10 Juni 2008

You can't unthink it

Man, vielmehr frau, lernt nie aus. Gerade liege ich in den letzten Zügen einer speziellen Übersetzung. Dabei handelt es sich um einen sog. Schundroman, die Sorte, die man nur am Bahnhof kaufen kann. Im Prinzip ist das eine lustige Sache, die Arbeit ist nicht besonders anstrengend und geringfügig weniger langweilig als irgendwelche Patentschriften. Nur sind da dummerweise auch Sexszenen drin. Und da muss ich immer wieder feststellen, dass mir offenbar das Vokabular fehlt. Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Ich kenne die anatomisch korrekten Bezeichnungen für die wichtigsten beteiligten Körperteile, und bin auch mit zahlreichen mehr oder weniger lustig-obszönen Bezeichnungen vertraut, die dafür so kursieren. Beides ist aber dummerweise für die Zielgruppe des Buches nicht passend. Also muss ich mir so furchtbar verklemmt-peinliche Halbzweideutigkeiten wie 'Liebesstab' oder 'Wölbung' oder andere Grässlichkeiten einfallen lassen, um die schönste Nebensache der Welt zu beschreiben. Danach wünsche ich mir regelmäßig eine Dusche. Keine kalte, sondern eine mit viel Desinfektionsmittel, am besten inklusive Hirnspülung.
Von zweifelhaftem Vokabular abgesehen lerne ich aber beim Übersetzen auch wirklich interessante Dinge. Z.B., dass auch in Frauenromanen Frauen sofort willenlos werden, wenn ein Mann sie küsst. (Dachte, dieser raffinierte Plottwist wäre Männerfilmen vorbehalten.) Was ich aber viel beängstigender finde: offenbar zerspringen Männer beim Höhepunkt in Tausend Stücke. Und schlimmer noch, danach schwingt sich die Seele auf in himmlische Höhen des Friedens. So steht's da. Da fragt man sich unwillkürlich, was man falsch macht, denn bisher scheine ich noch auf niemanden diesen Effekt gehabt zu haben. Oder verheimlicht ihr Männer uns das irgendwie? Pflückt eure Seele vom Himmel, klaubt die Scherben auf und klebt euch in mühevoller Kleinstarbeit wieder zusammen?
Das alles wäre noch irgendwie zu ertragen, wenn nicht am Ende neben dem zu erwartenden Heiratsantrag auch noch der Bösewicht auf einmal geläutert, jede im Roman auch nur einmal erwähnten Personen zugegen und die Karriere des Helden auf wundersame, völlig unerwartete Weise gerettet wären. Und auch das würde ich noch aushalten. Wenn nicht jeder dann auch noch mit Blumen werfen würde. Was sag ich, Blumen! Flieder! Yuk!
Uh. Ich glaub, ich brauch noch 'ne Dusche.

8 Kommentare:

Britta hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Britta hat gesagt…

Klingt hiernach:
[Link]

(Der Gelöschte Kommentar ist auch von mir. Der Link war da aber nich abrufbar. Daher eine korrigierte Variante.)

naiko hat gesagt…

tja, aber vermutlich sind solche romane nicht als sex-ersatz da, sondern sollen dafür sorgen,dass die leser einfach keine sex mehr haben wollen, weil sie das nicht so hinkriegen, wie im text vorgeschrieben. und dann verlieren sie den mut und haben tausend minderwertigkeitskomplexe (die bekanntlich gut fürs sexleben sind), und dann hat das buch eventuell seinen eigentlichen zweck erfüllt.
oder so!?...
liebe(s) (oh, sorry) beste grüße
n.

naiko hat gesagt…

ach ja, zu brittas link.
also, ich hab das buch (twilight) mit schülern gelesen, 15-, 16-jährigen. und die lieben es, und ich kann das auch verstehen. sicher, meinung ist meinung, aber das urteil (im link) finde ich zu hart. die zielgruppe sind teenager. und für die ist die erste liebe oft genau so, wie sie da beschrieben ist, irgendwie unwirklich und was besonderes, das sollte man nicht vergessen. (ich hab damals auch gedacht, dass man an gebrochenem herzen sterben kann. ehrlich. und ich lebe noch, wusste ich damals aber alles noch nicht. ich war 15.)

und was das vampir-konzept angeht: es gibt unendlich viel unsägliche konzepte (in büchern und filmen), die sicher fans haben, aber auch leute, die's scheiße finden. und das ist immerhin mal ein halbwegs neues konzept. (sparkling vampires hin oder her)
ich persönlich finde, man sollte als erwachsener jugendbücher ein bisschen mit einer erinnerung an das eigene gefühlsleben im entsprechenden alter lesen. sonst wirds unfair. (ich finde das buch übrigens sehr unterhaltsam, nicht allzu schlecht geschrieben, für jugendliche ist's eine ideale kombination aus romantik und action, und man verblödet auch nicht total.)
abgesehen davon ist meinung natürlich auch meiner meinung nach frei...
;-)
n.

Anke hat gesagt…

Well.... can't argue about TASTE!
Nur weil ein Buch dem Leser x nicht gefaellt, ist es noch lange kein "schlechtes" Buch.

Und ich stimme Nina sehr zu - man beachte die Zielgruppe. Fuer die scheint es ein sehr gutes, d.h. ein sehr gut "auf sie passendes" Buch zu sein. Es ist das Lieblingsbuch von Soenke's aehhh... jetzt wohl: Stieftocher. Sie ist ca. 14, und Buecher dieser Art verleiten sie, 3 Buecher an einem Wochenende zu LESEN.
Richtig. zu LESEN. Nicht fernzusehen, sondern zu lesen, und das in AMERIKA.
So schlecht koennen solche Buecher dann doch nicht sein, holistisch gesehen.

Und Tanja:
hm, ist es Zeit, Vokabular aufzufrischen? Bzw zu lernen? Den Horizont zu erweitern, wenn auch in eine ganz neue und sonst evtl. nicht so erstrebenswerte Richtung?
;-) *Auch mein Horizont ist in dieser Richtung eher eng gezogen...*

naiko hat gesagt…

finde ich eben auch. meine schüler haben den 470-seiten roman auf englisch (!) verschlungen und saßen mit dem 2. band im unterricht, da waren wir offiziell mit dem ersten noch gar nicht fertig. und sie haben selbst geschrieben: scary stories, poems, reviews, interviews, etc. ungaublich, denn bisher waren die meisten schüler der klasse eher etwas unkreativ, wenig eigenständig, etwas langweilig und brav (die scary stories waren dann plötzlich gar nicht mehr brav, sondern zum teil richtig gruselig!). die sind aufgewacht. (wen stört da noch ein "Glitzervampir" - außerdem finde ich die idee ganz witzig...)das war richtig, richtig schöne arbeit!!!
liebe grüße
n.
(happy teacher ;-) )

Britta hat gesagt…

Ich hab Twilight, glaub ich, nicht gelesen. Ich habe mal 3 Groschenromane gelesen, die mich sehr an das erinnern was ich von der Geschichte Twilights erfahren habe. Dieser Online-Comic ist im allgemeinen zynisch und bitter... naja, er wird von einer rollenspielenden, Mystik, Action und Splatter liebenden, behinderten amerikanerin geschrieben.

Als Illustrator habe ich aber auch mal mit nem ähnlichen Thema wie Tanja zu tun gehabt und meine Erfahrung sagt mir, die Leute verwenden solche Begriffe weil sie sich einfach nicht trauen die richtigen zu verwenden. Im Geiste sind sie immer noch Prüde und Verklemmt, egal wie locker sie tun, und kichern in sich hinein wenn ihnen dann soetwas "kreatives" wie "Wölbung" oder "Liebesstab" einfällt.

naiko hat gesagt…

ich denke einfach, dass doch ein großer unterschied zwischen einem groschenroman (stimme deinem urteil voll zu, auch der "analyse") und einem roman für jugendliche leser besteht. außerdem: wenn man romeo und julia in eine kurzform quetscht, dann wirds ein unglaublich öder, total kitschiger und höchst flacher groschenromanstoff. inhaltsangaben sind nicht immer das gelbe vom ei...
liebe grüße
n.