verschiedenste Lösungsmöglichkeiten, die natürlich auch allen gerecht werden sollen: Mir, Tanja, den wirklich guten Kollegen im Institut, der sog. Leitungsebene, unseren Katzen und von mir aus auch meinen Kunden (die das wohl idR. eher schmerzbefreit sehen). Mit anderen Worten: Ein gordischer Knoten.
Ein akuter Zustand von Unglücklichsein ist die logische Folge, bzw. die Exarzerbierung der grundlegenden Stimmungslage. Schreibt sich leicht dahin, fühlt sich aber nicht so an.

Und doch schreibe ich jetzt hier einen Blogeintrag.
Denn nach einer Diskussion mit Tanja, die eigentlich nur zeigte, das es keine Lösung für das Problem gibt, habe ich eine Lösung gefunden. 

Heureka!

Und ja, genauso hat es sich angefühlt.

Ich habe einen Weg gefunden, der es mir ermöglicht, den vielen Anforderungen in einem vernünftigen Maß gerecht zu werden. Und eine Blockade, die ich seit Jahren immer wieder unterschwellig spüre, ist zumindest schwächer geworden und macht einem Gefühl der Erleichterung Platz.

Klar, kann trotzdem alles noch blöd laufen.
Aber ich kenne jetzt den Weg.

Und vielleicht schreibe ich demnächst auch mal wieder einen Blogeintrag

Euer Leo



 



21 November 2008

Be careful what you teach...

Gestern beim Psychiater. Ja, ich geh da noch ab und zu hin, nur um zu gucken, ob's mir auch gut geht. Während ich bei ihm drin sitze (Couch ist out, sowas gibt's da nicht), kommt zweimal die Sprechstundenhilfe rein, weil er irgendwelche Unterschriften vergessen hat.
Beim zweiten Mal verspürt er offenbar das Bedürfnis, sich zu entschuldigen: "Tut mir leid. Aber Sie sind ja stabil und gefasst, das stört Sie ja nicht, oder?"
Ich will schon lächeln und nicken, natürlich stört mich das überhaupt nicht, und er ist ja auch nur ein Mensch... Dann setzt plötzlich die Wirkung monatelanger Gehirnwäsche (zu Deutsch Psychotherapie) ein. Ich gucke ihn kritisch an: "Also, nach allem, was ich in meinen vielen Therapien gelernt habe, muss ich eigentlich sagen, dass mir das nicht recht ist. Ich möchte hier den Raum und die Aufmerksamkeit einnehmen, die mir zustehen, und verbitte mir weitere Unterbrechungen."
Er guckt mich entsetzt an. He, ich hab nur gesagt, was mir seine Kollegen immer wieder eingetrichtert haben! Ist das also nicht mal so wirklichkeitstauglich, dass es in den vier Wänden seines Sprechzimmers funktioniert, wo solches psychobabble herkommt?
Dummerweise kann ich mir schon lange das Grinsen nicht mehr verkneifen. Er lacht mit, aber eine kleine Spur Verunsicherung bleibt. Und ich komme mir schäbig vor. Als hätte ich die Waffe gegen meinen eigenen Lehrmeister erhoben... Aber spaßig war's doch! :)

14 November 2008

Ich mach gleich in die Hose...

Donnerstag Nachmittag, 14:15. Höchste Zeit zum Aufbrechen! Ich brauche zwar höchstens eine halbe Stunde, aber trotzdem, besser früh loskommen. Hab ich alles? Rucksack mit Klamotten zum Wechseln, feuchten Tüchern, Windeln. Plätzchenteig ist vorbereitet im Kühlschrank. Kindersitz ist schon eingebaut. Puh, ist das aufregend? Wollte ich nicht noch irgendwas? Egal, muss los.
Ich komme 15 Min. zu früh an. Vor dem Haus steht ein Polizeiauto, ein Uniformierter spricht gerade mit der Erzieherin. Es wird doch nichts passiert sein?! Im Geiste gehe ich alle Schrecklichkeiten durch, die einen Polizeieinsatz in einer Kita erfordern könnten. Leo wird mich später darauf aufmerksam machen, dass auch Polizisten möglicherweise ihre Kinder direkt von der Arbeit kommend abholen, noch bevor sie Outfit und Wagen wechseln.
Alle Sorgen sind vergessen, als ich im Gewusel Yolanda entdecke, die mir stolz ihren horizontalen Bauklötzchenturm präsentiert, während ihre Freundin (?) Selma sie eifrig darauf aufmerksam macht, dass sie jetzt heimgehen müsse. Yolanda guckt kurz kritisch, dann fällt ihr unser Gespräch von gestern ein: "Zu den Tatzen!"
Sehr praktisch, sie wird also keinen Widerstand leisten. Die nächste Sorge erledigt. Eine kurze Nasenprobe bestätigt mir auch, dass ich mich mit dem größten aller Sorgenthemen, Windelnwechseln, erstmal noch nicht beschäftigen brauche. Meine Entspannung scheint auf die Kleine abzufärben, kaum sitzt sie im Auto:
Ich schreibe schon jede Hoffnung auf Plätzchenbacken ab, aber das tut meiner Stimmung keinen Abbruch. Auf dem Weg zum Auto kamen wir an zwei Obdachlosen vorbei, die uns ob so viel scheinbarer Mutter-Kind-Harmonie gleich fröhliche Feiertage gewünscht haben. Wenn mich zwei so offensichtlich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befindliche Leute für die Mutter halten, und nicht für die hilflos-hysterische Tante, die keine Ahnung von Kleinkindern hat, dann wird sicher alles gut.
Kaum sind wir angekommen, ist Yolanda wieder hellwach, und wir machen uns ans Backen. Es empfiehlt sich folgende Versuchsanordnung auf der Arbeitsplatte: Links ausgerollter Teig, Mitte Kind, rechts zu belegendes Backblech, überall verstreut Mehl und Förmchen. Mit gelegentlichen Verwechslungen im Arbeitsablauf Ausstechen - Teig außenrum abmachen - Plätzchen auf Blech legen inklusive einigem Teigschwund zugunsten des Magens des Kindes muss gerechnet werden. Stolz und mehlig verlassen wir nach zwei fertigen Blechen die Küche auf der Suche nach den Katzen, die Yolanda schließlich unterm Bett entdeckt. Das Kind zeigt seelische Größe und krabbelt nicht hinterher, obwohl sie im Gegensatz zu mir durchaus klein genug dazu wäre. Statt dessen beschließen wir, nachdem wir Yolanda zusammen erfolgreich trocken gelegt haben, die Wohnung mittels Zimmerbrunnen unter Wasser zu setzen. Hier muss Yolanda dann doch mal ein Machtwort sprechen: Was interessiert es, ob die Möbel Flecken kriegen, wenn das Wasser so schön blubbert. Nur durch einen raffinierten Schachzug - das Ausschalten der Pumpe - bringe ich sie schließlich dazu, das Interesse zu verlieren. Oder so zu tun, um zu überspielen, dass sie beleidigt ist.
Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit, in meditativer Harmonie Legosteine von einem Behälter in den anderen und wieder zurück zu sortieren. Als der Papa sie schließlich abholen kommt, darf ich sogar auf dem Weg zum Auto noch ihre Hand halten.
Alles ist gut gegangen. Das Kind scheint müde aber zufrieden, es gab keine Tränchen und keine Windel- und andere Unfälle, und dank der Legosteine und der Katzen scheint sie sogar wiederkommen zu wollen. Ich bin nicht völlig unfähgi als Babysitter. Genau betrachtet hab ich meine Sache sogar recht gut gemacht. Hey, ich war richtig locker.
Hm, es kommt mir so vor als hätte ich irgendwas vergessen. Richtig: Als ich vor Stunden aus dem Haus ging, musste ich eigentlich dringend auf die Toilette, hab das aber seither glatt vergessen. Gleich mal gucken, ob meine Windel trocken geblieben ist...

04 November 2008

Intelligent Design Albtraum

Manchmal kaufe ich bei meinem Lieblingsgemüseladen seltsame Dinge, nur weil ich sie noch nie vorher gekauft, zubereitet oder gar gegessen habe. Neulich z.B. Schwarzwurzeln. Die habe ich noch nie anderswo als in Kantinen gegessen. Nicht im Restaurant, und schon gar nicht privat. Warum auch immer, eigentlich schmecken die ja nicht schlecht und haben, wenn eingelegt, sogar . Vielleicht sind sie leicht zu verarbeiten, dachte ich mir. Mitnichten! Nach dem Schälen muss man das Zeugs sofort in eine Mehlbrühe einlegen, damit sie nicht, ähm, schwarz werden, und dann stundenlang kochen. Und 'nach dem Schälen' hat man schon das schlimmste hinter sich. Der Saft, der dabei aus den Wurzeln austritt, ist dermaßen klebrig, dass er auch mit der, ähm, Wurzelbürste nicht von der Haut abgeht. Ich musste schließlich einen großen Teil meines teuren Gesichtspeelings opfern, um meine Hände wieder sauber zu kriegen. (Ja, ja, ich komm jetzt gleich zum Punkt.)
Jedenfalls erinnerte mich dieses Mühsam-Gemüse sehr an Douglas Adams' Gedanken zur Kokosnuss. Beide Nahrungsmittel, ernährungstechnisch wünschenswert, aber sehr unpraktisch, sind eigentlich, so dachte ich mir flüchtig, ein Gegenbeweis dafür, dass unsere Erde von einem intelligenten Designer nur für uns gemacht wurde.
Aber halt! Wer sagt denn, dass der Designer so wahnsinnig intelligent sein muss? Dumm sicher nicht, aber vielleicht einfach nicht gut genug, um seine Produkte in Handhabung und Verpackung 100% kundengerecht zu gestalten? Wahrscheinlich ist es reines Glück, dass sich nicht die Banane durchgesetzt und die Schwarzwurzel verdrängt hat. Hm. Oder gutes Marketing? Vielleicht hatte die Schwarzwurzel ursprünglich die besseren Vertriebswege, oder sie war mal billiger, deswegen existiert noch eine gewisse Rest-Marktdurchdringung...
Moment mal. Warum gibt es überhaupt einen Konkurrenzkampf zwischen diesen Produkten, wenn sie vom selben Hersteller... OMG! Sie sind nicht vom selben Hersteller! Es gibt mehrere intelligente Designer! Die um uns konkurrieren. Uns ihr Design als das Beste verkaufen wollen. Uns am Ende noch mit Werbung manipulieren.
Wir sind gar kein Universum. Keine Welt, keine wunderbare Schöpfung. Wir sind ein Markt! Aaaaaaaaah!

28 Oktober 2008

Innerliches Fett

Es gibt Dialoge, die muss man einfach für die Nachwelt festhalten.
Gestern rief mich ein Mensch von einem 'Gesundheitszentrum' an und wollte mir anbieten, mich kostenlos durchchecken zu lassen. Normalerweise würge ich solche Leute schnell ab, aber der hier hörte sich einfach so gar nicht nach Call Center an und wirkte auf schusselige Weise nett. Meine Geduld wurde belohnt.
Ich: Ich glaub, das ist nicht interessant für mich.
Er: Aber da können Sie sich von oben bis unten durchchecken lassen. Der Computer sagt Ihnen dann genau, wie Sie drauf sind.
Ich (in vollem Bewusstsein, dass diese Antwort dem vorigen Blogeintrag widerspricht): Dazu brauche ich keinen Computer.
Er: Das hat neulich auch eine Dame zu mir gesagt. Die war gertenschlank, wie ein Model. Dann haben wir sie durchgecheckt, und stellen Sie sich vor, bei der ist das ganze Fett nach innen gegangen.
Ich (ein Lachen unterdrückend): Nach innen. Aha.
Er: Ja, schrecklich, nicht?
Ich (immer noch völlig verblüfft über so viel Blödsinn, leichtsinnigerweise glaubend, dass etwas medizinische Autorität ihn vielleicht abschreckt, den Zahnarztfrauenjoker ziehend): Wissen Sie, ich bin mit einem Arzt verheiratet, und wenn Sie mir was von innerlichem Fett erzählen wollen...
Er: In letzter Zeit bin ich auch öfters im Krankenhaus zu Besuch, und wissen Sie was? Der Chefarzt dort hat Übergewicht! Da war ich schon enttäuscht, als ich das gesehen habe.
Ich: Mag ja sein, aber innerliches Fett ist einfach reiner Blödsinn.
Er: Und die Krankenschwestern da können einem auch leid tun. 16 Stunden müssen die arbeiten.
Ich (unfähig, das Lachen noch länger zu unterdrücken): Da haben Sie recht. Und da die Ärzte auch so lange arbeiten, meiner aber grade da ist, würde ich gern ein bisschen Zeit mit ihm verbringen. Dankeschön. Wiederhören.
Innerliches Fett. Und ich dacht immer, ich hätt schwere Knochen...

Die Verbindlichkeit der Kreuzschlitzschraube

Gestern habe ich unseren Schreibtisch umgebaut. (Sowas passiert, wenn man als Freiberufler mal mehr als einen Tag lang nix zu tun hat.) Eigentlich wollte ich ihn nur etwas niedriger stellen, um zu testen, ob das besser für den Rücken ist. Dazu musste ich dummerweise die Tischbeine komplett abschrauben. Merke: Niemals Ikea-Anleitungen wegwerfen, schon gar nicht für kleine, unbedeutende Möbelteile, die nicht wichtig genug für die Website sind. Jedenfalls hab ich den Bohrer samt Kreuzschlitz-Bit verwendet, weil einige Schrauben ziemlich fest saßen. Bei einer Schraube hat der Bohrer nicht richtig gegriffen und immer wieder durchgedreht. Während ich so kopfunter unterm Tisch saß und hartnäckig die Schraube ruinierte, ertappte ich mich bei dem Gedanken, welche Möglichkeiten es denn gäbe, wenn das Ding endgültig hin wäre. Wenn ich sonst ein technisches Problem zu lösen habe, lässt sich das, wenn der normale Weg nicht funktioniert, meistens durch Neustart, Neuinstallation oder schlaue Tipps/Patches aus dem Internet beheben. Allein, für die Schraube wollte mir nichts anderes einfallen als - entweder du kriegst sie rausgedreht, oder du musst den Tisch für immer und ewig so lassen wie er ist. Kein Undo-Knopf. Keine herunterladbare Aktualisierung für den Bohrer.
Vorsichtshalber hab ich dann den Schraubenzieher genommen, die widerspenstige Schraube bezwungen - und weggeworfen. Und bin mir nicht sicher, ob ich es befriedigend oder beängstigend finden soll, dass manche Dinge einfach verbindlich und endgültig und ohne Hintertür sind, und vor allem, wie wenig selbstverständlich das für mich mittlerweile geworden ist. Nerdalarm! :)

26 Oktober 2008

Mein Handy verloren hab ich

Man verzeihe mir die ungewöhnliche Formulierung - nach einer Woche mit meinem Neffen kann ich gar nicht anders, als seine yoda-eske Satzstellung zu übernehmen. Wer noch ein paar Beispiele will: "Nimmer mach ich des jetzt." (Wenn er mich testweise gehauen, mir Wasser über den Kopf geschüttet oder eine Flasche ins Gesicht geschlagen hat und ich ihn geschimpft habe.), "Weiße Haare hast du." (Nachdem ich meine Friseuse wiedergefunden hatte.) oder auch "Zum Spielplatz gehn wir jetzt." (Immer wenn es regnet.) Aus dieser repräsentativen Auswahl ist unschwer zu erkennen, dass ich die Woche mit meinen beiden Neffen sehr genossen habe. Die zwei sind wirklich zum Auffressen süß, und ich hatte jede Menge Spaß. Tim kann auch schon sprechen ("haugl" und "bläh" sind zwei Lieblingswörter), hat einen wunderbar melancholischen Blick und übt grade alle anderen Gesichtsausdrücke, vorzugsweise gleichzeitig oder zumindest in verwirrend schneller Abfolge. Marlin genießt in vollen Zügen den Oma-Effekt, sprich er lässt sich von vorn bis hinten verwöhnen, und ich durfte, anders als bei Yolanda, die strenge Tante spielen. Was erstaunlich gut klappte. Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich es aushalten und hart bleiben konnte, wenn er auf mein 'nein' in herzzerreißende Tränchen ausbrach - hätte ich mir nicht zugetraut. Für die Zukunft unserer zukünftigen Kinder besteht also noch Hoffnung. Und unserer (Marlins und meiner) Beziehung scheint's nicht geschadet zu haben: Immerhin hat er gefragt, wann ich wiederkomme. ("Eine ganze Weile dauert des noch.") Vor lauter vorauseilender Sehnsucht hab ich dann wohl unbewußt mein Handy irgendwo am Münchner Bahnhof liegen lassen, quasi als Verbindungsanker zu meinen Knuddelneffen (und allen anderen lieben Leuten). Dummerweise hat das aber jemand gefunden und mit nach Düsseldorf genommen. Jetzt überleg ich, ob ich's mir doch wieder schicken lasse, weil der bestimmt nicht so gut bläh und haugl sagen kann und auch die Sätze nicht so lustig verdreht.
Wer mich bis dahin erreichen will und weder meine Festnetznummer, meine Skype-ID noch meine Email-Adresse hat, der hinterlasse mir einfach hier einen Kommentar und bald melden werde ich mich. :)

09 Oktober 2008

Winter

Woran erkennt man, dass es Winter wird?
Daran, dass Taschentücher und Mandarinenschalen herumliegen.

24 September 2008

Traumhaft

Irgendwas ist anders. So ganz genau definieren kann ich's nicht, aber ich fühle mich irgendwie... na, anders eben. In den letzten drei Nächten habe ich wieder extrem intensiv geträumt, so wie zu besten Alles-Egal-Pillen-Zeiten. Sprich, die Träume sind meist zu skurril um sie auch nur ansatzweise zu beschreiben (auch wenn ich schon überlegt habe, einen eigenen Blog dafür einzurichten, z.B. um euch zu berichten, dass ein Frosch in meiner Kaffeemaschine wohnt), sehr lebhaft, irgendwie seltsam, aber keine Albträume. Und sie scheinen oft eine (Unter-!)bewusstseinsveränderung anzuzeigen.
Beispiel: In einem Traum, den ich immer mal wieder habe, und der mir vermutlich sagen will, dass ich grade überfordert bin, muss ich in einem Theaterstück auftreten, finde aber kein Kostüm, verheddere mich hoffnungslos darin, oder muss alle anderen Schauspieler ausstatten und komme selbst nicht dazu, mich umzuziehen. Erst auf der Bühne, vorzugsweise wenn mein Einsatz kommt, stelle ich fest, dass ich meinen Text nicht ein einziges Mal durchgelesen habe. Geschweige denn auswendig kann. Da endet der Traum meistens. Heute Nacht war es wieder so weit. Immerhin bemerkte ich, dass sich alle um mich herum auf das Stück vorbereiteten; ich musste aber noch auf eine Klausur lernen und hatte deswegen keine Zeit. Aber anstatt hilflos zuzusehen, wie die unausweichliche Blamage auf der Bühne auf mich zukam, ging ich einfach zum Regisseur, um ihn zu bitten, mir meine Rolle kurz zu beschreiben, damit ich einfach einen Text improvisieren könnte. (Erste große Veränderung: Ich nehme mein Schicksal aktiv in die Hand. Was nicht ganz abwegig war, weil der Traum früher vor der Aufführung einsetzte als sonst.) Und was sagt mir der Mann? "Mach dir keine Sorgen, du spielst ja gar nicht mit." Wow. Zweite, riesige Veränderung: Mein Unterbewusstsein gibt mir eine Auszeit von unnötigen Ich-hab-was-vergessen-ich-könnte-versagen-ich-bin-rettungslos-chaotisch-was-sollen-dieLeute-von-mir-denken-Sorgen. Von unsinnigem Ich-muss-alles-können-was-man-von-mir-erwartet-Denken. Ich bin aufgewacht und war sprachlos. Was diesem Blogeintrag widerspricht, der wird schon wieder furchtbar lang, also mach ich lieber hier Schluss und schreibe später noch ein paar weitere wirre Gedanken in einen neuen Eintrag. Jedenfalls: So kann das nachts weitergehen. Dafür nehme ich sogar in Kauf, dass der Kaffee manchmal ein bisschen nach Frosch schmeckt. :)

19 September 2008

Scheiße ist ein Adjektiv

Und darf als solches klein geschrieben werden. Natürlich gibt es auch das zugehörige Hauptwort und ein entsprechendes Verb. Noch gibt's keine Deklination für das Adjektiv, aber analog zur aufen Tür und zum groß genugen Hemd kommt das sicher auch bald.
Solche und andere sprachliche Feinheiten lernt man ganz nebenbei beim Arbeiten. Wenn man z.B. Untertitel für eine Serie über ein paar aus Papierschnipseln bestehende kleine Jungs aus einer völlig normalen amerikanischen Kleinstadt mit übermäßigem Hang zum Fluchen korrekturlesen darf.
Netterweise liefert mein Auftraggeber die englischen Originaluntertitel mit hilfreichen Kommentaren versehen ("fag = pejorative for homosexual" oder "dude = slang term of address for a male" (in der dt. Version: "Alter"), oder auch mal "Louis XIV furniture = furniture made by Louis XIV"). Diese sog. blue notes (Ob das Absicht ist?) werden auch als Kommentare für die Qualitätskontrolle verwendet. Im Original werden sämtliche Eigennamen sorgfältig auf richtige Schreibweise überprüft, entweder anhand irgendwelcher Continuity-Bibeln der Filmfirma (bei Namen von Charakteren), oder anhand von Lexika/Atlanten/Internetseiten. Schließlich muss man sicherstellen, dass auch seltene Namen oder unbekannte Orte richtig geschrieben sind. Deswegen findet man hier auch so Kommentare wie "Jesus OK", "New Orleans OK" oder "Al-Qaeda OK", samt passender Quellenangabe. Und wenn man dann noch nicht vor Lachen zusammengebrochen ist, tut man es bestimmt bei "Earth OK" (Quelle dafür ist ein kryptisches "BS" - Vorschläge, was die Abkürzung bedeuten könnte, sind willkommen!).
Und nicht zuletzt gibt's nützliche Kommentare, wie das jeweils Gesagte gemeint sein könnte, meist in der Form: 'Note Humor'.
Danke für den Hinweis - ist angekommen! :)
P.S. Wie immer bitte den Namen der Serie nicht erwähnen, auch wenn ihr's erkannt habt!

15 September 2008

Dinge, die man niemals braucht

Der Mensch an sich ist ja manchmal sparsam. Vor allem, wenn's um seine Gehirnkapazität geht. Deswegen filtert er die Informationen, die er so tagtäglich bekommt, und merkt sich theoretisch nur die wichtigen. Das trifft auf mich nicht uneingeschränkt zu. Ich kann immer noch die meisten 80er-Jahre-Popsongs auswendig mitsingen, sogar die, die ich nicht besonders mochte. Dafür kriege ich keine einzige binomische Formel mehr zusammen. Und vergesse auf dem Weg aus dem Wohnzimmer in die Küche, was ich mir dort eigentlich holen wollte.
Trotzdem versuche ich, wann immer es mir möglich ist, Informationen in wichtig und unwichtig einzuteilen, und die unwichtigen ganz schnell wieder zu vergessen. So zum Beispiel bestimmte Vokabeln der japanischen Höflichkeitssprache (ein sehr komplexes Ding mit eigener Grammatik und seeeh kontextabhängig). Nämlich die, von denen mir gesagt wurde, dass ich sie nur brauchen würde, wenn ich mal mit dem Kaiser oder ähnlich hochgestellten Personen reden würde. Da meinte mein Gehirn, das passiert eh nie, also gar nicht erst speichern.
Tja, und dann war auf der Eröffnungsveranstaltung eine kaiserliche Prinzessin anwesend, schlenderte durch den Saal und machte liebenswürdige Konversation mit den ausländischen Gästen. Was tut man da? Englisch reden? Einfach die Klappe halten? Möglichst diskret den Empfang verlassen? Sanft genötigt von Leos begeisterten Kolleginnen, entschied ich mich gegen diese allesamt sehr japanischen Lösungsansätze und sprach ihre Hoheit auf Japanisch an - wahrscheinlich grottenfalsch, weil unhöflich. Aber wenn sie's amüsant oder rüpelhaft fand, hat sie sich's jedenfalls nicht anmerken lassen. Also definitiv eine interessante Erfahrung. Und hoffentlich ein gutes Foto (folgt noch). Als Lehre daraus sollte ich wohl ziehen, dass ich mir in Zukunft einfach alles und jedes merke, egal wie unwichtig. Fragt mich doch in zwei Wochen nochmal, was in diesem Blogeintrag stand, nur zum Testen. ;)
Tatsächlich bin ich aber auf noch eine viel wichtigere in Vergessenheit geratene Vokabel gestoßen. Und zwar, als ich zum ersten Mal Leo auf Japanisch jemandem vorstellen wollte. Denn die Japaner haben verschiedene Wörter für Familienmitglieder, je nachdem, ob's die eigenen oder die des Gesprächspartners sind. Und da ich vorher noch nie Anlass dazu hatte, hatte ich das Wort für 'mein Ehemann' noch nie in den Mund genommen. Und so musste ich erstmal das Lexikon zu Rate ziehen, um sagen zu können, in welcher Beziehung Leo zu mir steht.
Wundert euch also bitte nicht, wenn ich ihn in Zukunft zu Übungszwecken mit dem passenden japanischen Wort betitele. Das, um die ohnehin schon bestehende Namensverwirrung komplett zu machen, übrigens 'otto' lautet.

Tadaimaaaaa

Was so viel heißt wie: Wir sind wieder da!
Zweieinhalb wilde Wochen mit einem Wahnsinns-Con (in jeder Beziehung), einer ebenso großen Konferenz mit ähnlich skurillen, aber doch etwas ernsteren Themen, einem Blitz-Wochenendtrip nach Tokyo und tausend Tempeln und Schreinen in Kyoto plus viel, viel, viel leckerem, unidentifizierbarem japanischem Essen liegt hinter uns. Oder sollte ich sagen: haben wir überlebt? Aber das klingt vielleicht zu negativ, denn es hat durch die Bank jede Menge Spaß gemacht. Das Rollenspiel sowieso, auch wenn es rein oberflächlich betrachtet wie ein einziges von morgens bis abends ohne Pause Durcharbeiten wirkte. :) In Wirklichkeit war's eine gut getarnte Mordsgaudi.
Und Japan auch. Erstaunlich, wie viele Klischees, die ich schon fast als hoffnungslose Übertreibungen meines Erinnerungsvermögen abgehakt hatte, doch immer noch zutreffen. Und wie entspannt es sein kann, Japan als Tourist zu erleben, ohne irgendwelche Arbeitsverpflichtungen oder Kurse. Wobei ich mich - zunehmend japanisiert, ich hoffe, das gibt sich schnell wieder - schon recht verantwortlich für das Wohlergehen von Leos Kolleginnen fühlte und versucht habe, sie nach Kräften mit der japanischen Kultur vertraut zu machen. (Ist da ein Widerspruch in diesem Satz? Wenn man die Tintenfischinnereien, die ich im Restaurant für sie bestellt habe, bedenkt, wahrscheinlich schon.) Aber insgesamt war das ganze sehr entspannt und lustig und sehr sehr japanisch. Im positiven Sinne des Wortes. Ich bin tatsächlich etwas versöhnt. Wobei ich nach wie vor der Meinung bin: Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit japanischen Vorgesetzten.
Aber wenn das Land (die Leute? die Atmosphäre? die Hitze?) sogar Leo zum Karaoke-Singen inspiriert, dann kann's ja nicht ganz schlecht sein, oder?

24 August 2008

Sag's in 24 Zeichen

Eigentlich sollte dies ein lustiger Blogeintrag über meine derzeitige Arbeit werden, inkl. Zeilenumbruch nach jeweils 24 Zeichen. Aber 'lustig' trifft grade meine Stimmung nicht wirklich, also versuch ich mal mit 'neutral' anzufangen und mich dann zu 'maßlos selbstmitleidig' zu steigern.
Vor einiger Zeit habe ich endlich geschafft, was ich schon lange versucht hatte: in die Kartei einer Übersetzungsagentur aufgenommen zu werden, die sich auf Computerspiele spezialisiert hat. Das ist eine Boombranche, außerdem kenn ich mich zumindest grundlegend damit aus, und es klingt lustig und abwechslungsreich.
Ist es auch. Die Texte sind nicht wahnsinnig kompliziert, man muss nur ab und zu ein paar Spezialausdrücke recherchieren, und die größte Schwierigkeit ist, die meistens vorgegebene Zeichenbeschränkung pro Zeile (s.o.) einzuhalten.
Vor knapp zwei Wochen kam nach ein paar kleineren Sachen der erste große Auftrag. Jeweils Portionen von ca. 10.000 Wörtern in einem Zeitrahmen von je ca. 2 - 3 Tagen. Nicht unmöglich, aber schon sehr anspruchsvoll. Ich habe trotz Con-Vorbereitungsstress angenommen, zum einen, weil das diesen Monat mein erster richtiger Umsatz wird, zum anderen, weil ich eben in die Branche rein will. Das bedeutete zwar, von früh morgens bis spät abends durchzuarbeiten, Sehnenscheidenentzündung und Rückenschmerzen inklusive. Aber egal. Ich hab jede Deadline eingehalten, meistens sogar etwas früher abgeliefert als verlangt. Den letzten Teil habe ich am Freitag gg. 14h abgegeben, und bin dann ein bisschen stolz und selbstzufrieden zum Einkaufen und zum Sport gegangen. Professionell, pünktlich, zuverlässig und auch noch gut im Übersetzen. Und niemals auch nur ein Zeichen zu viel, in keiner Zeile. Die buchen mich wieder. Dachte ich.
Der Grund, warum ich jetzt schon 20 Minuten hier rumsitze und heule, ist dass meine Übersetzung offenbar nicht angekommen ist. Am Samstag morgen hatte ich eine Mail von Freitag Abend im Posteingang, in der die Agentur fragte, wann ich denn gedenke abzugeben. Also hab ich das ganze noch mal geschickt, in der Hoffnung, dass die Agentur dann gleich am Montag früh damit weiter arbeiten kann. Und habe den Fehler begangen, am Samstag nicht mehr in meine Mail zu schauen, sondern mir tatsächlich etwas Freizeit zu gönnen.
Eben hab ich dann in meinem Posteingang eine weitere Mail vom Samstag gefunden, diesmal schon in reichlich entnervtem Ton. Offenbar ist meine Mail wieder nicht angekommen; die Übersetzung sollte aber schon am Wochenende weiter bearbeitet werden.
Tja. Jetzt sitz ich da und bin völlig chancenlos. Ich habe alles getan, was ich konnte, hab mich abgerackert und alles getan, was ich konnte. Und wieder mal hat's nicht gereicht. Keiner ist schuld, dass die Email nicht angekommen ist. Das attachment war nicht zu groß, es gab keine Fehlermeldung, das Ding ist einfach (zweifach) in den Weiten des Internet verschwunden. Und trotzdem bin ich die Dumme. Denn natürlich kann ich nicht einwandfrei beweisen, dass ich die Mail abgeschickt habe. Die Konsequenz ist im besten Falle, dass die mich nicht mehr buchen, im schlimmeren Falle, dass sie mich nicht oder nur reduziert bezahlen, und im allerschlimmsten, dass sie mir eine schlechte Bewertung im Übersetzernetzwerk verpassen.
Kommt mir diese Situation nicht irgendwoher bekannt vor? Sind in meiner Agenturzeit nicht ständig solche Sachen passiert? Ich hab mich kaputtgearbeitet, und dann kam irgendwas dazwischen, wo ich keinerlei Einfluss drauf hatte, und trotzdem blieb die Verantwortung an mir hängen. Schön, so in die gute alte Zeit zurückversetzt zu werden. Das ist genau das, was ich brauche, um die Stabilität und das Selbstbewusstsein zurückzugewinnen, das ich mir während der Depression so schön abgewöhnt hatte.
Jetzt sitze ich also hier und heule, weil eine verf"§$&/)!**% Email nicht angekommen ist. Etwas, das im Geschäftsleben täglich hundertmal passiert. Etwas völlig Undramatisches, eigentlich.
Aber ich bin am Boden zerstört. Ich weiß, das ist wehleidig und übertrieben und selbstmitleidig, aber ich kann nicht anders, ich find's einfach nur extrem unfair.
Was mir wieder einmal - wieder, als ich grade dachte, langsam kommt alles in Ordnung - beweist, dass ich noch nicht bereit für das wirkliche Leben bin. Nur weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, was ich noch tun soll, um mich dafür bereit zu machen.
So. Jetzt habt ihr mal einen Tanja-Ausbruch live miterlebt. Ich schäm mich jetzt schon dafür, aber ich glaub, ich drücke jetzt trotzdem gleich auf 'veröffentlichen'. Und geh dann ins Bett und heul da weiter.

17 August 2008

Ringelnatz lebt!

Oder war's doch Morgenstern (hier übrigens genial übersetzt von Max Kühnel)?

Für Stunden war der Mond ganz schlank,
jetzt vollt er wieder, Gott sei Dank!
(von Leo)

15 August 2008

Ein Telefongespräch

Das Telefon klingelt. Tanja geht ran und meldet sich wie immer.
Anrufer: (zaghaft) Hallo..?
Tanja: Hallo, ja wer ist denn da? Ist da der Marlin?
Marlin: Oma...?
Tanja: Hier ist nicht die Oma. Hier ist die Tanja.
Marlin (erfolgsbewußt): Tanja!
Tanja: Hallo Marlin! Das ist ja lieb, dass du anrufst.
Marlin (nach Rücksprache mit seinem Vater im Hintergrund): Ganz weit weg.
Tanja: Ja, wir sind ganz weit weg, leider!
Marlin: Tante!
Tanja: Genau, ich bin deine Tante.
Marlin: Lelo auch!
Tanja: Ääh, ja, Leo ist auch ähm, deine Tante.
Marlin: (die Spannung auf die Spitze treibend) Oma!
Tanja: Nein, die Oma ist nicht da, die ist in München.
Marlin: Liegen!
Tanja: Ja, da muss man fliegen, so weit weg ist die.
Marlin: Bebi lä!
Tanja: Blä? Heißt das sowas wie schreien?
Marlin (lacht, was bedeutet: Bist du blöd, dass du mich nicht verstehst!)
Tanja: Lä... hm, was kann das heißen...? Und überhaupt... Bebi?
Marlin: (wiederholt) Bebi lä!
Im Hintergrund hört man ein Baby schreien.
Tanja: (Groschen fällt in Zeitlupe): Baby schläft? Ein Baby? Das Baby ist da?
Marlin: (stolz, als hätt er's selber auf die Welt gebracht) Baby da!

12 August 2008

Ego te absolvo

Was man beim Rollenspiel nicht alles lernt. Da surft man, weil sich in der eigenen Rollenspielwelt grade eine Kirche spaltet, mal ein bisschen auf einschlägigen Websites über die Katholen und die Evangelen, und stößt dabei auf eine Seite für Beichtanfänger.
Da steht: "Das Sakrament der Beichte ist eigentlich eines der schönsten Sakramente - sowohl für den Priester als auch für den Beichtenden."
Nachdem ich mich genügend geschüttelt habe, weil ich zu explizit drüber nachgedacht habe, warum Beichten Hören für einen Priester so toll sein könnte, lese ich weiter, dass sich die Beichte wieder zunehmender Beliebtheit erfreut, vor allem auf Veranstaltungen wie Weltjugendtagen und Wallfahrten (soweit, so gut), sowie "Night-Fever-Nächten" und "Prayerfestivals".
WTF?
Ist jetzt dieser anglizistische Marketing-Bullshit auch schon in der katholischen Kirche angekommen? Eignet sich die Institution, die Jahrhunderte gebraucht hat, um das heliozentrische Weltbild anzuerkennen und Frauen immer noch für minderwertige Wesen hält, nun ausgerechnet diese unsinnige Form von Modernität an? Ich bin hin- und hergerissen, ob ich sie nur auslachen oder endgültig vom Glauben abfallen soll. Ach so, halt, letzteres hab ich ja längst gemacht, also ist das wohl ok.
Also grinse ich mir einfach eins und warte darauf, dass es demnächst sicher eine Webseite 'Why church people speak like idiots' geben wird. (Inspiriert von dieser hier, die ich schon lange mal verlinken wollte.)
Und jetzt schnell zurück in meine Fantasiewelt, wo es viele verschiedene Kirchen gibt, keine Anglizismen, und richtige, echte Sünden, die man beichten kann. Obwohl es mich etwas beunruhigt, dass ich mich noch an den Wortlaut meiner ersten Beichte (von insgesamt zweien) mit 8 Jahren erinnern kann. Ob sowas bei kleinen Kindern bleibende Schäden verursacht...?

Vor genau einem Jahr...

... waren wir mit Hilfe vieler lieber Freunde ganz fleissig am Aufräumen der Überreste der Schlacht - äh, Hochzeitsfeier. Jawohl, gestern hatten wir unseren ersten Hochzeitstag.
Irgendwie komm ich mir ja schon ein bisschen spießig vor. Hochzeitstage, finde ich, sind mehr was für amerikanische Sitcoms oder sog. Frauenromane à la Hera Lind, nicht für mein wirkliches Leben.
Aber andererseits war das schon ein großer, bedeutungsvoller Tag in meinem Leben, an den ich mich sehr gern erinnere.
Also bin ich gestern in die obere Hälfte meines Hochzeitskleids geschlüpft, Leo hat ein Sakko angezogen, wir sind aufs Fahrrad gestiegen und ins Kino gegangen (kein Liebesfilm, sondern Die Mumie), danach Essen (nicht französisch, sondern elsässisch, aber immerhin mit Weinbergschnecken) und haben uns über die vielen wunderbaren Horror-, Splatter- und Gruselfilme unterhalten, die wir diesmal auf dem Fantasy Filmfest sehen wollen.
Ist doch Romantik pur, oder? :)

07 August 2008

Aber manchmal...

... nicht oft, aber eben doch manchmal, überrasche ich mich selbst mit einem Gesichtsausdruck, den ich nur als Post-Depressions-Grinsen bezeichnen kann: ein breites, ununterdrückbares Grinsen, das von ganz tief drinnen kommt, und nach innen wie nach außen strahlt.
Ein typisches Tanja-Grinsen eben, wie ich es in den letzten zwei Jahren nicht zustande gebracht habe. Aber in letzter Zeit... manchmal... vielleicht, vielleicht auch ein bisschen öfters...?

30 Juli 2008

Wassermelonenball

Einmal, als ich noch recht klein war, und wieder mal auf Familienurlaub in Kroatien, sind meine Cousins auf die lustige Idee gekommen, mit mir Wasserball zu spielen, und dazu eine große Wassermelone zu verwenden. Die Dinger schwimmen besser als man erwarten sollte. Dafür haben sie die interessante Eigenschaft, wenn sie geworfen, aber nicht gefangen werden, gemächlich bis ganz auf den Meeresgrund zu sinken, bevor sie - ebenso langsam - wieder zur Oberfläche steigen.
Genau so fühle ich mich gerade.
Irgendwer oder irgendwas gibt mir einen Schubs, ich hüpfe durch die Luft, schlage auf der Wasseroberfläche auf, und statt kurz unterzutauchen und dann weiterzuschwimmen, sinke ich, bis es nicht mehr tiefer geht. Danach wieder hochzukommen dauert unverhältnismäßig lange, und wenn ich die Oberfläche erreiche, habe ich gerade genug Schwung drauf, sie zu durchbrechen und nicht gleich wieder zu sinken - wenn mich nicht wieder jemand schubst. Und das Tanja-Kind schwimmt daneben, schaut zu und fragt sich völlig entgeistert, was bloß in dieser Melone vor sich geht...

18 Juli 2008

Knopfannäher, linker Ärmel, zweiter Knopf

So oder ähnlich hat Didi Hallervorden am Ende seiner Sendung regelmäßig all die unwichtigen Menschen betitelt, die im Abspann allesamt erwähnt wurden, ohne dass der Zuschauer diese Information wirklich haben wollte.
Eine ähnlich wichtige Rolle habe ich bei der DVD-Version des vierten Teils einer bekannten Filmreihe um einen Ärchäologieprofessor mit einem Vornamen, der eigentlich ein US-Bundesstaat ist, gespielt. Nein, ich habe nicht H.F. einen Knopf angenäht (zum Glück, der hätte nicht lang gehalten). Ich war nur für den zweiten Korrekturlese-Vorgang der deutschen Untertitel für die DVD zuständig.
Das war durchaus eine lohnenswerte Aufgabe, denn Übersetzer und erster Korrekturleser konnten sich nicht einigen, ob der Kremlin auf Deutsch Kreml heißt, man 'comrade' in diesem Zusammenhang durchaus mit 'Genosse' übersetzen darf, und ob man OK jetzt groß oder klein oder irgendwie gemischt schreibt. Insgesamt scheint meine Rolle also doch eine Wichtige gewesen zu sein, vorausgesetzt, der Film wird von ähnlichen Grammar Nazis wie mir angeschaut (die sich trotzdem vor Schmerzen krümmen werden, da aufgrund der Längenbeschränkung der Untertitel manches einfach grob verkürzt und sehr schräg formuliert werden musste).
Wo ich wirklich ins Grübeln kam, war bei der Übersetzung des Wortes 'hivemind'. Da hatte sich mein Vorübersetzer was sehr zahnschmerzträchtiges ausgedacht, was ich hier zwecks Googlebarkeit (tolles Wort) nicht wiedergebe. Ich möchte euch, so ihr euch die DVD ausleiht oder kauft, aber bitten, die Untertitel im entsprechenden Moment einzuschalten, und zu gucken, ob das von mir vorgeschlagene 'Schwarmbewusstsein' akzeptiert wurde. Wer den Film im Kino sieht, darf mir auch gerne sagen, wie das in der Synchronisation heißt. Die Übersetzung dafür läuft interessanterweise völlig unabhängig von der Untertitelübersetzung.
Und nur für den Fall, dass ihr denkt, "Boh, die Frau macht Hollywood-Karriere!", sag ich euch noch, was ich für die ca. 6h Arbeit (Film komplett angucken und checken, ob die Untertitel an der richtigen Stelle sitzen, dann durchlesen und nach Fehlern suchen, dann Word-Rechtschreibkorrektur, dann Syntax-Check im Untertitel-Programm) bekommen hab: 42,08 USD. Da-da-da-daaa, da-da-daaaaaaa, da-da-da-daaa, da-da-da-da-da...
(P.S. Bitte den Filmtitel in den Kommentaren nicht erwähnen, hab ein NDA unterschrieben und darf eigentlich gar nix davon erzählen!)

17 Juli 2008

Probleme auf hohem Niveau

"Sehr geehrte Fahrgäste der zweiten Klasse. Wir bitten Sie, auf die Fahrgäste der ersten Klasse Rücksicht zu nehmen, und zum Aussteigen ausschließlich die Wagen der zweiten, nicht der ersten Klasse zu benutzen."
Mhm.
Kann ich verstehen. Immerhin hat man in der ersten Klasse genug bezahlt, um das Elend der Welt (=Passagiere zweiter Klasse) nicht nur während der Fahrt nicht sehen zu müssen. Und die 30 Sekunden, um die sich das Aussteigen verzögern könnte, wenn mal so ein Niederklassiger dazwischengerät, hat man in den höheren Chargen der Gesellschaft einfach nicht übrig. Geht gar nicht.
Liebe Bahn. Ich weiß, euer Geschäft ist der Transport, nicht die Diplomatie. Aber wie wär's denn, wenn ihr einfach durchsagen würdet, dass ihr alle Passagiere bittet, grundsätzlich aus ihrem eigenen Wagen auszusteigen, um Verzögerungen zu vermeiden. So könntet ihr vermeiden zu vermitteln, dass ihr 80% eurer Kundschaft für minderwertig haltet, und statt dessen suggerieren, dass euch die Zeit und der Komfort aller am Herzen liegen.
Manchmal, ganz selten, bevorzuge selbst ich solche Marketing-Lügen.

14 Juli 2008

Heimaturlaub

Es gibt Sachen, die sind einfach nicht zum Aushalten.
Leos Arbeit zum Beispiel. Nicht wegen des Inhalts - an den gewöhnt man sich erstaunlicherweise ganz gut, auch wenn's immer wieder belastende Sachen gibt. Aber eben auch viel Routine.
Nein, es sind die Arbeitsbedingungen, die das ganze so unaushaltbar machen. Davon schreibe und jammere ich euch ja immer wieder vor.
Und da er so unerträglich viel arbeiten muss, habe ich jetzt beschlossen, Urlaub zu machen. Klingt absurd, is aber so. Ich mach die Pause, die er nicht machen kann, vielleicht kann ich ja ein bisschen Kraft für uns beide tanken.
Ein richtiger Urlaub im klassischen Sinne wird's nicht, ich nehm meinen Laptop mit und arbeite ganz fleissig daran, wieder mal einen Auftrag zu bekommen. Dafür fahre ich nach München und freue mich ganz arg darauf, ganz viele liebe Leute zu treffen. Und wie Frederick die Feldmaus ganz viel davon in mich aufsaugen und Leo mitbringen zu können!

08 Juli 2008

Die Rolle des Authentischen

Entgegen meiner guten Vorsätze, sowas nie wieder zu machen, bin ich gerade mit meinem zweiten Schundroman fertig geworden. Diesmal zum Glück ohne kürzen. Obwohl's mich bei diesem Exemplar schon sehr gereizt hätte, mit dem ganz dicken Rotstift ranzugehen. Dem bisschen an Handlung hätten ein paar Worte weniger nicht geschadet. Zumal die englischen Lords und Ladies aus dem 19. Jh. sich in bestem aktuellem amerikanischem Alltagsslang unterhielten. Was das ganze teilweise echt zur Lachnummer machte. Da muss man sich doch wundern, mit wie wenig sich die Leserinnen dieser Bücher zufrieden geben. (Sexszenen gab's übrigens diesmal keine.) Kaufe ich mir nicht einen 'historischen' Roman, um etwas von der Stimmung der damaligen Zeit zu atmen? Um in die Illusion der Authentizität außerhalb meiner Realität einzutauchen? Authentizität ist offenbar anstrengend.
Dabei ist mir eine Szene eingefallen, die ich kürzlich mit meinen Literaturdamen erlebt habe. Wir wollten einen neuen Wochenendausflug (ähnlich dem letzten) planen, und hatten uns Dublin als Ziel ausgesucht. Irgendwer überlegte laut, wo 'man' denn in Dublin übernachten würde. Ich meinte natürlich sofort, dass da nur ein Bed & Breakfast in Frage käme, worauf die Mädels sich vielsagende Blicke zuwarfen und auf mein Nachfragen nur lachend meinten: "Typisch, wir suchen was schönes zum Übernachten, und du willst authentisch wohnen." Ich kam mir ein bisschen doof vor. Aber nur ein bisschen.
Denn es stimmt: Authentizität ist mir wichtig. Nichts gegen Luxus, aber wenn ich in ein Land fahre, will ich etwas sehen, was dafür typisch ist (selbst wenn's nur für Touristen gedacht ist). Und wenn ich ein Buch lese, will ich es nicht leicht gemacht kriegen, sondern mich reinversetzen, auch wenn ich dafür ein bisschen ungewohnte Formulierungen in Kauf nehmen muss.
Warum ist das so?
Spontan würde ich sagen: Weil mir meine Eltern beigebracht haben, was wirklich wichtig und wissenswert ist, und was nur oberflächlich und belanglos. Das mag vielleicht den Nachteil gehabt haben, dass ich in der Schule partout nicht kapiert habe, wie überlebenswichtig eine bestimmte Jeansmarke oder eine bestimmte Frisur sein kann. Dass ich in der Agentur nicht begriffen habe, warum es kriegsentscheidend ist, ob eine Anzeige hellblau oder mittelblassblau ist, und ob sie heute oder morgen erscheint.
Aber wenn ich auch bisher immer mit meinem Schicksal als (Schul-)Mobbingopfer gehadert habe - könnte ich es ungeschehen machen, indem ich einfach auf diese Unterscheidungsfähigkeit verzichte, bin ich geneigt zu sagen, dass ich lieber all das nochmal durchmachen würde.

07 Juli 2008

Ausgleichende Gelichtigkeit

Seit Monaten, wenn nicht seit Jahren, funktioniert das Licht in unserem Hauseingang nicht. Das ist nicht schlimm, beim Reingehen kann man sich an der nächsten Lampe ein paar Meter weiter orientieren, und bis dahin geht es eh nur gradeaus. Deswegen waren ich und wahrscheinlich auch alle unsere Mitmieter zu faul, etwas dagegen zu unternehmen.
Vor ein paar Tagen hat sich aber dann doch jemand erbarmt, und der Hausgang erstrahlt in neuem Glanze. Als ich aber vorgestern den Müll runtergebracht habe, musste ich feststellen, dass jetzt eine der zwei Lampen im Keller nicht mehr geht.
Es mag keine Gerechtigkeit auf dieser Welt geben. Aber ist es nicht tröstlich zu wissen, dass irgendwo jemand sitzt und auf eine ausgeglichene Bilanz aller Glühbirnen achtet?

29 Juni 2008

Na, geht doch!

Was durfte ich da gestern erleben? Frauen wippten mit den Hüften, Männer nickten mit dem Kopf, manch einer ließ sich gar dazu hinreißen, mitzuklatschen oder zu singen, und fast alle sind die ganze Zeit gestanden!
Was war passiert? Loreena McKennitt hat ein Konzert gegeben. Das hat sie letztes Jahr schon mal getan, aber da war's irgendwie anders. Ein vereinzelter Fan stand zwar am Rand der Sitzreihen rum und schüttelte ab und zu rhythmisch sein Haar, aber alle anderen blieben damals brav sitzen und applaudierten nur zwischen den Songs. Sind diese neuen Begeisterungsausbrüche nur der Tatsache geschuldet, dass das Konzert auf einer Freilichtbühne stattfand? Oder lag es daran, dass die Initiatoren der Tanzbewegung allesamt offensichtliche Randgruppen (ein lesbisches Pärchen, zwei in Pannesamt gekleidete Mittelalterfans und ein betrunkenes Pärchen) angehörten, und sich deswegen ohnehin keine Sorgen mehr um ihren Ruf machen mussten? Oder hat am Ende all mein Geunke etwas bewirkt?
Wie auch immer, das Konzert war genial. Mit Loreenas Worten: Making music is a bit like cooking. If you prepare a fine dinner, it's only half the fun unless you invite all your friends over to share it with you.
Und diesmal hatte ich wirklich das Gefühl, dass alle Beteiligten das Festmahl genauso genossen haben wie ich.

22 Juni 2008

(Hennen und) Eier trennen

Und schon wieder habe ich ein künstlerisches (künstliches?) Thema, das ich schon lange mal in die Runde werfen wollte. Aktueller Anlass, ist ein Buch, das wir im Literaturclub (kein Link, weil ich da schon seit Ewigkeiten nix mehr geschrieben habe) gelesen haben. Darin ging es um einen modernen Opernkomponisten, der evtl. seine Frau ermordet hat. Das Buch lässt das offen, erklärt einem aber auf kategorisch-bevormundende Weise alle anderen Vorgänge und Phänomene dieser Welt, weswegen ich es nicht besonders mochte. Die eigentlich interessante Frage, die es aufwirft, ist, inwieweit man die Kunst von dem, der sie macht, trennen kann. Sprich, wenn ich weiß, der Mann ist ein Mörder, kann ich es dann noch vor mir rechtfertigen, seine Opern zu hören? In diesem Fall stellt sich das Problem nicht, da ich kein besonderer Fan moderner Opern bin; zudem ist nicht klar, ob er überhaupt in irgendeiner Weise Schuld am Tod seiner Frau hat.
Bei anderen aber stellt sich die Frage durchaus. Zum Beispiel besitze ich eine CD Noir Desir. Deren Sänger hat vor ein paar Jahren seine Freundin Marie Trintignant erschlagen. Seit ich das weiß, steht die CD im Regal und guckt mich ab und zu verführerisch an. Aber ich trau mich nicht so recht, sie anzuhören. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich würde dadurch indirekt meine Zustimmung zu jemandem ausdrücken, der zu sowas eben nicht nur fähig ist, sondern es auch tut. Mach ich mir da zu viel Gedanken? Und sollte ich jetzt, wo der Mann seine Haftstrafe verbüßt hat, als gute Bürgerin und Anhängerin unseres Rechtssystems nicht sein Strafregister aus meinem Kopf löschen und ihn nicht mehr als Verbrecher, sondern als geläuterten Menschen
betrachten und bedenkenlos seine Musik hören?
Und wenn ich Noir Desir boykottiere, wie weit erstreckt sich das dann auf andere? Filme mit bekannten Scientologen meiden? Amy Winehouse nicht mehr hören, damit sie irgendwann auch finanziell so abstürzt wie schon seelisch - als letzte Chance zur Besinnung?
Ich geb's zu: Ich möchte gerne die Leute, deren Kunst ich bewundere, auch als Personen bewundern. Oder zumindest respektieren können. Es fällt mir schon schwer zu akzeptieren, dass auch dumme Menschen schön schreiben oder komponieren können. Aber solche, deren Haltung meiner Grundeinstellung zu gewissen Dingen diametral entgegensteht...? Ich tendiere dazu zu sagen, dass mir deren Werke dann auch gestohlen bleiben können. Aber so ganz sicher bin ich mir nicht, ob ich's da nicht übertreibe.
Was meint ihr dazu?

18 Juni 2008

Ferndiagnosen

M. Night S. hat Alzheimer. Bin ich ganz sicher. Der Mann hat gute Ideen. Und er kann auch irgendwie Filme machen. Nur in letzter Zeit scheint's, dass er im Lauf der Geschichte vergisst, wo er damit eigentlich hin will. Und den ganzen Witz dann trotzdem erzählt, aber ohne Pointe. Sein neuestes Werk hat wirklich schöne Horrorelemente. Aber keine nennenswerte Verbindung dazwischen. Vielleicht ist es auch BSE?
Ebenso überzeugt bin ich, dass Mike Oldfield unter ADS (ehemals Hyperaktivität genannt) leidet. Der Mann schäumt über vor Ideen, aber keine seiner neueren CDs (so ab 1985?) schafft es, auch nur über 3 Takte bei einem Thema zu bleiben. Mitunter bin ich versucht, die Stücke auf meinen Computer zu laden, und mit Hilfe der passenden Software einfach ein paar Loops einzubauen.
Nicht missverstehen: Ich liebe beide.
Aber seit ich selber zu den Psychos gehöre, liebe ich es, solche Ferndiagnosen zu stellen. Nicht zuletzt, um eine Ausrede zu finden, warum der Betroffene gar kein schlechter Künstler, sondern nur gerade etwas aus dem Takt mit mir/der Welt ist. Und ich weiter ungeniert ihre Werke genießen kann. :)

13 Juni 2008

Urlaubsfotos

So, zur Abwechslung mal kein langer Text, sondern viele schöne Bilder:

Nordirland Mai 2008

Danke, ihr Lieben, dass wir bei euch so eine schöne Zeit hatten!

12 Juni 2008

Romanfledderer

So schön das selbständige Arbeiten von zu Hause auch ist - man hat keine Kollegen, mit denen man mal eben über die Arbeit lästern kann. Also müsst ihr diesen Part übernehmen.
Mittlerweile bin ich mit Übersetzen fertig. Jetzt muss ich den Roman kürzen. Dummerweise um fast ein Drittel, weil die Heftchen einfach nicht mehr als 360.000 Zeichen haben dürfen. Nachdem ich einmal mit dem Seziermesser und einmal mit der Säge über alle Formulierungen drübergegangen bin, jede auch nur andeutungsweise Wiederholung und viele viele Adjektive gestrichen und zwei unwichtige Charaktere komplett gestrichen habe, liege ich immer noch bei 420.000 Zeichen. Die bisherigen Kürzungen konnte man gerade noch so als stilistische Korrektur und notwendige Straffung durchgehen lassen. Was jetzt kommt, ist die brutale Verstümmelung des Originals. Die Heldin hat ein Buch veröffentlicht. Raus damit. Der missgünstige Cousin des Helden versucht mehrfach, sie öffentlich zu demütigen. Er wird zum höflichen Überbringer einer einzelnen Nachricht zusammengestrichen. Auf einem Ball darf die Heldin ausführlich ihre Zeichenkünste demonstrieren und verwickelt sich dadurch in einen Skandal, der Auswirkungen auf das ganze Buch hat. Die ganze Szene fällt komplett dem Rotstift zum Opfer. Dazu muss ich weiter hinten einiges an Dialogen und Beschreibungen ändern oder selbst neu schreiben.
Ich weiß ja, es ist keine große Literatur, die ich hier bearbeite. Aber eine derartige Verstümmelung hat kein Buch verdient. Und kein Übersetzer eine derartige Arbeit! Vom Grammar-Nazi zum Buchstabenverbrenner. :(
Insofern kann ich nur sagen: ihr habt sicher recht, alles, was Kinder zum Lesen bringt, ist gut. Allerdings bitte ich Naiko und alle anderen Lehrer, davon abzusehen, mein Buch und ähnliche zu Unterrichtszwecken zu verwenden. Dann lieber MTV und RTL.
Zum Thema Twilight habe ich es gemacht, wie jeder gute Akademiker: ich habe mich anhand von Sekundärliteratur ausführlich informiert (anstatt das Werk einfach selbst zu lesen und mir ein eigenes Urteil zu bilden - kommt aber noch). Die Autorin ist Mormonin, Mitte dreissig, sieht auf Fotos aus wie 19, und hat nach eigenen Angaben noch nie ein grusliges Buch gelesen oder einen Horrorfilm gesehen. Die Bücher sind ähnliche Bestseller wie Harry Potter, über den ja auch viel geschimpft wurde. Bei beiden ist die Zielgruppe deutlich jünger als der Großteil der Leser dieses Blogs (soweit ich weiß), trotzdem scheinen Unmengen von Erwachsenen die Bücher ebenfalls zu lesen. Sind wir also selber schuld? Vielleicht sagt das einiges über unser Verhältnis zu Teenagern aus - ich zumindest möchte diese Zeit in meinem Leben liebend gern aus meinem Gedächtnis streichen, was mir nicht wirklich dabei hilft, mich in den Durchschnittsteenager hineinzuversetzen. Andererseits kann ich mich der Aussage meines Bruders nur immer wieder anschließen: wir trauen unseren Kindern oft viel zu wenig zu. Vielleicht ist das der Weg: Trivialliteratur to get them hooked on reading, und dann mit anspruchsvolleren Sachen weiterarbeiten. Und für uns selbst: Trivialliteratur ähnlich verwenden wie McDoof, als etwas, dass es gelegentlich mal braucht. Ohne Reue genießen, und dann ebenso genüsslich drüber lästern, den Stoff gnadenlos auseinandernehmen und zerfleddern. Wie gewisse Übersetzer es mit ihren Büchern tun...

10 Juni 2008

You can't unthink it

Man, vielmehr frau, lernt nie aus. Gerade liege ich in den letzten Zügen einer speziellen Übersetzung. Dabei handelt es sich um einen sog. Schundroman, die Sorte, die man nur am Bahnhof kaufen kann. Im Prinzip ist das eine lustige Sache, die Arbeit ist nicht besonders anstrengend und geringfügig weniger langweilig als irgendwelche Patentschriften. Nur sind da dummerweise auch Sexszenen drin. Und da muss ich immer wieder feststellen, dass mir offenbar das Vokabular fehlt. Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Ich kenne die anatomisch korrekten Bezeichnungen für die wichtigsten beteiligten Körperteile, und bin auch mit zahlreichen mehr oder weniger lustig-obszönen Bezeichnungen vertraut, die dafür so kursieren. Beides ist aber dummerweise für die Zielgruppe des Buches nicht passend. Also muss ich mir so furchtbar verklemmt-peinliche Halbzweideutigkeiten wie 'Liebesstab' oder 'Wölbung' oder andere Grässlichkeiten einfallen lassen, um die schönste Nebensache der Welt zu beschreiben. Danach wünsche ich mir regelmäßig eine Dusche. Keine kalte, sondern eine mit viel Desinfektionsmittel, am besten inklusive Hirnspülung.
Von zweifelhaftem Vokabular abgesehen lerne ich aber beim Übersetzen auch wirklich interessante Dinge. Z.B., dass auch in Frauenromanen Frauen sofort willenlos werden, wenn ein Mann sie küsst. (Dachte, dieser raffinierte Plottwist wäre Männerfilmen vorbehalten.) Was ich aber viel beängstigender finde: offenbar zerspringen Männer beim Höhepunkt in Tausend Stücke. Und schlimmer noch, danach schwingt sich die Seele auf in himmlische Höhen des Friedens. So steht's da. Da fragt man sich unwillkürlich, was man falsch macht, denn bisher scheine ich noch auf niemanden diesen Effekt gehabt zu haben. Oder verheimlicht ihr Männer uns das irgendwie? Pflückt eure Seele vom Himmel, klaubt die Scherben auf und klebt euch in mühevoller Kleinstarbeit wieder zusammen?
Das alles wäre noch irgendwie zu ertragen, wenn nicht am Ende neben dem zu erwartenden Heiratsantrag auch noch der Bösewicht auf einmal geläutert, jede im Roman auch nur einmal erwähnten Personen zugegen und die Karriere des Helden auf wundersame, völlig unerwartete Weise gerettet wären. Und auch das würde ich noch aushalten. Wenn nicht jeder dann auch noch mit Blumen werfen würde. Was sag ich, Blumen! Flieder! Yuk!
Uh. Ich glaub, ich brauch noch 'ne Dusche.

07 Juni 2008

Nachtrag

Mann, ich habe noch so viele Posts im Kopf, die ich eigentlich dringend schreiben müsste, aber irgendwie komm ich weder dazu, euch richtig von unserem Urlaub oder von der Einlaufparade zum Hafengeburtstag zu berichten, noch meine philosophischen Gedanken zur Kunst im Allgemeinen und Verbrechen im Besonderen mitzuteilen oder meine lang geplante Rubrik 'Tanja erklärt die Welt' einzuführen. (Praktisch, dieser Post ist gleichzeitig ein Memo an mich selbst.) Ich verspreche, ich werde das nachholen.
Momentan aber nur ein kleiner Nachtrag zum letzten Post: Ich habe ein neues Idol, nämlich Dub die depressive Schildkröte auf Paraplüsch. Sehr geniales Spielkonzept, mit Sachverstand und viel Gefühl gemacht, finde ich. Dub zu helfen, braucht sehr viel Geduld und Taschentücher, und ist ebenso rührend wie herzzerreissend, genauso wie bei allen anderen Patienten. Jedes Mal, wenn ich spiele, schwöre ich mir, ein Heim für misshandelte Stofftiere aufzumachen. Dieser Vorsatz ist allerdings ein bisschen ins Wanken geraten, als ich heute Nacht geträumt habe, ich hätte ein Baby bekommen, und das dann zwei Wochen in einer Schublade vergessen. Keine Ahnung, was mir mein Unterbewusstsein damit sagen will. Hinweise und Theorien werden gerne angenommen, ich bitte nur von der Anwendung von Eletroschocktherapie abzusehen (im Spiel unterm Bett zu finden). ;-)

04 Juni 2008

1 Monat ohne

Ok, eine Quelle für Badewannen und Herde hab ich jetzt - dankeschön! - fehlt nur noch das Haus und die S-Bahn. Denn Naiko hat recht, am wichtigsten am Wohnen ist, dass man nah an den Leuten wohnt, die man gerne und oft sieht. Klingt zu schön, um wahr zu sein. Aber seit ich mit Leo zusammen bin, weiß ich, dass Wunder möglich sind, und dass man sich in den wichtigen Dingen im Leben auf keinen Fall mit einem mäßigen Kompromiss zufrieden geben darf. :)
So, aber jetzt zum eigentlichen Thema: Gestern vor einem Monat habe ich meine letzte Egal-Tablette genommen. Seither bin ich clean. Der Schwindel hat sich mit der Zeit gelegt, ganz ganz selten glaube ich noch, einen Anflug zu spüren, aber das kann auch Einbildung sein. Ein Phänomen aus der Anfangszeit meiner Antidepressiva-Phase hatte ich schon wieder verdrängt, jetzt ist's leider wieder da: das Friteusen-Gefühl. D.h. ich fühle mich oft, als hätte ich einen kräftigen Schluck aus der Friteuse bei McDo zu vor-Wallraff-Zeiten genommen (sprich, als das Fett in den Dingern noch alle 6 Monate statt jeden Tag gewechselt wurde). Bisschen ekliges Gefühl, aber wenn man nicht bewusst drüber nachdenkt, kann man's aushalten. Außerdem weckt das tatsächlich gelegentlich den Wunsch, nicht mehr so fett zu essen, und das ist ja nicht schlecht.
Was aber ist mit dem Egal-Gefühl? Das ist so ziemlich verschwunden. Vielen Dingen kann ich immer noch recht gelassen gegenüber stehen, vermutlich aber nicht wesentlich mehr als vor der Depression. Dem 'Druck' der Arbeit kann ich ganz gut standhalten, hauptsächlich, weil es mir gelingt, selbigen gering zu halten - toi, toi, toi.
Manchmal fühle ich mich unbeschwert und froh und durchwegs positiv - fast so wie früher.
Aber manchmal, wenn ich nicht aufpasse, steht auf einmal ein Gespenst in der Ecke, sieht mich an und flüstert "Ich bin tot, aber ich bin noch hier." Dann spüre ich wieder, wie es war, und die Angst, die das auslöst, fühlt sich so verdammt nach Depression an, dass ich überzeugt bin, alles fängt wieder von vorne an...
Aber es ist tatsächlich nur ein Gespenst, denn es hält sich an Geisterstunden und lässt mich den größten Teil des Tages in Ruhe. Wahrscheinlich muss ich einfach noch eine Weile durchhalten, bis ich überzeugt bin, dass das Gespenst mir nichts tun kann, mich dann mit ihm anfreunden und dann einen Weg finden, es zu erlösen...
Und da sag noch einer, aus Gruselgeschichten lernt man nix fürs Leben. ;)

20 Mai 2008

The end of life as we know it

Eigentlich wollte ich diesen Eintrag mit 'Ich kann so nicht mehr leben' betiteln. Aber das erschien mir dann doch unnötig erschreckend-dramatisch.
Denn tatsächlich geht's nur um Äußerlichkeiten.
Vielleicht sollte ich von vorne anfangen: Momentan sind wir im Urlaub (!) in Irland. Dort besuchen wir meinen Bruder, seine Freundin und deren Kinder (eins davon noch in Arbeit befindlich). Die dreieinhalb wohnen zusammen mit noch einer kleinen Familie etwa eine Stunde nördlich von Belfast, und jetzt kommt's, in einem Herrenhaus, das wohl einige hundert Jahre alt und einfach der Gipfel ist. Es liegt auf einem Hügel inmitten von Schafweiden und typisch englischen Steinmäuerchen, drumherum nur sanft geschwungene Natur und ganz vereinzelt mal ein Haus. Der Garten ist riesig, mit uralten Buchen und Obstbäumen bestanden, es gibt einen kleinen versteckten Teich, ein Baumhaus, ein paar romantische Schaukeln und einen Gemüsegarten mit allem, was das Herz begehrt. Morgens beim Zähneputzen kann ich beobachten, wie sich Eichhörnchen und Rotkehlchen begleitet von einem Krähenorchester um den besten Platz an der Sonne streiten. D.h., wenn ich nicht grade damit beschäftigt bin, mir zu überlegen, wie ich am geschicktesten die Armaturen im Bad klaue, ohne dass es jemand merkt. Es gibt eine Badewanne mit Löwen-/Adlerfüßen, jedes Zimmer hat einen Kamin und eine Dienstbotenklingel, und in der Küche gibt es einen herrlichen alten Ölherd, der das ganze Haus mit heizt. Von den zahlreichen Stallungen, Schuppen und Werkstatt-Räumen und dem Gewölbekeller will ich gar nicht reden. Kurz: dieses Haus ist einfach genial. Jeder Raum atmet Geschichte, und trotzdem ist das ganze urgemütlich.
Und wir müssen am Ende des Urlaubs wieder in unsere ganz normale moderne Hamburger Zweizimmerwohnung zurück. Wie, bitteschön, soll ich das aushalten? Wie ohne diesen Garten auskommen? Ohne die Möglichkeit, in jedem Zimmer ein Feuer anzuzünden, oder in einem alten Stall rumzustöbern und mir zu überlegen, was für Viechzeugs da wohl gehalten wurde und was für coole Rollenspielevents man hier veranstalten könnte? Was sag ich - was für ein cooles Leben man hier veranstalten könnte!
Wenn ihr euch fragt, was ich in nächster Zeit zu Hause so treiben werde: ich werde mich auf die Suche nach einem ebensolchen Anwesen machen.
Manche Dinge kann man sich einfach nicht mehr abgewöhnen, und dieses Haus gehört definitiv dazu.

11 Mai 2008

Unheilbar zynisch?

Heute auf dem Weg zum Frühstück. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, Frühling überall, gute Laune. Leos Telefon klingelt, die Arbeit. Jemand ist schwer verletzt, muss gleich operiert werden, man fragt nach Maßnahmen, die ihm hinterher die Arbeit erleichtern sollen, bzw. sicherstellen, dass keine Information verloren geht.
Eine Weile nach dem Anruf. Wir setzen uns in die Sonne, Italiener, Luxusfrühstück, eine sanfte Brise in den Bäumen, vereinzelte Sonnenstrahlen treffen unseren Tisch, Entspannung.
Leo: Na, dann hoffen wir mal, dass der Mann nicht stirbt.
Tanja: Weil du sonst gleich los musst?
Leo: Hauptsächlich, weil er sonst tot ist...
Tanja: ...

Laut Wikipedia ist ein Zyniker jemand, der in (manchmal absichtlich) verletzender Weise die Wertvorstellungen anderer herabsetzt oder missachtet, oder moralische Werte grundsätzlich in Frage stellt (und manchmal sich obendrein über sie lustig macht).
Das, was ich da geliefert habe, geht meiner Meinung nach noch ein gutes Stück darüber hinaus, denn es geschah weder absichtlich noch aus dem Wunsch zu verletzen oder auch nur einen coolen Spruch zu machen. Es war einfach eine ganz unschuldige und gedankenlose Äußerung, die das Ausmaß meiner Gewöhnung an Sachen zeigt, von denen ich nicht sicher bin, ob ich an sie gewöhnt sein will.
Ich habe ein Monster erschaffen - mich selbst!?

Bitte, lieber Mann auf dem OP-Tisch, stirb nicht, denk daran wie schön die Sonne scheint, und dass hier draußen jemand an dich denkt, und halte durch!

25 April 2008

A dot connected

Und schon wieder muss ich euch mit Youtube zudröhnen. Diesmal sind es sogar über 14 Minuten. Aber das Zuhören lohnt sich, wie ich finde. Kein Wunder, der Mann redet über mein Leben.



Und wie ich fürchte auch über das unzähliger anderer. Ich kann mir nicht helfen - ich sehe die Gesichter der zuhörenden Studenten, und weiß, dass sie alle trotzdem BWL studieren und Karriere machen (somebody elses live leben) werden. Weil das genau das ist, was sie wollen, the kind of work they love. Oder weil sie denken, dass es das ist.
Was hätte ich getan, wenn jemand zu meinem Studienbeginn so eine Rede gehalten hätte? Wahrscheinlich hätte es nicht viel geändert. Weil ich damals nicht wusste, was ich will. Weil das, was ich zu wollen glaubte, von so vielen anderen beeinflusst war, von dem Wunsch, anderen zu gefallen, so zu sein, wie alle anderen, zu machen, was 'man' eben macht, wenn man ein gutes Abi hat und die Welt einem offen steht.
Weil es ungemein schwer war, zu wissen, was ich will.
Das finde ich oft immer noch ziemlich schwierig. Und ich scheine nicht allein zu sein. Nicht nur in beruflichen Fragen.
Woher weiß man eigentlich, was man will? Woher kommt die innere Stimme, die einem sagt, wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, müsste ich unbedingt noch dies, das und jenes tun? Und wie zum Teufel kann es sein, dass sie so leise wird, dass man sie nicht mehr hört?
Wie könnte es anders sein, Tori Amos hat ein Lied dazu geschrieben. Dazu gibt's jetzt aber nur noch den Link, sonst kann ich diesen Blog bald komplett nach youtube verlegen.
Sometimes, I said sometimes I hear my voice, and it's been here, silent all these years...

23 April 2008

Risiken und Nebenwirkungen

Sicher kennt ihr das vielstrapazierte Klischee des Verrückten, der sich für normal, und die ganze Welt um sich herum für verrückt hält. Momentan, da ich mich eigentlich als von meiner 'Verrücktheit' halbwegs geheilt (oder wenigstens stark in Heilung begriffen) betrachte, muss ich gestehen, dass mich dieses Gefühl des öfteren beschleicht. Zum Beispiel neulich, im Taxi. Selbiges bestellte ich wie immer bei meiner Lieblings-Taxinummer (man wählt einfach so oft hintereinander die 'number of the beast', bis sich am anderen Ende der Leitung ein Taxiunternehmen meldet), und diesmal schickten sie mir endlich mal einen zur Nummer passenden Fahrer. Der redete nicht nur ununterbrochen, sondern hatte auch seine ganz eigene Theorie zu allen möglichen weltanschaulichen Dingen, die Dittsche harmlos erscheinen lassen. Es gelang mir ganz gut, mich mental (nicht verbal, dazu waren zu wenig Gesprächslücken) abzugrenzen, bis er mich auf einen viel zu wenig beachteten, katastrophalen Nebeneffekt der Erderwärmung aufmerksam machte: beim Schmelzen der Pole werde ja so viel Kälte freigesetzt, dass es bestimmt bald zu einer neuen Eiszeit kommen würde. Seither komme ich nicht mehr von diesem Gedankengang los, so sehr ich mich auch dagegen zu wehren versuche. Ist das etwa die Erklärung für das viele schlechte Wetter hier im Norden im letzten Sommer?
Überhaupt scheint mir eine gesunde Portion Paranoia spätestens seit meinem Initiationsbesuch beim Steuerberater angebracht: Wenn man selbständig aber verheiratet ist, wird zwar das zu versteuernde Einkommen in einen gemeinsamenen Topf geworfen, aber der Bemessungsbetrag für den Steuersatz wird nicht erhöht. D.h. wir verdienen zwar zu zweit, zahlen aber soviel wie eine Person mit doppeltem Einkommen. Liegt's an mir, dass ich mir da irgendwie diskriminiert vorkomme? Gemäß oben erwähnter Theorie ist die Welt dann wohl gerecht, und ich übersensibel. Deswegen stört es mich wahrscheinlich auch, wenn ich an einem Bestattungsinstitut vorbeilaufe, auf dessen Firmenschild unter dem Namen groß 'Bestatterinnen' steht. Wen interessiert's bitteschön, ob er von einem männlichen oder einem weiblichen Bestatter in den Sarg gepackt wird? Der Tod macht uns alle... äh... unterschiedlich?
Zum Glück hatte mein Versicherungsberater gleich das passende Produkt für solche Fälle parat: für Firmen gibt es tatsächlich eine Anti-Diskriminierungs-Versicherung. Na dann is ja gut. Sobald jeder diese Versicherung hat, kann man dann nach Herzenslust diskriminieren, sich als Diskriminierter dafür entschädigen lassen, und ich kann endlich den dämlichen Autor von Warum Frauen gern Mars essen und Männer nur ohne Schuhe einparken können verklagen (von dem mein Taxifahrer übrigens in höchsten Tönen schwärmte).
Zum Glück habe ich am Ende dieser letzten zwei Tage, innerhalb derer sich dieses ganze verwirrende Kuddelmuddel abspielte, noch einen Laden gefunden, der mich wieder etwas mit der Welt versöhnt hat. Laut Firmenschild kann man dort 'Endzeitmöbel' kaufen. Leider (?) steht der Laden schon lange leer. Was nur drei Dinge bedeuten kann:
a) In einer wie auch immer gearteten Endzeit braucht man keine Möbel.
b) Die Endzeit ist längst da, allerdings nur in dem räumlich sehr beschränkten Universums 'Möbelladen'.
c) Die Endzeit ist schon vorbei, deswegen ist der Laden ausverkauft/nicht mehr nötig.
Ich finde, das klingt alles irgendwie positiv. Und das, obwohl ich schon seit drei Tagen keine Tablette mehr genommen habe. Was mich zu der Vermutung verleitet, dass
a) ich trotz anhaltendem Schwindel keine Tabletten mehr brauche
b) die Genesung längst stattgefunden hat,
c) die Depression schon vorbei ist.
Ich finde, das klingt alles irgendwie positiv.
Und wem das alles etwas wirr vorkommt, der rufe mich unter der bekannten Nummer an, ich besorg mir ein Taxischild, hole euch ab und quatsche euch so lange zu, bis ihr mir glaubt: die Welt ist verrückt, ich bin normal.

20 April 2008

Kulturförderung

Heute ist Sonntag.
Einer der wenigen dienstfreien Tage im April.
Mein Mann telefoniert gerade zum vierten Mal mit seinem Arbeitgeber. Weil die Arbeit für morgen organisiert werden muss - ein Auswärtstermin steht an, ein Assistent fehlt, welches Auto nimmt man denn, und wann trifft man sich wo zur gemeinsamen Abfahrt.
Eigentlich nicht weiter schlimm. Muss ja irgendwann und von irgendwem organisiert werden. Oder?
Sollte die Planung der Arbeit nicht eigentlich während der Arbeitszeit erfolgen? Weil sie ein Teil der Arbeit, nicht der Freizeit ist.
Mein Mann sagt, er schreibt sich Überstunden dafür auf. Die er irgendwann abfeiern darf. Evtl. Wenn nicht wieder mal grade jemand fehlt. Weil er keine Vertretung für sich finden konnte. Was eigentlich Aufgabe seines Arbeitgebers wäre.
Mein Mann meint, das sei halt die 'Kultur 'an seiner Arbeitsstätte.
Kultur, nach der Definition, die ich gelernt habe, ist (stark verkürzt und vereinfacht) ein Satz von Werten, Normen, Regeln zum Umgang mit Situationen, die sich eine mehr oder weniger geschlossene Gruppe selbst gibt.
Nicht zwingend explizit. Häufig gar nicht bewusst. Stabilität und Dauerhaftigkeit gewinnt das ganze hauptsächlich dadurch, dass man sich dran hält und danach lebt. Weil das eben so ist. Weil's alle machen.
Kultur - ist das nicht was schönes? Förderungswürdiges?

17 April 2008

Bilder- und Worteklau

Heute bin ich traurig.
So hingeschrieben klingt das irgendwie sehr nach Schulaufsatz.
Aber mir wurde glaubhaft versichtert, dass es wichtig ist, meine Gefühle auszudrücken. Also werde ich die unsinnige Angst, dass sich jetzt alle bemüßigt fühlen, mich retten zu wollen, einfach beiseite schieben, und versuchen, ein Bild von meinem Innenleben zu zeichnen. (Unsinnig, weil mich das ja eigentlich freuen sollte; tatsächlich ist es mir aber eher unangenehm - es könnt sich ja jemand Sorgen machen, und das will ich doch nicht. Warum eigentlich?)
Ein Bild ist gar nicht so einfach; ich habe zwar irgendwo begabte Malergene in der Familie, aber sehr wenig Übung. Was meine Stimmung immer sehr schön ausdrückt, ist Musik. Und das ist auch gleich eine gute Gelegenheit, euch von meinen fantastischen Neuentdeckungen bei lastfm zu berichten. Unter meinen Favoriten sind zur Zeit Imogen Heap (nein, ich weiß auch nicht genau, wie man das ausspricht, und ja, die Musik ist genau so wie der Name klingt), Sarah Slean (ich steh einfach auf die girl-and-her-piano-Sache), Kate Havnevnik, Natalie Merchant und Sia. Kate Nash ist auch klasse, passt aber nicht so ganz in meine momentane Gefühlslage.
Seht ihr, wie geschickt ich jetzt abgelenkt habe? Eigentlich sollte die Musik ja dazu dienen, meine Stimmung zu verdeutlichen. Also:


Das trifft's schon ziemlich genau. Oder auch das hier:


Oder am besten das hier (bis zum Ende angucken, das wird am Schluss richtig stark):


Jetzt habe ich euch dazu gebracht, stundenlang Videos zu gucken, und mich elegant um Worte gedrückt. Dabei sollten doch Worte meine Spezialität sein. Und eigentlich kann ich ja auch ziemlich genau sagen, wie's mir geht: ich bin traurig.
Der Schwindel hat ziemlich nachgelassen und kommt nur noch ganz selten kurz durch. Eigentlich fühle ich mich emotional recht stabil, mit der Tendenz, mir etwas mehr Sorgen zu machen als zu den besten Alles-Egal-Zeiten, aber nicht annähernd so wie zu Depressionszeiten. Vielleicht fällt's mir nur mehr auf, weil ich eben jetzt beim Medizin-Absetzen besonders drauf achte.
Und heute bin ich eben traurig. Melancholisch. Ein bisschen unglücklich. Über nichts bestimmtes, einfach nur so. Angefüllt von einem Gefühl. Und wieder mal trifft jemand anders genau das, was ich sagen will, am besten mit einem Songtext:
I need the darkness
The sweetness
The sadness
The weakness
Oh, I need this...

07 April 2008

Whuuiiiiiiiiiiiiiiieeeeee - Halbtagsschwindel

Die Überschrift sagt eigentlich schon alles darüber, wie's mir grade geht. Sprachverwirrt (Mischung aus dt. hui und engl. whee), leicht überdreht, völlig rational und klar, und vor allem schwindelig. Genauer gesagt ist mir meistens einen halben Tag lang schwindelig - so richtig scheußlich, als ob man gleich umfällt, nicht so lustig, wie wenn man was getrunken hat - bevor die halbe Dosis der Tabletten, die ich noch nehme, wieder wirkt und mich rein gleichgewichtstechnisch stabilisiert. Das ganze fühlt sich an, als stünde ich unter einer großen Glocke, auf die jemand in unregelmäßigen schwungvoll mit einem großen Hammer draufhaut.
Emotional spüre ich bis jetzt nicht viele Auswirkungen, und wenn dann eher positive: meine Stimmung euphorisch zu nennen, wäre zu viel, aber manchmal - häufig - ist sie durchwegs positiv. Besser als durchschnittlich. (Ihr seht, ich habe in der Klinik brav meine Lektion gelernt: Nicht einfach sagen 'Es geht mir gut', weil das jeder immer sagt, und es alles von super bis bescheiden heißen kann. ;))
Außerdem bin ich sehr motiviert was zu arbeiten. Da kam mir letzte Woche der Anruf von einer Übersetzungsagentur ganz recht, die eine furchtbar dringende Übersetzung Japanisch - Deutsch zu vergeben hatten. Voller Begeisterung nannte ich einen hohen Preis (gestiegenes unternehmerisches Selbstbewusstsein + schlecht lesbarer Text), und versprach, dass der Termin kein Problem war. Dummerweise wollten die einen Preis für den Quelltext (nicht wie in D üblich den Zieltext). D.h. ich musste meine Preise irgendwie umrechnen. Und das schnell, sie hatten's ja eilig. Jetzt hoffe ich ganz stark, dass ich die Herstellerfirma der Tabletten dazu bringen kann, mir die Differenz zu zahlen, um die ich mich zu meinen Ungunsten verrechnet habe (ca. Faktor 3).
Nachdem mir das bewusst geworden war, war ich einigermaßen missgestimmt. Was mir allerdings wirklich die Laune verdarb, war die Erkenntnis, dass ich mich auch um einen Tag vertan hatte. D.h. ich hatte nicht zwei, sondern nur einen Tag Zeit.
Ich erinnere mich, dass ich in der Grundschule Schwierigkeiten mit den Wochentagen hatte, aber das ist ungefähr 50 Jahre her. (Hab ich mich jetzt wieder verrechnet?).
Trotzdem, ich habe die Übersetzung überpünktlich abgeliefert, großes Lob (und wenig Geld) von der Agentur kassiert, Folgeaufträge in Aussicht, und übers Wochenende auch noch so ziemlich jeden Kampf gegen unseren neuen Computer gewonnen.
Also, erste Zwischenbilanz: positiv!
Weitere Berichte aus der Schwindel-Käseglocke folgen.

02 April 2008

Auf Entzug

Heute beginnt der Rest meines Lebens - ohne Medikamente. Sprich, ich habe angefangen, meine Alles-Egal-Pillen abzusetzen, natürlich wie immer in Absprache mit meinem Arzt. Das ganze geht ganz sanft und langsam vor sich. Also erwartet mich wohl kein cold turkey. Sondern?
Neulich hab ich mal eine Tablette vergessen. Abends hatte ich prompt das Gefühl, dass es mir wieder schlechter ging. Ich lag im Bett und grübelte vor mich hin - und hörte ganz von selbst wieder auf. Das war neu. Ich werde versuchen, mich daran zu erinnern, dass das geht, wenn's soweit ist.
Ohnehin habe ich das Gefühl, dass die Wirkung des Antidepressivums in letzter Zeit nicht mehr so stark ist. Ich träume zwar immer noch wild, aber lang nicht mehr so intensiv wie am Anfang. Meine Bettlaken muss ich auch nicht mehr so oft wechseln. Und egal... ist mir schon noch vieles, aber nicht ausschließlich immer. Also wird das vielleicht tatsächlich ein sanfter Abschied.
Halten Sie das aus?, hat mich mein Psychiater gefragt. Eigentlich fühle ich mich stabil genug dafür. Nur Leos Arbeit macht mir Sorgen. Die ist zur Zeit so extrem belastend (ja, noch mehr als sonst, ich hätt's auch nicht für möglich gehalten), dass es schon mit Tabletten unerträglich ist.
Also werde ich einfach mein bestes geben, alle Tricks und Strategien anwenden, die ich in der Klinik so gelernt habe, vielleicht grübeln, aber auch wieder damit aufhören, und wenn ich's gar nicht mehr aushalte, viele viele wirre Blogeinträge schreiben. :)
Goodbye Trevilor!

29 März 2008

Friedliche Träume?

Neulich habe ich vom Dalai Lama geträumt. (Vielleicht sollte ich nochmal erwähnen, dass ich seeeehr abstrus träume, seit ich meine lieben Tabletten nehme; manchmal gruselt mich das ein bisschen, aber alles in allem werde ich diesen Teil der Nebenwirkungen sicherlich vermissen.) Jednefalls habe ich geträumt, der Dalai Lama sei in einem Keller gefangen, und kam bekam mehr oder weniger zufällig die Gelegenheit, ihm bei der Flucht zu helfen.
Sicherlich spielen da die aktuellen Nachrichten eine große Rolle. Aber vielleicht ist das auch wieder so ein Wink mit dem Zaunpfahl meines Unterbewusstseins. Eine Auseinandersetzung damit, was eigentlich gut und was böse ist? Vielleicht damit, was es für mich, für mein Verhalten bedeutet?
Eigentlich bin ich kein Schwarz-Weiß-Denker. Ich kann (manchmal, einigermaßen) mit Schuld umgehen, kann Leuten verzeihen, wenn sie Mist gebaut haben, finde sehr wenige Leute einfach nur ausschließlich verabscheuungswürdig (und auch sehr wenige nur ausschließlich makellos), und warte immer ab, bis mir jemand persönlich was böses tut, bevor ich beginne, ihm zu misstrauen (sprich, mich vor jemandem zu 'warnen' ist relativ hoffnungslos - seufz). Aber auf einer sehr fundamentalen Ebene glaube ich schon, dass es Dinge gibt, die einfach nur gut oder böse sind.
Die Einhaltung der Menschenrechte zum Beispiel (gut). Frauenzeitschriften (böse). Gewaltverzicht (gut). Oder?
Der Dalai Lama, so wenig ich schändlicherweise über ihn weiß, ist ein Mensch, den ich grenzenlos bewundere, weil er (wenn man den Medien glauben darf) für Werte steht, die ich für gut und erstrebenswert und dringend für die ganze Menschheit notwendig halte, und diese so unheimlich konsequent lebt, obwohl sein ganzes Volk darunter leiden muss.
Moment.
Hat man mir nicht grade in monatelanger intensiver Therapie eingebläut, dass es gut ist, Grenzen zu ziehen, für sich einzustehen, sich zur Wehr zu setzen? Dass zumindest zur Selbstverteidigung ein gewisses Maß an Gewaltausübung nicht nur gut, sondern unabdingbar ist? Wären die Tibeter nicht besser dran, wenn der Dalai Lama mal auf den Tisch hauen würde, und sagen, so liebe Chinesen, jetzt reicht's, wir schmeißen euch raus? Klar würden dann erstmal viele Leute ihr Leben lassen, aber vielleich, vielleicht würde ja jemand helfend auf Tibets Seite eingreifen...? Zumindest hätten sie dann alles versucht.
Allerdings wäre das dann auch der ernüchternde Beweis, dass wir (die Menschheit) uns wohl nie von unserer Tendenz, andere zu verletzen, auszubeuten und ihnen Gewalt anzutun, wenn wir es können, lösen können. Dass diese höhere Evolutions- oder Erleuchtungsstufe vielleicht einzelnen zugänglich ist, dass der Traum von einer gänzlich friedfertigen Menschheit aber nicht realisierbar ist.
Die Frage ist, ist dieses Streben nach einem höheren Ideal es wert, das ganze Leid und die Unfreiheit und die Unterdrückung auszuhalten? Die meisten Tibeter scheinen das trotz allem zu denken. Eine Frage der Abwägung, vor die ich nicht gestellt sein möchte. Auch dafür ist der Dalai Lama (und sein Volk) zu bewundern. Ob er manchmal zweifelt?
Vor einer Frage der Abwägung steht wohl zur Zeit auch jeder Sportler und jeder Funktionär des IOC. Was ist mir wichtiger? Meine Karriere, auf deren Höhepunkt ich lange Jahre hingearbeitet habe... oder mein Gewissen, dass ich durch meine Teilnahme damit belaste, einem Staat, der von Menschenrechten nicht viel hält, eine Propagandaplattform und internationale Bestätigung zu bieten.
Wem diese Frage noch nicht zynisch genug ist, hier noch ein paar kleine Informationshappen zum Selberzusammenbasteln:
China baut grade ganz viele grandiose Sportstadien.
In China gibt es die Todesstrafe.
Hinrichtungen sind in China öffentliche Großereignisse, die auf Massenwirkung abzielen.
Massenveranstaltungen werden gerne in Sportstadien abgehalten.
Hat jemand Lust, Olympia zu gucken?