19 Oktober 2007

Ist Rache notwendig?

Wenn ich mit meiner Schreibwut so weiter mache, denkt ihr wahrscheinlich alle, ich dreh hier komplett ab. Aber Anke hat recht, hier wird so einiges losgetreten, und da von einem erwartet wird (schon wieder bin ich dabei, Erwartungen anderer zu erfüllen), dass man solche Sachen hier verarbeitet und nicht versteckt, ist es wahrscheinlich auch einfacher, vor allen Leuten loszuheulen.
Die Sport-"Verletzung" vom letzten Post war sehr wörtlich gemeint. Ich fühlte mich in die Schule zurückversetzt, wo ich durch meine Mitschüler auf gemeinste Weise verletzt wurde. Mich beim Ballspielen grundsätzlich als letzte in die Mannschaft zu wählen und dann rumzumaulen, wenn ich einen Fehler machte, war nur die mildeste Form davon. Die intensive Erinnerung daran, ausgelöst durch das Volleyballspiel, hat mir für den Tag dann wohl den Rest gegeben.
Und das bringt mich gleich zum Thema des Nachmittags-Posts. Vergangene Verletzungen.
Wider besseres Wissen hab ich gestern mit ein paar Mitpatienten im Kino "Die Fremde in Dir" angeschaut. (Ja, Bad Bramstedt hat ein Kino, und das ist 'ne Nummer für sich, beschreib ich aber wann anders mal.) Ich würde gerne viele Sätze aus diesem Film, der mir bis auf das Ende sehr gut gefallen hat, hier wortwörtlich abschreiben.
Wer gibt dir das Recht, anderen etwas anzutun?
Hast du jemals darüber nachgedacht, was für Konsequenzen dein Handeln für andere hat?
Haltet mich doch bitte auf!
Auf einmal ist eine Fremde da, sie hat deine Arme und Beine und dein Gesicht und deine Hände, und sie läuft damit herum, und von dir selbst ist nichts übrig...
Vielleicht errät man's aus den Zitaten, in diesem Film geht es um Rache.
Als halbwegs gut erzogener Zivilisationsmensch und Anhänger des Systems Rechtsstaat bin ich natürlich gegen Rache. Leute, die sich falsch verhalten, gehören bestraft, je nach Ausmaß des Fehlverhaltens durch das Gesetz oder durch minder schwere Sanktionen. Selbstjustiz geht gar nicht.
Oder?
Was ist mit den Verbrechen, die nicht bestraft werden? Mit denen, die verjährt sind? Oder mit solchen, die nach dem Gesetz nicht als Verbrechen zählen?
Stellt euch vor, es gäbe jemanden, der euch etwas angetan hat, etwas, das euer Leben nachhaltig beeinflusst, was euch tief verletzt und dauerhaft geschädigt hat. Und er ist damit davongekommen. Und stellt euch vor, ihr hättet die Möglichkeit, euch an ihm zu rächen.
Ich weiß ehrlich nicht, was ich tun würde. Ich glaube immer noch, dass ich niemanden körperlich verletzen könnte. Das hatte ich damals, als es nötig gewesen wäre, nicht drauf, und habe es auch heute noch nicht in mir. Aber alles andere: Demütigung, Beleidigung, öffentliche Diskreditierung, Diebstahl, Betrug - bei manchen Leuten kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass sie so etwas verdient hätten, und dass ich, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte, es ihnen mit Freuden antun würde.
Würde es mir danach besser gehen? Ich würde das gern verneinen. Und wünschte gleichzeitig, ich könnte es mit einem von 'denen' ausprobieren.
P.S. Wider besseres Wissen habe ich das Thema 'Wie gehe ich mit Wut aus der Vergangenheit um?' heute in der Gruppe angesprochen. Man hat mir geraten, ich solle einen Brief schreiben. Ich fand das ein bisschen unbefriedigend, bis mir eingefallen ist, was man neben Text noch so alles in einen Brief packen kann: Juck- und Niespulver, Glasscherben, Anthrax, Bomben... Wer für letztere eine Anleitung hat, bitte hier posten, dann hab ich am Wochenende was zu tun. ;-)

Sport-Verletzung

Mann, der letzte Mitwoch war echt hart. Bin morgens schon irgendwie mit dem falschen Fuß aufgestanden, hab dem aber nicht viel Bedeutung beigemessen. Dann war Gruppentherapie, und ich dachte mir, ich könnt ja mal ein Problem vorstellen. Eins, das nicht wahnsinnig emotional besetzt ist, mein Leben aber schon irgendwie beeinträchtigt, und wo ich mir erhoffte, aus der Gruppendiskussion ein paar Tipps zu bekommen, wie ich gelassener damit umgehen kann. Ich war selbst überrascht, als ich schon beim Beschreiben des Problems, über das ich schon 100mal mit vielen Leuten gesprochen und geschimpft habe, mit den Tränen kämpfen musste. Als dann eine Mitpatientin schilderte, sie sei in der selben Situation, und dabei zu weinen anfing, gab's bei mir kein Halten mehr. Aber ok, ich bin nicht die erste, die in so einer Situation losheult. Wir teilten uns eine Packung Kleenex, ließen die Gruppe Lösungsvorschläge machen, fassten uns wieder, und gut.
Dachte ich.
Dann kam eine Stunde Einzeltherapie. Weil die Therapeutin mich ja noch nicht kennt, fragte sie mich über meine Kindheit und meinen Werdegang aus. Wir sprachen viel über die Schule, und schon wieder fiel es mir schwer, an mich zu halten. (Hab ja kein Problem, vor 'nem Therapeuten zu heulen, aber das Sprechen fällt dann so schwer, und dafür bin ich ja hier.)
An diesem Tag stand nur noch Sport an, also dachte ich, ich hätte das schlimmste überstanden. Ein bisschen Bewegung bringt mich auf andere Gedanken, ich kann mich abreagieren, und danach müde ins Bett fallen, und gut.
Dachte ich.
Und dann beschloss die Gruppe, Volleyball zu spielen.
Ich bin immer noch erstaunt, was das in mir auslöste. Volleyball habe ich seit der Schule nicht mehr gespielt. Ebensowenig wie alle anderen Mannschaftssportarten. Mit gutem Grund. Wir spielten eine halbe Stunde, und jedes Mal wenn der Ball auf meiner Seite des Netzes den Boden berührte, jedes Mal, wenn jemand lachte, oder schimpfte, oder jemanden anfeuerte, hätte ich mich am liebsten ganz klein zusammengerollt und irgendwo verkrochen. Die Sekunden vor dem Aufschlag der anderen Mannschaft, das Warten darauf, dass der Ball zu mir gespielt wird, und am schlimmsten, selbst dran zu sein mit Aufschlagen - unerträglich.
Am Schluss jeder Stunde gibt's ein sog. "Blitzlicht". Jeder beschreibt kurz, wie's ihm geht. Ich war als letzte dran - und brach zusammen. Den Rest des Tages war ich ein in Tränen aufgelöstes Nervenbündel.
Sport ist gesund für Körper und Seele.
Oder so.

14 Oktober 2007

Ein Tag im Leben der Tanja B.

Freitag, 12.10.07
Aufstehen um 7h. Ein Blick auf meinen Tagesplan sagt mir, dass ich nur eine halbe Stunde Zeit zum Frühstücken habe, vorher ist Blutabnahme angesagt, danach Visite. Also schnell unter die Dusche. Dann ab zur Medikamentenausgabe. Ich nenne meinen Namen und meine Station und fische die zwei Tabletten, die ich heute Abend nehmen muss, aus der Schachtel. Blöd, sie in der Hosentasche zu transportieren, hab neulich schon mal eine verloren, aber beim Blut abnehmen kann ich sie schlecht in der Hand behalten.
7:50
Ich komme 5 Minuten zu früh in die Medizinische Station, was mir nicht hilft, die Schlange geht fast bis vor die Tür - zwei Notfälle haben den Zeitplan durcheinander gebracht. Ich zähle die Patienten vor mir und rechne. Wenn ich noch Zeit zum Frühstück haben soll, dürfen die pro Patient nicht mehr als zwei Minuten brauchen.
Tatsächlich dauert es nicht so lange, es werden immer zwei Patienten parallel in ein Zimmer gebeten. Naja, weder meine Armbeuge noch die Farbe meines Blutes sind ein Geheimnis; wenn die andere Patientin hinschauen kann ohne umzufallen, soll sie.
8:15
Frühstück. Es gibt Brötchen, Marmelade, Wurst, Käse, Müsli. Wie jeden Tag. Manchmal, wenn wir brav waren/das Wetter danach ist/jemand eine großzügige Spende macht, kriegen wir auch ein Ei. Die Patienten meiner Station sitzen alle immer in der selben Ecke, das macht's mir leichter, alle 30 Gesichter hab ich mir noch nicht gemerkt. Geschweige denn die Namen. Hier spricht man sich grundsätzlich mit Du und Vornamen an (wie in Werbeagenturen!), nur die Ärzte fragen einen regelmäßig, ob man Herrn Maier oder Frau Müller gesehen habe.
8:35
Visite. Alle Ärzte und Therapeuten begrüßen jeden Morgen alle Patienten, machen Ankündigungen und sagen, wen sie noch gesondert sprechen wollen. Keine Ahnung, aus welchem Anlass solche Sondergespräche stattfinden, hatte noch keins. Überhaupt ist mein Wochenplan eher spärlich. Meine Mitpatienten sagen mir, dass sich das im Lauf der Zeit noch ändern wird. Was ich stark befürworten würde - die Langeweile hat einen der Therapie direkt entgegenwirkenden Effekt.
9:00
Begrüßung. Alle Neuzugänge der Woche dürfen sich dem Personal vorstellen. Vor mir ist unser Nesthäkchen dran, der meiner Meinung außer unter Depression noch unter ADS o.ä. leidet und wie ein junger Hund um Aufmerksamkeit bettelt. Er erzählt seine Geschichte wortreich aber stark gekürzt, unterstützt von den Fragen seiner Therapeutin, und ist einigermaßen zügig fertig. Der Oberarzt sieht auf die Uhr und merkt an, dass man nicht den ganzen Tag Zeit habe, das müsse straffer gehen. Das entspricht dem Bild, das ich durch Erzählungen anderer Patienten schon von ihm habe. Trotzdem verfalle ich wie immer in blinden Gehorsam, hole einmal tief Luft und dann nicht mehr, und erzähle meinen ganzen Depri-Werdegang in 4 Minuten. Nicht so der dritte Neuzugang, die selbst einen therapeutischen Hintergrund hat und ihn erstmal angiftet. Er sieht nicht aus, als hätte er's gemerkt, aber uns hat's gut getan. Ich frage mich, ob das das Konzept hinter dem ganzen Aufenthalt ist. Lernen am Modell anderer Patienten. Na hoffentlich such ich mir die richtigen Vorbilder aus.
10:00
Sport, Verzeihung, Bewegungstherapie. Unsere Gruppe ist bunt gemischt, alles von 25 bis 75 Jahren ist vertreten. Entsprechend ist das Bewegungsprogramm eher rücksichtsvoll gestaltet. Immerhin finde ich eine nette Partnerin, mit der ich eine halbe Stunde auf dem Pedalo durch die Halle wackele.
12:30
Mittagessen. Fisch. Mit der selben Soße, die's gestern zum Rindfleisch gab, nur mit mehr Dill. Die Soße gab's übrigens vorgestern auch zum Gemüse, und davor zum Schinkenbraten. Interessanterweise beschweren sich meine Mitpatienten über alles und jedes, von der Organisation der Klinik bis zur Nase der Therapeutin. Nur über das Essen nicht. Es ist ja nicht schlecht, ich komme wunderbar damit aus. Aber ist das Essen nicht immer das erste, worüber man meckert? Was die wohl zu hause so zu essen kriegen?
14:00
Gruppentherapiesitzung. Hier wird's endlich mal ein bisschen interessanter. Der Ablauf ist immer der selbe: ein paar Patienten stellen jeweils ein bestimmtes Problem vor, nennen das Ziel, das sie erreichen möchten, und dann diskutiert die Gruppe, wie man am besten da hinkommen kann. Einer erzählt von dem Verein, in dem er sich ehernamtlich engagiert. Die Frau des Vorstands hat hochtrabende Pläne, aber es gibt niemanden, der sie umsetzen kann, also bleibt alles an ihm hängen. Das klassische Muster: jemand, der über andere verfügen kann, hat eine tolle Idee, und kümmert sich keinen Deut drum, ob und wie die realisierbar ist. Hauptsache, er steht hinterher gut da und ist der Held. Dass jemand anders dafür seine Freizeit opfern und sogar Urlaub nehmen muss, um diese überzogenen Vorstellungen zu erfüllen, ist isch schnurzegal. Ich gehe stinkwütend aus der Sitzung.
ab 15:40
Freizeit. Ich mache einen Spaziergang. Den 15. in dieser Woche. Ich bin hier so viel draußen wie im ganzen letzten halben Jahr nicht. Fluchtverhalten? Vor der Langeweile, und auch vor meinen Mitpatienten. Ich dachte, es würde mir gut tun, viele Leute mit dem gleichen Problem zu treffen. Aber hier sind einige Leute, die mir sowas von auf die Nerven gehen, nicht weil sie leiden, sondern wegen ihrer nervigen, aufdringlichen, und - ich kann's nicht anders sagen - primitiven Art, dass ich einfach raus muss. Direkt hinter dem Haus beginnt der Wald mit schönen Wanderwegen, jeder Menge Eichenlaub und Brombeerranken, und unzähligen Pilzen. Ich erkunde täglich mehr von der Umgebung und genieße das Alleinsein ganz anders als in Hamburg. Unter Bäumen sein tut gut.
17:00
Aus reiner Langeweile beschließe ich, meine Wäsche zu waschen. Leider ist das nicht besonders arbeitsintensiv. Ich habe bewußt auf einen Fernseher auf dem Zimmer verzichtet, und bin trotz allem immer noch froh darüber. Vielleicht schaffe ich ja so Krieg und Frieden, unser aktuelles Literaturclub-Buch, doch etwas schneller als gedacht. Morgen werde ich mir aus Hamburg noch ein paar Bücher holen, und irgendwas zum Basteln. Außerdem jede Menge farbige Sachen, um mein über die Maßen türkises Zimmer etwas abzumildern.
18:00
Ebenfalls aus reiner Langeweile setze ich mich in die Sofaecke. Dort findet das eigentliche Leben auf der Station statt. Es gibt eine Kaffeemaschine und Teewasser, immer, wiederhole immer Süßigkeiten und Knabbersachen, dort tagt Mittwochs das Patientenparlament und findet jeden Morgen die Visite statt, hier lagern die Gesellschaftsspiele und hängen die neuesten Infos aus.
Sprich: man kommt an der Sofaecke nicht vorbei. Heute habe ich Glück, einige der lautesten Mitpatienten sind nicht da. Man hat Gelegenheit, sich in kleineren Grüppchen kennenzulernen und auch mal über was anderes zu reden als all die Fehler, die Klinikleitung, Therapeuten und die Welt im allgemeinen verbricht, und welche Beschwerdebriefe demnächst wohin geschrieben werden. So ist das richtig gemütlich.
22:30
Der Mann, der auf seinem Handy immer die neuesten Internet-Witze zu haben glaubt, betritt den Raum. Bevor er uns allen zum fünften Mal die lustige Air Berlin Durchsage vorspielt, flüchte ich ins Bett.
23:00
Freitag Abend, und ich bin um diese Zeit hundemüde! Vielleicht liegt das an der vielen frischen Luft, oder an der fremden Umgebung, oder aber daran, dass die Schrift in meinem Buch furchtbar klein gedruckt ist. Immerhin habe ich mich an das Bett einigermaßen gewöhnt und kann durchschlafen, auch wenn das Kopfkissen meinem Rücken nicht besonders gut geht. Auch das wird sich ab morgen ändern, wenn ich mir ein zusätzliches Kissen aus HH mitbringe. Morgen früh holt mich Leo ab, und ich entgehe einen Tag lang der Notwendigkeit, darüber nachzudenken, was ich denn als nächstes tun könnte, um die Zeit totzuschlagen.
Über Nacht wegbleiben geht nicht - ich kann mich nach 4 Wochen Aufenthalt für eine Nacht beurlauben lassen, aber auch da brauche ich eine besondere Begründung. Naja, vielleicht ist es gar nicht schlecht, nicht jedes Wochenende heimzufahren und sich gleich wieder privatem Termindruck auszusetzen. Trotzdem 6 Wochen ohne eine einzige Nacht mit Leo zu kuscheln wird hart...
Das ist so ein einigermaßen typischer Tag. Bringt mir das was? Ich glaube schon. Die Gruppensitzungen sind manchmal richtige Augenöffner, und auch der Kontakt mit den Mitpatienten ist trotz aller Unterschiede schon hilfreich. Und die Qualität der Langeweile ist eine andere als zu Hause. Sprich: ich muss tatsächlich drüber nachdenken, wie ich mich beschäftige. (Internet ist vorhanden, aber teuer ;-)) Und ich hab jetzt schon jede Menge Sachen im Kopf, die ich unbedingt aufschreiben muss...
P.S. Ich nehme das mit den Emails zurück: kann täglich mein Postfach abrufen, also dürft ihr mir gerne schreiben.

10 Oktober 2007

Nachricht aus dem Exil

Türkis. Alles hier ist türkis. Die Rezeption, die Säulen in der Eingangshalle. Die Fensterrahmen und die Stühle in der Cafeteria. Die Sofas und die Lampen im Aufenthaltsraum. Die Teppiche, alle Teppiche sind türkis! Das Bett, der Kleiderschrank, der Schreibtisch, die Rahmen der ebenfalls türkisen Bilder an den Wänden. Alles. Das soll bestimmt irgendwie beruhigend wirken. Ich fühl mich auch schon ganz ruhig. Gaaaaanz ruhig.
Gut. Tief durchatmen. Irgendwann werde ich mich an diese Un-Farbe gewöhnen.
Ob ich mich an den Rest auch gewöhne?
Ich fang mal mit den einfachen Sachen an. Das Essen ist ok, es gibt mittags warm, abends kalt mit Früchtetee wie in der Jugendherberge, und Müsli zum Frühstück bekommt man auch.
Meine persönliche Therapeutin scheint nett, auch wenn sie ca. 20 Jahre jünger als ich ist, aber wer weiß, frisch von der Uni ist ja vielleicht gar nicht mal schlecht.
Meine Mitpatienten sind ein kurioses Sammelsurium an Burnout-Depris, manche sehr ruhig und zurückhaltend, andere hyperaktiv mit starkem Perfektionismus (sprich: die beschweren sich dauernd über alles), einige offenbar wirklich schwer geschädigt, ein paar eher so wie ich mich fühle: aus dem Gröbsten schon raus.
Man kommt sich ein bisschen vor wie auf einer Pauschal-Gruppenreise. Alle Leute haben irgendwie ähnliche Interessen und das gleiche Ziel, aber von selbst würde man nie auf die Idee kommen, ausgerechnet mit diesen Leuten wegzufahren. Wobei Gruppenzusammenhalt und Gruppentherapie hier großgeschrieben wird, sprich man macht fast alles zusammen.
Wenn einem das auf die Nerven geht, kann man sich natürlich auch immer in die Privatsphäre seines eigenen Zimmers zurückziehen. Vorausgesetzt, man mag türkis.

08 Oktober 2007

Ich packe meinen Koffer...

...und tue (im Vollbewußtsein, dass diese Verbform nicht existier) hinein: Kleidung für 6 Wochen.
Heute gegen 14:30 kam der Anruf von der Klinik, dass ich morgen bis 11h anreisen soll. Wäsche könnte ich dort waschen - so plötzliche Anreisen passieren denen wohl öfters. Tja, seither packe ich, erledige noch schnell liegengebliebenen Verwaltungskram, sage Termine ab, instruiere Leo (im Kühlschrank ist noch Suppengemüse, und bitte denk dran, diesen Brief für mich abzuschicken...), und widme mich ganz allgemein der Aufgabe, mal eben für sechs Wochen mein gegenwärtiges Leben zu verlassen und es woanders weiterzuführen.
Und frage mich nebenbei, was mir da wohl bevorsteht. Eigentlich geht's mir ja in letzter Zeit ganz gut, vor allem nach der Hochzeit hatte ich ein richtiges Hoch. Aber dann hat sich der Alltag wieder eingeschlichen, es gab nichts mehr dringendes zu tun, und ich habe auch noch beschlossen, dass es mir so gut geht, dass ich meine Medikamente wenigstens mal um ein Viertel reduzieren kann (natürlich in Absprache mit dem Arzt). Und irgendwie war das wohl eine ungünstiges Zusammenstellung, jedenfalls fühle ich mich seit einiger Zeit gar nicht mehr so toll. Und bin heilfroh, aus dem Trott rauszukommen. Andererseits hab ich es eigentlich schon eine ganze Weile gründlich satt, ständig über mich selber nachzudenken, alles was ich tue (schon wieder falsch), sage und denke, zu analysieren und auf den Zusammenhang mit meiner Depression und furchtbar traumatische Kindheitserlebnisse (von denen ich nicht grade viele hatte) zu überprüfen. Und das kommt jetzt wohl nochmal in geballter Form.
Naja. Vielleicht wird das so eine Art Ende mit Schrecken für die Depression. Oder noch viel besser: eins ohne. :)
Ich habe keine Ahnung, wie erreichbar ich dort sein werde, und ob die mich am Wochenende rauslassen. Ich nehme mein Handy mit, weiß aber nicht, ob ich das da benutzen darf, immerhin ist es ja so 'ne Art Krankenhaus. Sollte ich telefonisch erreichbar sein, werde ich Leo die Nummer hinterlassen, und wenn das nicht geht, versuche ich, auf einem der beaufsichtigten Spaziergänge eine Nachricht unter einem Stein... Äh, sorry, falsche Realitätsebene.
Emails werde ich sicher nicht lesen, vielleicht könnt ihr dran denken und mir nicht allzu viele schreiben, damit mein Posteingang nicht überläuft.
Und sollte mich jemand besuchen wollen, warte ich jede Nacht zwischen 12 und 1 Uhr an der Stelle, wo der Stacheldrahtzaun durchgeschnitten ist... ähm, 'tschuldigung, schon wieder verrutscht. Ich meinte natürlich, im Bedarfsfall einfach Leo kontaktieren.
Dieser Blog wird dann wohl auch eine Weile brachliegen. Oh Mann, was soll ich bloß ohne euch anfangen. Hm, vielleicht kann ich mich ja gelegentlich, wenn die Aufseher Mittagspause haben, heimlich in den Serverraum schleichen und...
Ok, zum Schluss nochmal ernst: Ich werd euch vermissen!

05 Oktober 2007

Those whole girls

Wieder mal ein Songtext, diesmal von Suzanne Vega, einem Idol meiner Teenagerzeit.
An dieses Lied musste ich unwillkürlich denken, als ich neulich mit ein paar Mädels zusammensaß. Wir redeten über verflossene Beziehungen, und ein paar davon waren geprägt von Missbrauch, körperlich wie emotional. Das an sich ist nicht weiter überraschend für mich, schließlich gehöre ich selbst zu der langen Liste der Frauen, die sich schon alles mögliche haben antun lassen. Was mich erstaunt hat war aber die Reaktion einiger anderer Frauen auf diese Erzählungen. "Echt? Das gibt's doch nicht. Warum bist du nicht einfach gegangen? Wieso hast du den Deppen nicht einfach zum Teufel geschickt?"
Bedeutet diese Reaktion, dass es tatsächlich Leute in unserem Alter gibt, die sich noch niemals aus Liebe gedemütigt haben? Noch nie mit jemandem geschlafen haben, obwohl sie es gar nicht wollten, noch nie, aus wie auch immer fehlgeleiteter Liebe oder dem Wunsch geliebt zu werden, Dinge hingenommen haben, die nicht hinnehmbar sind? Natürlich muss es die geben, wäre ja schlimm, wenn das die Regel und nicht die Ausnahme wäre. Trotzdem. Ich zweifle.
Vielleicht ist die Welt tatsächlich zweigeteilt. Vielleicht gibt es zum einen die Menschen, die akzeptieren, was immer ihnen gegeben wird, ob es Liebe in Form von Zärtlichkeit oder Schlägen ist, ob es ein zu niedriges Gehalt oder eine unangemessene Position oder auch nur ein Haar in der Suppe ist, über das sie gelassen-großzügig-zu-feige-sich-zu-beschweren hinwegsehen.
Und zum anderen die, die wissen was sie wollen, die das auch artikulieren können, und die überzeugt sind, dass kein anderer Wille über ihrem eigenen steht.
Seid ihr whole girls, ihr heilen Mädchen, wirklich so frei?
Oder hattet ihr nur bisher in eurem Leben das unglaubliche Glück, dass der Wille anderer, dem ihr euch aus Liebe, aus eingebildeter oder echter Abhängigkeit, aus welchem Grund auch immer unterordnet, zufällig in akzeptabler Weise mit eurem eigenen übereinstimmt?

02 Oktober 2007

And all that Jazz!

So, zurück von drei Tagen jenseits der Realität, aber bin ich wirklich schon wieder im Hier und Jetzt angekommen? Ich ertappe mich immer noch dabei, wie ich Lieder aus der Dreigroschenoper summe und geistesabwesend nach meiner Zigarettenspitze taste...
Ok, von vorne: letztes Wochenende waren wir auf einem Rollenspiel. Setting 20er Jahre, Location ein komplett mit Antiquitäten aus der Zeit eingerichtetes Wasserschloss in der Nähe von Coburg, Mitspieler allesamt genial, und der Plot und die Aufbauten und Props und Utensilien einfach unbeschreiblich gruselig, stimmungsvoll und realistisch (soweit man das z.B. von 1,20m langen Kakerlaken sagen kann).
Für mich persönlich war aber nicht nur die Handlung gruselig, sondern auch die Tatsache, dass ich wahnsinnig genug war, eine Rolle als Sängerin zu spielen. Sprich, ich musste tatsächlich singen, vor Leuten. Sowas hab ich schon eine ganze Weile nicht mehr gemacht, und war mir gar nicht sicher, ob ich's noch kann (falls ich's je konnte). Umso froher war ich, dass Christine den selben Gedanken hatte, und wir im Duett singen konnte. Das gab nicht nur Mut, sondern wir konnten auch noch zusammen üben - übers Telefon, mit 800 km zwischen uns. Hat aber gut geklappt und viel Spaß gemacht, jedenfalls mir und Christine, ob unsere Männer, die das mitanhören mußten, so begeistert waren, bin ich mir nicht sicher.
Der Auftritt war jedenfalls ein voller Erfolg, zumal es mir gelungen ist, durch einen unfreiwilligen Striptease (mein Unterkleid ist ungefähr 3m zu weit hochgerutscht, und der Stoff darüber war sehr durchsichtig) die Aufmerksamkeit von meiner Stimme abzulenken. Trotzdem bin ich ein bisschen stolz auf mich, und erst recht auf Christine, die weniger Bühnenerfahrung hat als ich, aber allen Widrigkeiten zum Trotz unbeirrt weiter gesungen hat, selbst als ich meinen Einsatz verpasst habe. Kompliment, nicht jeder Profi kriegt sowas hin!
Was das Rollenspiel aber neben all diesen Sachen zu einem absoluten unvergesslichen Highlight gemacht hat, war die Dynamik zwischen den Spielern. Da gab es Dialoge, die jedem Drehbuchschreiber alle Ehre gemacht hätten, und nichts davon war geplant. Danke an euch alle! Zum Abschluss muss ich einfach eine Kostprobe zum Besten geben:
Lili, mein Charakter, hat den Verdacht, dass Antoine, der treu ergebene Butler ihres Mannes, der ihnen beiden jeden Wunsch von den Augen abliest, in sie verliebt ist. Er verhält sich komisch, macht gelegentlich Andeutungen... Sie beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, und macht einen Spaziergang zum See. Er läuft ihr mit einem Regenschirm hinterher, man kann ja nicht zulassen, dass Madame nass wird.
Lili bleibt am Ufer stehen, blickt über den See hinaus.
"Antoine. Wir müssen reden." Sie wendet sich ruckartig zu ihm um und sieht ihm tief in die Augen. "Liebst du mich?"
Es dauert eine Weile, bis sich die Spieler wieder vom Boden aufgeklaubt und ihr Lachen unter Kontrolle gebracht haben. Schließlich, als sie wieder sprechen können:
"Natürlich liebe ich Sie, Madame. So wie ein Diener seine Herrschaften eben von ganzem Herzen liebt." Antoine macht eine Pause. Dann fährt er fort, von Pflichtbewußtsein erfüllt: "Soll ich Sie mehr lieben? Ich könnte es einrichten, wenn Sie es wünschen...."















Zum Schluß noch ein dickes Dankeschön an meinen Bruder, der innerhalb von Rekordzeit ein grandioses Playback für unseren Auftritt aufgenommen hat - ohne Dich hätt's nicht funktioniert!

26 September 2007

Wies'n-Kuriositäten

Kuriositäten haben auf dem Oktoberfest Tradition, schließlich hat das ganze ja mal als Jahrmarkt, sprich organisierte Freak-Show angefangen. Heute sind die Sachen, die man in den Schaubuden sieht, größtenteils normal, dafür sind die Besucher Freaks, vor allem nach durchschnittlichem bis gehobenem Biergenuss (kleine Bayrischlektion: die Mass ist weiblich und spricht sich mit kurzem a, kostet ein Vermögen und enthält ca. 0,6 L Bier und 0,4 L Schaum, was trotzdem niemanden davon abzuhalten scheint, sie in großen Mengen zu konsumieren).
Dieses Jahr äußert sich das u.a. in zwei netten Randbegebenheiten:
Ein (wahrscheinlich in langsamem Tempo, aber effektiv) angetrunkener Schweizer hat sich in der Geisterbahn so sehr vor einem der Geister erschrocken, dass er sich eine Holzlatte schnappte und den Geist verprügelte. Zum Glück war's nur eine Puppe, aber die Elektronik ist wohl hin.
Eine Frau kam mit Platzwunde unter dem Auge ins Sanitätszelt, weil jemand ein paar Tische weiter etwas nach ihr geworfen hatte. Keinen Masskrug (der hätte sie erschlagen). Auch kein Wies'n-Hendl (=Grillhähnchen), die sind zwar sehr salzig, aber doch nicht hart genug. Sondern eine Mohrrübe. Das Kurioseste daran ist nicht, dass er die über diverse Biertische hinweg mit großer Wucht geschleudert haben muss, um eine Platzwunde zu verursachen. Sondern dass er in einem Bierzelt auf ungeklärte Weise an sowas gesundes wie Gemüse rangekommen ist.
Hab ich schon mal erwähnt, dass ich München vermisse?

22 September 2007

An alle Hamburger

Ich muss jetzt mal schamlos Werbung machen: es gibt in Hamburg, Zitat "der sogenannten Welt- und Medienstadt", ungefähr genau ein Kino, das Filme im englischen Original zeigt, und zwar das Grindelkino. Ohne das wären wir hier echt verloren, weil wir die meisten Filme einfach lieber im Original sehen. Jetzt ist das Kino, das es offenbar schon seit den 50ern gibt, mal wieder von der Schließung bedroht, weil kein Geld da ist.
Deswegen: wenn ihr ins Kino geht, und das irgendwie machbar ist, nehmt einfach das Grindel. Kostet nicht mehr oder weniger als andere Kinos, ist technisch auf einigermaßen neuem Stand, man sitzt bequem, und die meisten Filme laufen dort auch auf Deutsch.
Es sei denn, ihr wollt es auf euch sitzen lassen, dass das viel weniger weltstädtische München mehr internationale Kinos hat als Hamburg - was jetzt schon der Fall ist, aber wenn's in Hamburg gar keins mehr gäbe, würden euch die Münchner echt 'ne lange Nase drehen.
Also, fühlt euch bei eurer Ehre gepackt: Rettet das Grindel!

19 September 2007

Mehr Wasserpsychologie

Schon wieder so ein unexakter Titel. Wollte erst Waschküchenpsychologie schreiben, aber ich hab ja gar keine Waschküche, und überhaupt ist das gar nicht mehr zeitgemäß, um 'Frau die zu Hause sitzt und sich Gedanken macht' zu assoziieren. Oder?
Im Gespräch mit diversen Freundinnen stelle ich immer wieder fest, dass viele von uns ähnlich schlecht im Komplimente annehmen etc. sind wie ich. Birgit hat in ihrem Kommentar das Phänomen mit einem Poesiealbum-Spruch schön zusammengefasst.
Jetzt erinnere ich mich aber aus meinem Nebenfach-Psychologiestudium an einen sog. Attributionsfehler, konkret die 'dem Selbst dienende Verzerrung'. Die bewirkt grob, dass man für Sachen, die schief gehen, meistens andere Leute oder äußere Faktoren verantwortlich macht, während man sich für Sachen, die gut laufen, eher selbst die Ursache zuschreibt. Ich hab's extra nochmal nachgelesen: da stehen allgemeine Formulierungen wie 'der Mensch neigt dazu', oder 'wir schreiben uns Verdienste zu'. Keine Unterscheidung nach Mann und Frau. Als einzige Ausnahme von diesem Prinzip werden Depressive genannt, die dieser Verzerrung nicht unterliegen. Weiter heißt es, es gebe Untersuchungen, die nahelegen, dass diese Verzerrungen uns tatsächlich helfen, das Leben besser zu bewältigen, länger zu leben und uns besser anzupassen.
Daraus kann ich als Frau mit typischer Veilchenmentalität jetzt verschiedene Schlüsse ziehen:
a) Frauen sind keine Menschen im Sinne der Psychologie.
b) Alle 'typischen' Frauen sind depressiv.
c) 'Typische' Frauen haben erhebliche Schwierigkeiten, ihr Leben zu bewältigen.
d) Frauen haben ein überdurchschnittliches Selbstwertgefühl und haben deswegen solche albernen Verzerrungen nicht nötig.
e) Mein Psychologiebuch ist etwas über 10 Jahre alt. Die wichtigen Studien zum Thema stammen laut Wikipedia aus den 70er Jahren. Damals gab es noch keine Frauen.
f) Dass dieses Phänomen typisch Frau ist, ist in Wirklichkeit eine Verzerrung meinerseits, um nicht die Verantwortung dafür übernehmen zu müssen, dass ich mich ständig selber klein mache, sondern meiner Erziehung, der Gesellschaft und meiner genetischen Disposition die Schuld geben kann, anstatt etwas zu ändern.
Während ich das hier geschrieben habe, habe ich parallel mal ein bisschen recherchiert, und bin tatsächlich doch noch auf einen Text gestoßen, der Geschlechterunterschiede macht, passenderweise vom Landesverband für Hochbegabung. Da steht auch gleich, wie Eltern ihre Kinder zu besserer Attribution erziehen können. Interessante Nebensache: wer seine Kinder darin ermutigt, Ursachen für ihre eigenen Misserfolge in externen, sprich nicht beeinflussbaren Faktoren zu sehen, erzieht sie zur Hilflosigkeit. Ist man mit einem besseren Selbstwertgefühl also tatsächlich hilfloser, wenn man mal versagt? Bringt einen das dazu, dass man Dinge gar nicht erst versucht, wenn man befürchtet, sie nicht schaffen zu können? Klingt unlogisch. Ich glaube, ich habe mich grade in eine Ecke geschrieben, aus der ich nicht mehr rauskomme. Entwirrungsversuche dieses Gedankenknäuels sind willkommen, auch von Leuten, die sich's aufgrund von mangelndem Selbstwertgefühl oder anerzogener Hilflosigkeit nicht zutrauen!

09 September 2007

Unterwasser-Psychologie

Ok, hier ist ein schriftstellerischer Kardinalfehler: der Autor belügt seine Leser. Ich war gar nicht *unter* Wasser. Aber Im-Wasser-Psychologie klingt einfach nicht so toll.
Egal, bitte nicht die Autorin hassen, sondern einfach weiterlesen. :)
Seit ich hier wohne, gehe ich regelmäßig einmal die Woche mit Bettina zum Schwimmen, von gelegentlichen krankheits- oder hochzeitsbedingten Unterbrechungen abgesehen. Meistens machen wir irgendeine Form von Gymnastik. Aqua Body Fit, H2O Bauch Beine Po, und solche sinnigen Sachen, oder aber Aquajogging. Dabei bindet man sich einen Gurt um den Bauch, der einem ein bisschen Auftrieb verpasst, und strampelt dann mit annähernd den selben Bewegungen wie beim Joggen durchs tiefe Wasser, mit dem Unterschied, dass man dabei mit max. 3m pro Minute nicht wirklich voran kommt.
Diese Woche waren wir richtig viele, sieben oder acht Leute, deswegen mussten wir alle brav hintereinander durchs Becken strampeln, um den richtigen Schwimmern nicht ins Gehege zu kommen. Durch einen unglücklichen Zufall fand ich mich als Entenmutter an der Spitze der Reihe.
Und jetzt kommt Psycho-Teil I.
Ich strampelte mich also so gut ich konnte ab, um die anderen nicht aufzuhalten, und holte irgendwann fast das hintere Ende der Schlange ein. Bettina, genau wie ich nie außer Atem genug um nicht noch ratschen zu können, meinte: "Na, motivierend, wenn man auf einmal wieder jemanden vor sich hat." Was mich erstaunte, denn so empfand ich das gar nicht. Das, was mich motiviert hatte, mich so zu beeilen, war der Gedanke, dass ich die Leute hinter mir aufhalten und behindern könnte. Deswegen überholte ich die Frau vor mir auch nicht (und wegen des japanischen Schriftzugs, der auf ihrem Rücken eintätowiert war, und den ich unbedingt zu Ende lesen wollte), auch wenn das bedeutete, dass ich mich zurücknehmen musste.
Psycho-Teil II:
Statt dessen schlug ich der Trainerin vor, dass wir ja mal wenden könnten, dann wären die schnelleren wieder vorne. Sie meinte, ich sollte einfach ein bisschen warten. Oder aber es mal ohne Bauchgurt versuchen, weil ich offenbar eine gute Technik hätte. Eigentlich kein Wunder nach über drei Jahren Training. Aber zu viel der Komplimente für mich. Ich meinte, das läge wahrscheinlich nur an meinen großen Füßen.
Psycho-Teil III:
Trotzdem gefiel mir das Lob natürlich immens, und noch bevor mich die Trainerin informierte, dass das eigentlich nur Profi-Sportler machen, hatte ich den Gurt abgelegt. Mit dieser verspäteten Information hätte mir eigentlich klar sein sollen, dass das nix für mich ist, weil Training hin oder her, ich bin einfach nicht sportlich, und schon gar kein Profi. Aber sie hatte ja gesagt, dass ich eine gute Technik hätte und es versuchen könnte. Gleichzusetzen mit musste, also strampelte ich mich eine volle Runde - jetzt doch größtenteils unter Wassser - ohne Gurt durch das Becken. Was wirklich ziemlich anstrengend ist.
Was sagt mir das jetzt über mich? Konkurrenz motiviert nicht. Verantwortung - andere nicht behindern wollen - motiviert immens. Erfolg und dessen Anerkennung motiviert am allermeisten, und läßt mich Dinge versuchen, die eigentlich unsinnig sind. Und gleichzeitig kann ich offenbar kein noch so berechtigtes Lob annehmen. Ich glaub ich bin für die wirkliche Welt einfach nicht geschaffen. Wenn jemand ein Märchenbuch weiß, in dem ich leben könnte, bitte Bescheid sagen.

07 September 2007

Neueste Musikleidenschaften

Neulich bin ich auf eine wunderbare Methode gestoßen, wie man an coole Musiker kommt, die nicht sowieso den ganzen Tag im Radio rauf und runter laufen: Man kaufe sich einen möglichst skurillen Sampler. Zugegeben, da was passendes zu finden, ist nicht einfach, aber wenn irgendwo Neil Gaiman draufsteht ist das bei mir ein fast ebenso sicherer Kaufzwang wie Tori Amos. (Vor allem wenn da auch noch ein Song von Tori drauf ist, den ich noch nicht kenne.) Also erwarb ich die CD Where's Neil when you need him? und war von fast allem, was da so drauf war, ziemlich begeistert. Paradoxerweise nicht von dem Tori Amos Song Sister Named Desire, der ist mir (!) fast etwas zu anstrengend und verkopft. Dafür musste die Repeat-Funktion am CD-Player erstmal für Azam Alis The Cold Black Key herhalten, dann kam ihre Website mit vielen Liedern zum Reinhören dran, und schließlich mußte die CD her. Auch daran habe ich die Repeat-Funktion getestet und wurde nicht enttäuscht. Nebenher kam immer mal wieder der Sampler dran, und ich verliebte mich neu, diesmal in Thea Gilmores dramatisches Even Gods Do. Deren Website hat leider nur drei Lieder zum Reinhören (und auch sonst nicht viel Info), darunter allerdings das schmerzlich-packende Icarus Wind, nach dem ich momentan süchtig bin. Man beachte den Text, der dem Kenner sofort sagt, dass da ein Depri am Werk ist (ok, ich geb's zu, ich hab's irgendwo gelesen). Interessant trotzdem, wieviele depressive Künstler man allein an ihren Texten erkennen kann. Erstaunlich, wie präzise man in so einem kleinen Popsong ausdrücken kann, worum's bei einer Depression geht. Man lese sich nur mal Feel von Robbie Williams durch. Ist die Form des verkürzten, von Wiederholungen geprägten weniger-als-drei-Minuten-Radiolänge-Gedichtes vielleicht gerade gut geeignet, um die Reduzierung der eigenen Persönlichkeit und den Mangel an Gefühlen angesichts dieses gähnenden Abgrundes in einem selbst zu beschreiben? Wenn ich an Hesse oder Hemingway denke, kann ich davon nichts finden. Aber vielleicht habe ich auch die falschen Bücher von denen gelesen. Vielleicht fällt's in Popsongs nur mehr auf, weil man mehr davon hört.
Und vielleicht fällt's auch nur mir auf, weil ich eben jetzt mehr drauf achte. Umso erschreckender ist es, dass immer wieder neue Nachrichten von prominenten Depressiven auftauchen, wo man's halt so gar nicht gedacht hätte. Ok, Britney Spears war jetzt nicht weiter überraschend, das war ja überfällig (in deren Texten, soweit ich sie kenne, findet sich zwar kein Hinweis, aber ich glaub, die schreibt sie auch nicht selbst, das ist ein Computer). Bei Owen Wilson, den ich wirklich komisch finde, war ich schon mehr geschockt. Wobei ich aus eigener Erfahrung nur zu gut weiß, das Spaß machen mit gut drauf sein nichts zu tun haben muss. Was mich aber wirklich fertig macht, ist Mutter Theresa. Wenn irgendjemand ein bisschen Glück und Erfüllung verdient hat, dann doch wohl diese Frau? Das hat sie aber offenbar nie empfunden, wenn man ihren Tagebüchern glaubt. Ich bin geneigt, das als Beweis anzusehen, dass es keinen Gott gibt. Oder, pessimistischer gesehen, dass es sich nicht lohnt, sich aufzuarbeiten, egal für was? Fazit: Depressionen sind nicht pädagogisch wertvoll, sehr wohl aber künstlerisch. Aus schriftstellerischer Perspektive sollte ich mich jetzt also ärgern, dass es mir besser geht... allein, es will mir nicht gelingen... :)

05 September 2007

Oh, Du bist aber braun geworden!

Bevor mich jetzt der Kalauer-Teufel weiter reitet, wende ich mich einem völlig seriösen Thema zu: Behördenkram.
Nachdem meine schöne Urlaubsbräune so langsam abzublättern beginnt, und nichts hinterlässt als vornehme Hamburger Blässe und ein geringfügig erhöhtes Hautkrebsrisiko, habe ich beschlossen, meinen neuen Namen nun endlich bei allen offiziellen Stellen zu dokumentieren. Für Kosten, die nur knapp unter denen für die Hochzeitsfeier liegen (allein ein neuer Reisepass kostet mittlerweile 59 Euro!), werde ich in den nächsten Tagen lauter schöne neue Dokumente kriegen. Mal sehen, ob ich wenigstens die 6 Monate Vorbereitungszeit für die Hochzeit unterbieten kann.
Angefangen habe ich heute auf dem Bezirksamt mit dem Personalausweis. Der kostet nur 10,50. Die Beamtin fragte mich, ob ich bar oder mit Karte zahlen will. Kartenzahlung ist immer was feines, man sieht nicht, wie das Geld einen verlässt, und muss nicht so oft zur Bank rennen um neues Bargeld zu holen. "Mit K...", setzte ich an zu antworten, da fiel mir ein, dass auf der EC-Karte ja noch mein alter Name samt Unterschrift stehen. Gerade hatte ich der Beamtin das Antragsformular aber schon mit meinem neuen Namen unterschrieben. Gesetzlich muss ich das auch wohl ab jetzt. Die Bank weiß aber noch nix davon. Schließlich hab ich noch keinen Personalausweis, um den Namenswechsel zu beweisen. Sollte ich also noch mit dem alten Namen unterschreiben, damit die Bank auch die Zahlung veranlasst? Oder in dem neuen Namen, und riskieren, dass zwar die Beamtin zufrieden ist, ihre Behörde mir aber kein neues Dokument ausstellt, weil sie von meiner Bank kein Geld bekommt?
Einen Moment lang war ich versucht, es auszuprobieren, mich großen Vorbildern gleich auf eine monatelange, nur durch militärische Gewalt zu beendenden Behördencharade einzulassen, als neue Hauptfrau (?!) von Köpenik in die Geschichte einzugehen.
Dann setzte die Vernunft wieder ein. "In bar", gab ich klein bei, und alles nötige wurde in Bewegung gesetzt, um mir alsbald (= in ca. 3 Wochen) einen neuen Ausweis auszustellen. Dafür habe ich dann ganz subversiv im Supermarkt mit Karte gezahlt und mit dem alten Namen unterschrieben.

28 August 2007

Heiraten für Dummys

So, da sind wir wieder. Just married. Mittlerweile schaffe ich es auch schon relativ regelmäßig, mich mit Tanja B. am Telefon zu melden, d.h. ich hab das Verheiratet-Sein wohl schon verinnerlicht. Und bin gleichzeitig immer noch ganz betrunken von dem emotionalen Dauer-Bombardement (im positiven Sinne) der Feier. Wie soll ich anfangen, dieses Fest aller Feste zu beschreiben? So viele Leute haben sich so viel Arbeit gemacht, so tolle Sachen ausgedacht, vorbereitet, genäht (!!!), gebastelt, Filme gedreht, selbstkomponierte Karaoke-Songs gebastelt, sich unglaubliche Geschenke einfallen lassen, wo es doch völlig ausgereicht hätte, dass sie einfach nur da sind und mitfeiern. Mehr hatten wir uns gar nicht gewünscht, und haben so viel mehr bekommen... Dankeschön ist so ein kleines Wort mit viel zu wenig Buchstaben. Kein Mensch auf diesem Planeten hatte jemals eine so tolle Hochzeit - oder so tolle Freunde.
*kurze Pause zum Taschentücher suchen*
Ich arbeite an einem ausführlichen Hochzeitsbericht, inkl. Fotos, aber das dauert noch ein bisschen. In der Zwischenzeit hab ich aber schon mal ein paar Erfahrungswerte für die noch-Bräute und andere Heiratswilligen unter euch, von denen es ja zur Zeit recht viele gibt:
- Wenn es auf Deiner Hochzeitsfeier ein Buffet gibt, beauftrage irgendjemanden, der mit der Organisation ansonsten nichts zu tun hat, Dir einen Teller mit Essen zu bringen. Er soll nicht darauf warten, dass Du ihm ein Zeichen gibst, sondern selbständig loslaufen, sobald das Buffet eröffnet ist. Ansonsten verbringst Du Deine Hochzeit hungrig, was Du allerdings erst gegen 2h nachts merken wirst, wenn es nur noch kalte Reste gibt.
- Stelle nie ein Glas ab, bevor Du es leergetrunken hast. Du wirst keine Gelegenheit haben, es Dir wiederzuholen.
- Denke daran, Deine Schleppe hochzustecken oder festzuhalten, *bevor* der Hochzeitswalzer beginnt. Walzer tanzen ist schwer genug, über den eigenen Rock stolpernd, der zudem bei jedem Drauftreten bedenklich weit runterrutscht könnte der Eleganz und Romantik abträglich wirken.
- Verteile Taschentücher überall im Raum an strategischen Stellen in ausreichender Menge. Vor allem, wenn es Freunde gibt, die sich auf Deiner Hochzeitsfeier öffentlich verloben.
- In Übereinstimmung mit der Prophezeihung brauchst Du auch am Tag nach der Hochzeit sehr viele Taschentücher.
- Lasse Deine Friseuse in der Vorbereitungsphase nie länger als zwei Tage am Stück unbeobachtet. Engagiere notfalls ein paar Leute, die regelmäßig vor dem Salon patroullieren. Finde ihre Privatadresse raus, und am besten noch die ihrer Eltern. Das spart Dir viele Nerven.
- Übe Dich schminken, auch wenn Du der festen Überzeugung bist, jemand anders würde Dich schminken. Es kann sein, dass das nicht passiert.
- Wenn Du so schlau bist, den Maniküre-Termin für zwei Tage vor der Hochzeit zu vereinbaren, halte Dich danach zurück. Es tut dem Lack nicht gut, wenn Du Betten zusammenbaust oder Weinkisten schleppst.
- Lass Dich allem Stress zum Trotz am Vorabend der Hochzeit von einer guten Freundin zu einem kuschligen Sit-In mit ein paar Leuten einladen. In der Zeit, die Du dort verbringst, hättest Du mit noch mehr Vorbereitung nur Stress gehabt, das Fest damit doch nicht schöner gemacht, und kannst Dich so statt dessen wunderbar entspannen und auf den schönsten Tag Deines Lebens einstimmen.
Zum Schluss noch eine Erkenntnis: Verheiratet sein fühlt sich gar nicht anders an. Es ändert nichts an der Beziehung zwischen zwei Leuten. (Was ich persönlich sehr beruhigend finde.) Aber: Man kann mit seinem Ring angeben, 'mein Mann' sagen, und sich am Telefon mit einem neuen Namen melden, was lustige Abwechslung in den Alltag bringt: "Guten Tag, Tanja F-äh-Brmvphssß..."

07 August 2007

1001 Nacht

Samstag Abend. Noch eine Woche bis zur Hochzeit. Wir wollen ausgehen und fahren dafür extra mit dem Bus in die Stadt, wo es zwecks Christopher-Street-Day brechend voll ist. Schließlich finden wir aber doch noch ein ruhiges Plätzchen in einem Cafe in der Europapassage. Der Kellner dort ist extra für uns aus Dortmund angereist. Wo er uns doch gar nicht kennt. Staunend über so viel Servicebereitschaft suche ich die Toilette auf, wozu ich eine Treppe nach unten gehen muss. Kaum bin ich unten angekommen, wird es dunkel um mich, grober Stoff auf meinem Gesicht, ist das ein Sack? Ich werde brutal gepackt, niedergeknüppelt und halb schleifend halb tragend in ein Auto verfrachtet. Dort werde ich wie ein Paket verschnürt und durch die Stadt kutschiert. Perverserweise läuft fröhliche Musik im Radio, die Fahrerin des Wagens pfeift gelegentlich vergnügt vor sich hin. Was Leo wohl macht?
Das Auto hält. Ich werde ausgeladen und etwas entschnürt, muss aber immer noch ohne etwas zu sehen eine Treppe hinaufsteigen. Ich betrete einen Raum, dort endlich wird mir der Sack abgenommen, und mir wird klar, was passiert ist: ich bin in einem Harem! Alles ist mit bunten Tüchern verhängt, dicke Teppiche dämpfen jeden Schritt, Kerzen und Geschmeide zieren Tische und Fensterbänke, so dass man die Gitter vor den Fenstern fast nicht sieht. Erlesenen Speisen und süße Getränke werden in kostbarsten Gefäßen dargeboten. Leise erklingt sanfte Musik im Hintergrund. Und überall wunderschöne Frauen in prächtigen Gewändern, mit Geschmeiden behängt, unverschleiert. Sie kommen auf mich zu, nehmen mir meine schlichten Alltagskleider ab und kleiden mich in Samt und Seide, Perlen und Edelsteine, bemalen mein Gesicht und meinen Körper mit Kohle und Silberstaub. Ich soll eine der ihren werden. Und nicht nur das: noch heute Abend soll der Sultan den Harem besuchen, auf der Suche nach einer neuen Favoritin - mir?
Eine gute Haremsdame muss aber nicht nur schön aussehen. Sie muss auch über alle möglichen Fähigkeiten verfügen, um ihren Sultan zu unterhalten. Also muss ich als erstes Geschichtenerzählen üben. Die anderen Frauen hören mir andächtig zu, geben mir nur ab und zu kleine Hinweise, wie ich meine Geschichten mit ihren eigenen noch besser ausschmücken kann. Parallel dazu werde ich mit dem Geschmack der vorhandenen Speisen vertraut gemacht, damit ich meinen Sultan mit den besten Leckerbissen füttern kann.
Schließlich ist es soweit: man hört schwere Schritte eisenbeschlagener Stiefel, und der Harem ist in heller Aufregung. Ich bekomme eine riesige Schlange um die Schultern gelegt und werde in einem Nebenraum versteckt, wo ich warte, bis der Sultan und sein Gefolge es sich im Harem gemütlich gemacht haben. Dann erklingt von neuem Musik, ich werde hereingelassen, und tanze den traditionellen Sieben-Schleier-und-eine-Schlange-Tanz, um den Sultan zu betören. Es scheint zu funktionieren, er lächelt mir zu. Ob er mich zu seiner Hauptfrau machen wird?
Das muss gefeiert werden!

Ihr lieben, die ihr diesen wunderbaren Junggesellenabschied für uns beide organisiert und dazu beigetragen habt: vielen vielen Dank! Es war total klasse. Ich hab mich schon lange nicht mehr so amüsiert und so entspannen können, so ohne Vorbehalte und schlechtes Gewissen nicht nur akzeptieren können, dass jemand für mich und meinen Liebsten so viel Aufwand treibt, sondern es auch noch in vollen Zügen genießen. Ihr seid echt der Hammer, Leute, ihr seid der Hammer!

26 Juli 2007

Weichei?!?!

Ich kann ja alles mögliche aushalten. Splatterfilme anschauen - ok, bei manchen Szenen muss ich auch wegschauen, aber viele Frauen gehen in sowas gar nicht erst rein. Und ich hab selbst bei Filmen, die Felix mitgebracht hat, immer bis zum Ende durchgehalten. Ausserdem kann ich eigenhändig Tintenfische töten und hinterher auch noch essen. Und ich kann bei Leos Arbeit zuschauen, und wenn nötig sogar mit anpacken. Was ja wohl echt von starken Nerven und einem noch stärkeren Magen zeugt.
Dachte ich. Dann brachte ich vorgestern eine Freundin zum Arzt, weil die sich eine Sehne am Fuß gezerrt hatte. Das hat nicht mal geblutet, der Fuß war zwar blau und dick angeschwollen, aber weit entfernt von eklig. Und trotzdem musste ich den Behandlungsraum verlassen, als der Arzt den Fuß mit sanfter Gewalt etwas beugte, um einen Verband anzulegen. Mehr hat der nicht gemacht, echt! Und mir wurde schwindlig! Geht's noch?! Sind meine Prioritäten irgendwie komisch? Kann man sich selektiv abhärten? Offenbar. Wie auch immer. Gute Besserung, Bettina!

23 Juli 2007

Du weißt, dass Du zu lang in HH bist...

Der treue Leser kennt diese Rubrik ja schon (und weiß, dass ich viel zu lange nichts mehr dazu geschrieben habe). Aber am Wochenende haben Leo und ich endgültig bewiesen, dass wir assimiliert sind. Resistance is futile.
Während das Wetter die letzten Tage erstaunlich gut war - knapp über 20 Grad und verhalten-schüchterner Sonnenschein - hat es in der Nacht von Samstag auf Sonntag in einer Tour geschüttet. Das Thermometer fiel auf schätzungsweise 18-19 Grad, mittags hörte der Regen auf, und am späten Nachmittag traute sich doch tatsächlich mal ein vereinzelter Sonnenstrahl durch die Wolken. Unsere Abendverabredung fiel kurzfristig aus, also beschlossen wir, ins Schwimmbad zu gehen. Natürlich fuhren wir mit dem Rad, im vollen Bewußtsein der Wechselhaftigkeit der Hamburger Wetterverhältnisse.
Kaum waren wir in Badekleidung und auf dem Weg ins Außenbecken, fing es wieder an zu regnen. Das hielt uns aber genausowenig ab wie ca. 20 andere Leute. Von unten ist man eh nass, und wenn's von oben etwas kälter kommt, muss man eben untertauchen. Im Regen rumplanschen kann ganz schön Spaß machen! Erst als es zu blitzen anfing, ließen wir uns widerwillig vom Bademeister nach drinnen scheuchen. Da blieben wir genauso lange, wie es brauchte, um wieder aufzuhören, so dass wir, wenn nicht trockenen Fußes, so doch wenigstens von oben vom Regen unbelästigt heimradeln (!ein Bavarizismus!) konnten. Allerdings entschlossen wir uns auf dem Rückweg spontan, essen zu gehen, und weil es ja gar nicht sooo kalt war, setzten wir uns raus, sprich unter eine Markisen-Plastikplane, die bis zum Boden reichte, und verzichteten auch noch großspurig auf eine Heizung (in den hiesigen Restaurants stehen draußen meistens Gasheizungs-Dinger, von denen ich immer noch nicht weiß, wie sie heißen). Ok, spätestens jetzt habe ich mich wohl disqualifiziert - wir müssen noch 'ne Weile hierbleiben.
P.S. Kann mir jemand sagen, wie diese Heizungs-Laternen-Dingsies eigentlich heißen??

Liebe ist...

... wenn man den letzten Harry-Potter-Band auf dem Nachttisch liegen hat, und jede Menge Zeit, und trotzdem nicht weiterliest, sondern wartet, bis man sich abends gegenseitig draus vorlesen kann.
Bei dem Tempo, das wir vorlegen, werden wir wahrscheinlich so um Weihnachten mit dem Buch fertig werden. Also bitte in dieser Zeit keine Kommentare, wie's ausgeht! Andererseits wissen das ja schon alle, die Brittas geniale surprising finals kennen.

20 Juli 2007

Jetzt reicht's!

In letzter Zeit werde ich immer wieder von Freunden angesprochen, die vorsichtig fragen, wie sich denn so ein Burnout eigentlich konkret äußert. Dann kommt raus, dass sie schon seit Monaten unter Tinnitus/Magenschmerzen/Schlaflosigkeit/Nervenzusammenbrüchen/... leiden. Meistens, weil sie in der Arbeit immensen Druck aushalten müssen, Überstunden und Wochenendarbeit ohne Ende schieben, allein verantwortlich für ihre Arbeitsergebnisse gemacht werden, ohne die adäquaten Mittel zur Verfügung gestellt zu bekommen, und keine Aussicht haben, da irgendwie rauszukommen, weil's ja sowieso überall in der Branche das gleiche ist.
Ihr Arbeitgeber, ihr verdammten Heuschrecken, wann, wann habt ihr endlich genug? Wieviel Geld braucht ihr noch? Wieviele Menschen wollt ihr kaputtmachen, um euch zu bereichern, um eure lächerliche Macht auszukosten, um eure verkümmerten Hirne vor der Erkenntnis zu bewahren, dass es in dieser komplizierten Welt mehr gibt als nur Zahlen? Ihr seid in den gleichen Verhältnissen aufgewachsen wie wir. Wer hat euch beigebracht, Menschen skrupellos, gedankenlos auszunutzen? Die selben Leute, die uns beigebracht haben, pflichtbewusst und hilfsbereit zu sein, unsere Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen (Fremdwort für euch?) zu erledigen, unsere Kollegen zu unterstützen, die Ansprüche, die an uns gestellt werden, zu erfüllen? Schlimmer: merkt ihr am Ende gar nicht, was ihr da tut? Weil ihr eben nichts anderes kennt als Zahlen?
Ich verfluche euch! Ich rufe jede Macht des Nicht-Bezifferbaren an, um euch das Leben so zur Hölle zu machen, wie ihr es mit uns getan habt. Ich wünsche euch das an den Hals, was ihr nicht kennt und nicht versteht: Menschlichkeit. Empathie. Ich wünsche euch, dass ihr erkennt, was ihr da tut, und dass ihr daran zerbrecht und zugrunde geht.

17 Juli 2007

Sommer-Terror

Hamburg ist heiß. 34 Grad zeigte das Thermometer gestern, gnadenlos blauer Himmel, kein Lüftchen regt sich, die Katzen schmilzen auf dem Parkettboden. Und es piept. Seit Tagen. Zum ersten Mal bewußt geworden ist uns das Geräusch Samstag nacht, als wir gg. 23h aus dem Kino heimkamen. Es scheint aus einer der Wohnungen gegenüber zu kommen, oder vielleicht sogar ums Eck aus der nächsten Querstraße. Es klingt wie die Fritteuse bei McDo, oder wie der Alarm einer Trockenhaube beim Friseur, oder wie irgendwas nerviges laut piepsiges. Es piepst jeweils dreimal und wiederholt sich viermal, dann sind ca. 20 bis 40 Sek. Pause. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Immer und immer wieder. Chinesische Tropfenfolter. Man hat die Wahl, das Fenster zuzumachen und im eigenen Saft zu schmoren. Oder das Gepiepse auszuhalten. Das Schlimme ist, wenn nachts alles ruhig wird, hört man es sogar im Schlafzimmer. Und noch fieser: heute morgen hat es für ein paar Stunden aufgehört. Wir dachen, wir wären erlöst. Aber grade hat es wieder angefangen...
Ich würde ja sagen, dummer Zufall, da ist jemand in Urlaub gefahren und hat vergessen, seinen Wecker auszustellen. Aber seit gestern häufen sich die merkwürdigen Ereignisse. Bei Simone ist der Boiler ausgefallen, so dass sie nur noch eiskalt duschen kann (was bei diesen Temperaturen kurzfristig durchaus attraktiv scheint, zum Haarewaschen aber doof ist, und Haarewaschen ist bei dem Wetter definitiv notwendig). Und dann ist bei MIB im Bad die Decke durchgebrochen, so komplett, und der ganze Schutt liegt in der Duschwanne, und das Loch in der Decke ist direkt drüber. D.h. auch er ist duschbehindert.
Alle werden wir also daran gehindert, uns die notwendige Kühlung und Ruhe zu verschaffen. Ich beginne ein Muster zu erkennen... Und es piepst schon wieder... *irreskichern*

16 Juli 2007

Natürliche Schutzreaktion?

Und ich hab gleich noch was zu sagen. Genauer gesagt mute ich euch mal wieder einen langen Text zu (wer nicht alles lesen will, runterscrollen zu Szene 3). Einige werden den vielleicht schon gelesen haben, ist von unserem alten Online-Tagebuch. Ich hab ihn neulich in der Diskussion mit einem Freund mal wieder ausgegraben, und konnte kaum glauben, was ich da selber geschrieben habe. Es geht um eine Situation, wie ich sie fast täglich in der Arbeit bei der Kleinen Horror-Agentur erlebt habe. Und um meine Reaktion darauf - durchhalten und nur nicht sagen, was man wirklich davon denkt, weil sonst alles nur noch schlimmer wird. Erst jetzt erkenne ich, wie haargenau ich da ein Verhaltensmuster wiederholt habe, dass ich damals in der Schule gelernt habe, als mir meine Klassenkameraden das Leben zur Hölle gemacht haben. Kein Wunder, dass man da depressiv wird.
Auch dazu habe ich wieder einen interessanten Internet-Artikel (diesmal kürzer). Für alle Lesefaulen: die Quintessenz ist, dass eine Depression möglicherweise nichts weiter als eine natürliche Schutzreaktion ist, so wie Angst (bei scheinbar abwehrbarer Bedrohung) oder Panik (bei Unklarheit, ob die Bedrohung abwehrbar ist). Depression ist hiernach die Reaktion auf eine Bedrohung, von der man überzeugt ist, dass man sie nicht abwehren kann. Jetzt nochmal Blogeintrag lesen, und mir sagen, dass mein derzeitiger Zustand nicht die völlig logische Konsequenz ist.

Scham

Ihr ahnt es schon, das ist mal wieder einer von Tanjas komischen Selbstfindungs-Psycho-Blogeinträgen. Und dadurch, dass ich das ganze ein bisschen ins Lächerliche ziehe, demonstriere ich auch gleich schön einen Mechanismus, der mit Scham im Zusammenhang steht: ich tue so, als nähme ich mich selbst nicht ernst, so dass andere über meine Normabweichungen lachen können, und ich mir einbilden kann, dass ich gar nicht so peinlich bin.
Aber von vorn: ich habe mich grade mit einer Freundin darüber unterhalten, warum es vielen von uns - zumindest ihr und mir - so schwer fällt, um Hilfe zu bitten. Warum wir selbst vor guten Freunden eine lächelnde Maske aufsetzen, obwohl wir eigentlich weinen wollen. Bloß keine Schwäche zeigen. Vor jemandem, der einem Böses will, macht das ja durchaus Sinn. Aber vor den Leuten, denen man am meisten vertraut, bei denen man sich sicher und akzeptiert fühlt...? Warum schämen wir uns unserer völlig normalen, verständlichen Gefühle?
Ich habe oft den Impuls zu sagen, so schlecht geht's mir gar nicht, alles halb so wild, wenn ich merke, dass sich jemand Sorgen um mich macht. Dabei sollte man meinen, dass das genau das ist, was ich nötig habe. Statt dessen geniere ich mich.
Wie immer versuche ich die Frage rational anzugehen, und bin dabei im Internet auf einen interessanten Artikel zum Thema Scham gestoßen. Einen richtigen Grund habe ich auch dort nicht gefunden, allerdings ein bemerkenswertes Paradoxon: Menschen mit übersteigertem Schamgefühl leiden oft under einer mangelnden Selbstwahrnehmung. D.h. sie sind abhängig davon, wie andere sie wahrnehmen, und gestalten ihr Leben entsprechend (nehmen nicht ab, weil sie sich zu dick fühlen, sondern weil die Waage ein bestimmtes Gewicht anzeigt u.ä.). Gemeinerweise fehlen zwar Selbstbewusstsein und Selbstwahrnehmung, nicht aber Selbstbeobachtung - was das Selbstbewusstsein leider nicht grade stärkt.
Jedenfalls weiß ich jetzt immer noch nicht, warum es so schwer ist zuzugeben, dass man sich schlecht fühlt. Aber ich bin der Antwort auf die Frage, warum ich hier in diesem Blog so einen konsequent-schonungslosen Seelenstriptease betreibe, vielleicht etwas näher gekommen: "Um Schamgefühle
zu bewältigen, verhalten sich manche Menschen oft so, dass ihr Verhalten andere beschämt (etwa durch schockierend provozierendes Auftreten). So zwingen sie die Umwelt dazu wegzublicken (statt selbst aus Scham den Blick zu Boden zu richten)." Als Beispiel werden hier u.a. Auftritte in Talkshows zu peinlich-privaten Themen genannt. Den Impuls dazu (zu provozieren, nicht in Talkshows aufzutreten) verspüre ich schon manchmal in mir. Als wäre da eine zweite Tanja, die sich die Verschämtheit der ersten 'ne Weile stirnrunzelnd anschaut, und dann sagt, pah, jetzt erst recht, raus damit! Ich wünschte nur, ich hätte im wirklichen Leben - außerhalb des Internets - auch manchmal den Mut dazu.
Eine andere Theorie, die wir im Gespräch über Scham entwickelt haben, ist dass die Freunde, denen man sich offenbart, einen ja tatsächlich ernst nehmen könnten. Und dann vielleicht nachfragen. Nach Ursachen bohren. Einen auf Dinge stoßen, die man vielleicht nicht sehen will. Klingt plausibel, finde ich. Aber keineswegs unterstützenswert. Können wir einen Deal machen? Ich heule euch was vor, und ihr dürft euch dafür mit unangenehmen Fragen rächen? Und jetzt hab ich's schon wieder getan - mich selbst ins Lächerliche gezogen, nur so aus Vorsicht, bevor's ein anderer tut, dessen Meinung über mich mir wichtiger ist als meine eigene...

12 Juli 2007

Feuer!

Vier Mädels sitzen im Cafe. Sie haben sich lange nicht gesehen, und einiges zusammen durchgemacht (sprich: alle in der Horror-Agentur gearbeitet), d.h. sie haben sich viel zu erzählen. Auf dem Tisch steht unter anderem eine Kerze und ein mit Papierservietten ausgekleideter Brotkorb. Irgendwann meint Malli fast beiläufig: "Feuer". Als eingefleischte Nichtraucherin reagiere ich erstmal gar nicht, schließlich rauchen die anderen drei, irgendwer wird sein Feuerzeug schon greifbar haben, da sagt sie wieder, mit etwas mehr Nachdruck "Feuer!", und zeigt auf den Brotkorb. Ein Eck der Serviette hat tatsächlich angefangen zu brennen. Janine versucht, das Feuer auszupusten, mit dem Resultat, dass Flammen auf die zweite Serviette übergreifen. Tanja schnappt sich Serviette 1, um den Feuerherd aus dem brennbaren Material zu entfernen. Jetzt kommt von allen Seiten Luft an die Serviette, so dass sie komplett in Flammen aufgeht. Tanja stopft einen Teil davon in ihr Weinglas. Derweil kippt Malli ihre Rhabarber-Schorle über den Brotkorb und löscht so zumindest das brennende Brot, während Janine mit Jennys Weißwein den Rest von Serviette 2 löscht. Serviette 1 ist in ihre Bestandteile zerfallen und brennt fröhlich weiter, sowohl im Glas als auch auf dem Tisch drumherum. Tanja nimmt das erste was ihr in die Finger kommt - ihr Messer - und klopft in mühevoller Kleinstarbeit die Flammen auf dem Tisch aus. Die Löscharbeiten werden stark behindert, nicht durch Rauchentwicklung, sondern durch hysterisches Gelächter am ganzen Tisch. Die Leute an den umliegenden Tischen legen das typische menschliche Verhalten bei großen Katastrophen an den Tag: sie halten in dem was sie tun inne und starren. Einzig die Kellnerin bewahrt Haltung, sammelt die verkohlten Überreste vom Tisch auf und bringt uns ohne eine Miene zu verziehen einen neuen Brotkorb. Und ich weiß jetzt, dass ich im Notfall zwar keinesfalls Ruhe bewahren, aber auch von schwersten Lachanfällen geschüttelt noch Feuer löschen kann. Ist doch beruhigend, oder?

Konsonantenlose Kommunikation

Oder vielmehr: o-o-a-e-o-e o-u-i-a-io. Ziemlich unverständlich, oder? Gestern habe ich einen Mann getroffen, der aufgrund irgendeiner schrecklichen Krankheit oder Behinderung eben genauso gesprochen hat, komplett ohne Konsonanten. Er war im Rollstuhl unterwegs, und ich habe ihm die Tür aufgehalten, nachdem ihm die jemand rücksichtsloserweise vor der Nase hat zufallen lassen. Dann kam noch 'ne zweite Tür, und schon waren wir mitten im Gespräch. Ou-a-ei-a-au, meinte er, grinste und deutete auf seine Füße. (Was auch immer ihr da jetzt reininterpretiert, er hat wahrscheinlich was ganz anderes gesagt, und ich hab's mir falsch gemerkt.)
Jetzt bilde ich mir ja einiges auf meine Kommunikationsfähigkeit ein, und meine, dass ich in einer mir nur halbwegs bekannten Sprache einfache Inhalte im passenden Kontext einigermassen entschlüsseln kann. Immerhin habe ich gelernt, sogar Japanisch zu verstehen, und das ist oft ein reines Ratespiel. Aber der konsonantenlose Mann hat mich echt überfordert. Hab immer noch keine Ahnung, was er gemeint haben könnte. Trotzdem war es ein nettes Gespräch, weil er so fröhlich gelacht und mir die Hand geschüttelt hat, und mich auch noch küssen wollte (ich war kurz versucht, mein heftiges Kopfschütteln mit einem "ei! ei!" zu unterstreichen, hab die Ns dann aber doch mitgesprochen). Schließlich haben wir uns verabschiedet, er rollte fröhlich weiter und war schon mit dem nächsten Passanten im Gespräch, als ich mich nochmal umdrehte. Es gibt Leute, die lassen sich von nichts unterkriegen. Respekt!
Werde versuchen, mir davon was abzugucken.

04 Juli 2007

They’re tryin to make me go to rehab

... I say no, no, no.
Also, prinzipiell will ich ja schon, im Gegensatz zu Amy Winehouse. (Obwohl die's sicher noch nötiger hätte als ich.) Deswegen hab ich ja auch eine Kur beantragt, genauer gesagt eine stationäre medizinische Rehabilitation. Mein Arzt hat mir das empfohlen, und mich aufgeklärt, dass man da nicht nur in der frischen Seeluft rumsitzt, Minigolf spielt und sich 'nen Kurschatten zulegt, sprich eine langweilige Variante von richtigem Urlaub macht. Statt dessen stelle ich mir das ganze jetzt als so eine Art Intensiv-Therapie-Trainingscamp vor, 'ne Juku für Psychos sozusagen.
Das war vor ca. 4 Monaten und ca. 2 Tonnen Papier. Diverse Formalitäten zogen sich immer länger hin, so dass ich schließlich etwas nervös wurde. Laut meinem Arzt sollte die Kur 4 Wochen dauern, im Antrag stand was von 3 Wochen - das würde etwas knapp werden mit den Hochzeitsvorbereitungen. Dann kam völlig überraschend der Bewilligungsbescheid. Danach sollte die Kur am 5.7. beginnen und 6 Wochen dauern. Wer den Counter auf unserer Hochzeitswebsite konsultiert kann unschwer die Kollision erkennen.
Also klemmte ich mich ans Telefon, stellte einen Verschiebungs-Antrag (für sowas gibt's tatsächlich kein Formular!), wartete wieder. Und plante fortan in zwei Schienen. Einmal die normale Timeline: Vorbereitung - Hochzeit - Flitterwochen - Kur. Und einmal die Worst-Case-Timeline: Kur/Vorbereitung parallel, Kur abbrechen um zu Heiraten, danach Rechtsstreit mit der Rentenversicherung.
Übrigens müßt ihr euch um eure Renten keine Sorgen mehr machen, die Deutsche Rentenversicherung ist mittlerweile allein durch die Hotline-Gebühren meiner vielen Anrufe saniert. ("Sie sind verbunden mit der Deutschen Rentenversicherung Bund. Drücken Sie die Null.") Nach vielen tausend Anrufen wurde mir schließlich heute (am 4.7., also einen Tag vor Kur-Antritt) mitgeteilt, dass die Verschiebung genehmigt ist. Vor lauter Erleichterung kann ich mich gar nicht mehr richtig ärgern, dass die sich so Zeit gelassen haben.
Tryin to make me go to rehab, I won't go, go, go... yet.

29 Juni 2007

Kulinarische Erfolgserlebnisse

Eigentlich muss ich mich jetzt erstmal beschweren.
Ich habe für unsere Hochzeit bei mehreren Caterern ein Angebot angefragt. Ein einziger davon ist entschuldigt, weil er schon einen Termin an dem Tag hatte. Nummer zwei hat sich auf meine Anfrage überhaupt nicht mehr gemeldet. Nummer drei verspricht mir regelmäßig am Telefon, sich 'sofort als nächstes' darum zu kümmern, dass ich ein Angebot bekomme. Und Nummer vier hat sich erstmal komplett geweigert, mir ein Angebot zu machen, ohne mich vorher persönlich zu treffen. Was ein bisschen schwierig ist, wenn ich in HH bin und der in München. Nach viel gutem Zureden hat er mir dann Unterlagen zugeschickt. Da stand 1:1 das gleiche drin wie auf seiner Website. Ein erneutes Telefonat und eine ausführliche Email mit unseren Wünschen brachten dann schließlich ein Angebot. Da stand alles mögliche drin. Nur nicht das, worum ich in der Email explizit gebeten hatte. Das bekäme ich erst angeboten, wenn wir uns persönlich kennengelernt hätten. Tja, irgendwie zweifle ich ganz stark daran, dass das passieren wird.
Zum Glück hat mich meine Mutter gerettet, die grade für ihre Kollegen ein großes Fest veranstaltet hat. Der Caterer, den sie dafür engagiert hat, ist total nett und zuvorkommend, klingt, als hätte er jede Menge Erfahrung, und hat mir versprochen, mir bis Montag ein Angebot zu schicken - obwohl er selbst am Wochenende heiratet und wahrscheinlich ganz andere Dinge im Kopf hat. Das ist Service. Das Abendessen scheint gerettet!
Außerdem habe ich heute ganz in der Nähe einen Laden entdeckt, bei dem es Gelbwurst gibt.
Ich weiß, das kennt hier oben kaum einer, weswegen ihr auch nicht ermessen könnt, wie sensationell diese Entdeckung ist, weil ihr ja nicht wisst, was ihr verpasst. Da der Laden auch noch original bayrischen Leberkäs und im Winter sogar frische Weisswürst führt, gibt es jetzt kulinarisch nichts mehr, was ich in Hamburg vermissen könnte, außer vielleicht ordentliche Brezeln, aber die kann man sich immer noch aus der Tiefkühltruhe selber aufbacken.
Keine Sorge, das bedeutet nicht, dass wir jetzt seltener nach München kommen. Wir werden nur zukünftig mit leichterem Gepäck (also ohne Kiloweise Gelbwurst im Koffer) wieder zurückreisen...

27 Juni 2007

Wut

Nein, diesmal ist nicht die Schreibwut gemeint, die mich offenbar immer noch reitet. Sondern ganz normale Wut. Aber wann ist Wut eigentlich normal?
Als Kind war ich oft wütend. So mit 5 oder 6 Jahren war ich so richtig jähzornig, habe rumgeschrien, Sachen geworfen, ganze Regalbretter leergefegt (das hatte ich im Fernsehen gesehen und fand es unheimlich effektvoll). Außerdem war ich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit furchtbar beleidigt. Irgendwann habe ich mitbekommen, dass das bei Gleichaltrigen nicht so gut ankommt, und mich keiner mehr so richtig ernst nahm. Also habe ich mich zusammengerissen und mir das abgewöhnt.
Später, als Teenager, hatte ich nochmal eine Phase, in der ich meine Wut so richtig ausgelebt habe. Obwohl, "richtig" in dem Zusammenhang kein gutes Wort ist, denn ich steckte in einer Beziehung, an der einfach alles grundfalsch war. Entsprechend viel haben wir gestritten, das volle Programm mit Schreien, Szenen in der Öffentlichkeit, und gelegentlich auch Gewalttätigkeiten (von beiden Seiten). Alles sehr hässlich. Aber mit dem Ende der Beziehung ist das völlig verschwunden. Mangels Gelegenheit, und auch weil ich mir geschworen hatte, sowas nie wieder durchzumachen, und mir nichts sehnlicher wünschte als Ruhe und Frieden.
Seither gibt es wenige Gelegenheiten, wo ich meine Wut nach außen dringen lasse. Was keineswegs bedeutet, dass ich nicht wütend bin. Ich habe den Verdacht, dass ich meine Wut (aus verschiedenen Gründen) so gut unterdrücken gelernt habe, dass ich sie oft selber nicht mehr wahrnehme. Und selbst wenn, es oft nicht wage, sie zu zeigen. Was zum einen feige und unehrlich ist, und zum anderen furchtbar ungesund. Seit ich in Therapie bin, arbeite ich daran, meine Wut, und alle abgeschwächten Varianten wie Unmut, Verletztsein oder Empörung (in hoffentlich sozialverträglicher Form) auszudrücken. Aber wie sehr ich diese Gefühle vor mir selber verstecken gelernt habe, hat mir erst ein Gespräch mit meiner Schwägerin Bine klargemacht. Sie hat mir ein paar schlaue Fragen gestellt, von denen ich überhaupt nicht kapiert habe, worauf sie abzielten, von denen ich aber im Nachhinein glaube, dass es darauf nur eine richtige Antwort gibt: Wut.
In so vielen Situationen, in denen mir jemand Unrecht tut, denke ich nicht einmal daran, wütend zu werden. Ich ärgere mich, klar, aber das führt nie soweit, dass ich den anderen wissen lasse, dass er was falsch macht. Im Gegenteil, je wütender ich bin, desto weniger will ich mir die Blöße geben, dem anderen zu zeigen, dass er mich verletzt. Dann würde ich ihn ja an mich ranlassen, und das geht nicht, weil ich ja wütend auf ihn bin. Eigentlich eine sehr kindische Form von Stolz.
Da sitzt meine Wut dann also in mir drin, und anstatt dem ins Gesicht zu springen, der sie verursacht hat, bleibt sie eingesperrt und verwüstet mein Innenleben, komplett mit Sachen werfen und Regalbretter leerfegen. Und ich merk nicht mal was davon, weil ich sie ja so gut verdrängt habe.
Und auch noch nach einem Jahr Therapie komme ich nicht mal auf die Idee, dass ich mit Fug und Recht und völlig legitim über so vieles stinkwütend sein müßte. Hm. Kennt vielleicht jemand einen guten Amok-Läufer o.ä., bei dem ich in die Lehre gehen könnte?

25 Juni 2007

Nochmal zum Thema Bräute

Ich muss es einfach wiederholen: Bräute sind komisch. Erstens mutieren wir alle durch eine kleine Frage (und deren bevorstehende Bejahung) zu Rollenspielerinnen. Sprich wir tragen auf einmal Dinge, die kein vernünftiger Mensch auf der Straße anziehen würde (oder habt ihr schon mal jemand im Supermarkt mit Reifrock rumlaufen sehen?), beschäftigen uns mit Ritualen und Bräuchen, die ihre Bedeutung für uns längst verloren haben, oder die direkt über Hollywood importiert wurden und somit nicht wirklich als Traditionen bezeichnet werden können. Letzteres wäre nicht schlimm, wenn sie wenigstens irgendwie Spaß o.ä. bringen würden, aber was haben ich oder meine Gäste davon, wenn ich ein blaues Strumpfband oder einen Penny (bzw. Cent) im Schuh trage?
Was aber noch viel seltsamer ist: alles in unserer Existenz fokussiert sich auf einmal auf diesen einen Tag. Wir machen Diäten, um zum Stichtag eine gute Figur zu machen, absolvieren Termine bei Kosmetikern und Nageldesignern, lassen Prozeduren über uns ergehen, die bei Amnesty International Alarmstufe Rot auslösen würden, wenn sie in einem irakischen Gefängnis stattfänden, geben Unsummen aus, um diesen einen Tag perfekt zu machen. Und das alles, weil er sein Interesse bekundet hat, für immer der unsere zu sein.
Was wir da tun, ist aus Marketing-Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Der Kunde hat sich ja bereits zum Kauf verpflichtet. Sicher, bis zum Vertragsabschluss kann noch einiges passieren, d.h. wir sollten in unseren bisherigen Werbe-Bemühungen nicht nachlassen. Aber das Produkt, das der Kunde haben will, von der Willenserklärung bis zum Vertragsabschluss auf einmal radikal verbessern zu wollen, ist bestenfalls Verschwendung, wenn nicht risikoreich (wer weiß, ob der Kunde unsere Veränderungen überhaupt als Verbesserung empfindet). Sicher, die Regel ist, dass jeder Kunde gerne die Bestätigung bekommt, das richtige gekauft zu haben. Viele Firmen verwenden sehr viel Aufwand darauf, in Form von aufwendigen Verpackungen, Kundenservice und schick aufgemachten Unterlagen wie Bedienungsanleitungen (ich spreche nicht vom Inhalt, nur vom Design). Das geschieht aber hauptsächlich, um den Kunden an die Firma zu binden, und sicherzustellen, dass er wieder etwas da kauft. Und das kann ja wohl nicht im Interesse einer Braut sein.
Fazit: die ganze Verschönerei, die tollen Kleider und Frisuren, sowie das Gefeiere ist nicht nur sinnlos, sondern kontraproduktiv. QED.
Schluck.
Hab ich schon mal erwähnt, dass ich nie nie wieder im Marketing arbeiten möchte?

Von Steckdosen und Nebensonnen

Vorsicht, ich hab heute Schreibwut. Hab noch mindestens zwei weitere Beiträge auf Lager.
Also, erstmal zu obigem Thema: in vielen Rollenspielen gibt's die Fähigkeit "Sachen finden". Wenn ein Spielcharakter über sowas verfügt, fällt es ihm leicht, nicht ganz offensichtliche Dinge zu entdecken, was der Spielleiter (wenn's ihm in den Kram passt) im Hinterkopf behalten und entsprechend in die Handlung einbauen kann. Eigentlich sollte man meinen, zum "Sachen finden" braucht's hauptsächlich gute Augen und eine erhöhte Aufmerksamkeit. Beides kann ich von mir wirklich nicht behaupten, mit knapp 7 Dioptrien sind meine Augen eher Zierde als irgend was anderes (wenn überhaupt), und Aufmerksamkeit, naja... neee. Trotzdem kann ich gut Sachen finden. Verlegte Schlüssel und Portemonnaies, dringend benötigte Kleidungsstücke, zu lange liegengelassene Überweisungsscheine für Strafzettel, Fehler in Softwarekonfigurationen und kaputte Kabel...
Oder zum Beispiel die wirklich gut versteckte Steckdose (etymologischer Zusammenhang ausgeschlossen) zwischen/unter unseren Sitzen im Zug zurück nach HH, die es uns erlaubte, die endlos lange Fahrt mit so unterhaltsamen Dingen wie Robot Chicken zu verbringen (Danke Felix! Die Star Wars Folge war echt zum Schießen), was unser Laptop ohne Stromzufuhr nicht lange durchgehalten hätte. Allerdings konnten wir erstmal gar nicht auf den Bildschirm gucken, weil ich draußen schon wieder eine Sache gefunden hatte, nämlich eine Nebensonne. Das ist, in Leos Worten, ein wolkeninterner Regenbogen, etwas, das ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe, und wahrscheinlich auch nie gesehen hätte, wenn mein Bruder mir nicht mal davon erzählt hätte. (Bei Wikipedia ist das Phänomen gut erklärt, außerdem schöne Fotos!).
Jedenfalls glaube ich, das mit dem Sachen finden, ist reine Übung: jemand, der dauernd was verlegt (Schlüssel oder Kabel, letzteres mit viel Dilettantismus, was übrigens von delectare kommt, d.h. Spaß ist auch mit dabei), muss einfach gut im Wiederfinden sein, oder er ist aufgeschmissen (bzw. ausgesperrt bzw. offline, letzteres die größte Katastrophe).

Hotline Support

Neulich wollte ich per Internet was aus Australien kaufen. Und per PayPal dafür bezahlen. Aber irgendwie ging das nicht. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen habe ich mich dann per Mail an den Support gewandt. Die haben noch am gleichen Tag geantwortet, und mit der Beschreibung, die sie mir geschickt haben, konnte ich das Problem sofort lösen.
Das hat mich gefreut, also hab ich auf die Email geantwortet und mich mit drei kurzen Worten für die schnelle Hilfe bedankt.
Daraufhin bekam ich eine weitere Mail vom Support-Team, in dem sie sich über sicher 20 Zeilen hinweg dafür bedankten, dass ich mich bedankt hatte.
Ich weiß, Kundendienst-Hotlines sind meistens nervig, nicht erreichbar und oft wenig hilfreich. Aber dass ein einfaches Dankeschön bei den Jungs so eine Begeisterung auslöst, läßt befürchten, dass die nur ganz schlimme Dinge von ihren Kunden gewöhnt sind. Guter Vorsatz also: öfters mal bedanken, vielleicht bringt das ja auch gutes Karma für andere Hotlines.

Sometimes they come back

Unter diesem (von Stephen King geklauten) Titel erwartet euch wieder einmal eine kleine Filmszene.
Szene 1
Intro-Musik.
Close-up auf Tanjas Gesicht, etwas geistesabwesend, sehr resigniert. Die Kamera fährt zurück, man sieht, dass sie ein Handy am Ohr hat, aber offenbar mit niemandem spricht. Die Musik drückt ebenfalls Resignation und Enttäuschung aus. Dann plötzlich kommt Bewegung in ihre Gesichtszüge, die Musik wird lebhafter, sie schreit etwas in den Hörer, läßt das Telefon fallen, springt ihn ihre Schuhe und schnappt ihre Handtasche.
Ihre nichtsahnende Schwiegermutter, die grade vorbeikommt, wird am Ärmel gepackt, zum Auto gezerrt, und mit vorgehaltener Waffe zum losfahren gezwungen.
Szene 2
Man sieht einen Mercedes A-Klasse mit unsinniger Geschwindigkeit über Rote Ampeln rasen, und schließlich am Pasinger Bahnhof vorfahren.
Szene 3
Tanja sitzt in der S-Bahn, ungeduldig Fingernägel kauend und mit dem Fuß wippend. Eine Durchsage erzählt etwas von Verzögerung wegen Bauarbeiten.
Szene 3
Tanja hechtet aus der kaum haltenden S-Bahn, sieht sich gehetzt um, entdeckt das U-Bahn Schild, rennt zur Rolltreppe. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend hechtet sie die Treppe herunter und will zwei Männer, die die Treppe nebeneinanderstehend blockieren, mit einem vollen Bodycheck aus dem Weg räumen. Im letzten Moment bemerkt sie, dass es sich um zwei Körperbehinderte handelt und bremst halsbrecherisch ihren Lauf. Sie bleibt hinter den Männern stehen, guckt schuldbewußt, kaut weiter Fingernägel. Aufzugsmusik.
Am Fuß der Treppe rennt sie wieder los, kommt abgehetzt auf dem Bahnsteig an.
Close-up auf die Anzeigentafel: der nächste Zug kommt erst in 8 Minuten, und er fährt nur bis Fröttmaning. Musik aus Psycho (Duschszene).
Szene 4
Tanja springt in Fröttmaning aus der U-Bahn, rennt die Treppe hoch, über die Brücke - da, auf der Straße steht ein Taxi, ein einziges! Sie rennt schneller, stolpert die Treppe runter, hechtet über die Straße auf das Taxi zu, bleibt kurz davor stehen. Der Fahrer hat eine Zeitung vor sich ausgebreitet, den Kopf tief gesenkt - schläft er? Das Taxi-Licht ist aus. Close-up auf Tanjas panischen Gesichtsausdruck.
Dann hebt der Fahrer den Kopf, klappt gemütlich die Zeitung zusammen, öffnet die Tür und fragt in breitestem Bayrisch:
Taxifahrer: Grüß Gott. Wo möchten's denn...
Tanja: Schnell, nach Hochbrück, ich muss da sofort hin!
Szene 5
Ein Taxi rast über die Autobahn, überholt andere Autos rechts, schwenkt in einem halsbrecherischen Manöver in eine Ausfahrt ein.
Szene 6
Tanja springt aus dem Taxi, noch bevor das richtig hält, und wirft eine Handvoll Geldscheine durchs Fenster hinein. Sie fängt an zu rennen.
Szene 7
Close-up: Tanjas Finger auf einem Klingelknopf, neben dem "Underworld" zu lesen ist. Sie klingelt Sturm. Die Tür öffnet sich, sie hetzt eine Treppe hinunter, öffnet eine Tür.
In dem Raum steht eine Frau, über eine andere, reglos daliegende Frau gebeugt.
Tanja: Konny... Was hast Du gemacht?
Die Frau blickt auf. Ihre Hände, genau wie die Haare der Frau, über die sie sich beugt, sind tiefrot und nass...
Tanja: Wo bist Du gewesen? (holt tief Luft, um wieder zu Atem zu kommen) Total egal. Viel wichtiger: kannst Du mir heute noch die Haare schneiden?
Cut.

Ihr habt's erraten: meine Friseuse ist wieder aufgetaucht. Eine Verkettung unglücklicher Umstände hat bedingt, dass sie seit Anfang Mai nicht erreichbar war. (Floh, bitte schlag Deine Kollegen von mir, die sind auch mit verantwortlich.) Jetzt bin ich mit diversen neuen Telefonnummern sowie Email-Adressen ausgestattet, damit sowas nie wieder passieren kann.
Konny is back.
Meine Haare sind bunt.
Die Welt ist... na ihr wisst schon.

20 Juni 2007

Hochzeitsgewurstel

So langsam wird's ernst. Weniger als zwei Monate sind es jetzt noch bis zu unserer Hochzeit, und ich bin voll im Orga-Stress. Während bisher eigentlich alles ganz gut lief, kommen jetzt die ersten Mini-Katastrophen und mittelgroßen Hürden, die das ganze so... interessant machen.
Am allerschlimmsten ist, dass meine Leib- und Magenfriseuse verschwunden ist. Geht nicht ans Telefon, Handy ist aus, im Salon ist keiner, und das schon seit Anfang Mai. Der Ersatzfriseur, den anzurufen ich mich jetzt endlich durchgerungen habe, hat natürlich kurzfristig keine Zeit, so dass ich wahrscheinlich nochmal extra deswegen nach München muss. Die Caterer haben sich auch gegen uns verschworen, der eine meldet sich gar nicht, der andere will mir kein Angebot machen, ohne mich vorher persönlich zu treffen (!!), hat aber keine Zeit, wenn wir in München sind.
Außerdem wird das Fest mittags zu groß, d.h. in den Garten passen alle rein, aber wenn's regnet, bringen wir die Leute nicht im Haus unter. Da werden wir unsere Planung evtl. nochmal komplett umschmeißen. Und die blöde Zeit vergeht so schnell.... Panik! Immerhin gibt's auch ein paar positive Dinge zu vermelden: die Einladungen sind endlich raus, und die dazugehörige Homepage steht auch schon: Tadaaaa! (Flash Player nötig, ansonsten hier) Und morgen geh ich wieder mal das Kleid probieren, das mir - ich kann's nicht anders sagen - einfach rasend gut steht... :-)

16 Juni 2007

5 Mädels, 2,5 Tage, 1 Stadt

Und 0 Paar Schuhe. Tatsächlich, wir (mein Literaturclub und ich) waren über ein langes Wochenende in Istanbul. Wir haben sogar im Schuh- und Lederviertel gewohnt. Und trotzdem keine gekauft. (Nicht, dass wir's nicht versucht hätten, aber es war einfach nix dabei für uns.)
Aber egal, es gab ja auch viel interessantere Dinge. Um euch einen Eindruck zu geben, wie weh meine Füße immer noch tun, zähle ich einfach mal auf, was wir in die zweieinhalb Tage gequetscht haben: Hagia Sophia, Blaue Moschee, Galata-Brücke und Turm, Beyoglu-Spaziergang, Suleyman Moschee, Topkapi Palast, unterirdische Zisternen, Bosporus-Rundfahrt, großer Basar, Gewürzbasar, diverse Restaurantbesuche und zum Schluss noch 'ne Wasserpfeife. Das waren mindestens so viele Eindrücke wie aus 1001 Nacht, und alles in so kurzer Zeit... Um das adäquat zu beschreiben, bräuchte man mindestens eine Sheherazade. Mal sehen, ob ich sie überreden kann, hier was zu veröffentlichen.
Die Reise war einfach toll. Istanbul ist einerseits viel moderner als man denkt, und andererseits viel orientalischer. Und hat so viele sehenswerte Plätze, wo man die Verbindung zwischen den Kulturen und die Vermischung, die über die Jahrhunderte hinweg immer wieder stattgefunden hat, deutlich sieht und spürt. Und sich an Märchen aus der eigenen Kindheit erinnert fühlt, hinter jeder Ecke einen Karl-May-Charakter zu entdecken glaubt, und sich trotz aller Exotik so gar nicht fremd vorkommt.
Für mich steht fest: die Türkei ist ein Teil von Europa. (Also, bitte bitte, liebe Türken, kriegt das schnell auf die Reihe mit den Menschenrechten!) Und außerdem: ich will da wieder hin!

08 Juni 2007

Der liebe Onkel Doktor

Danke erstmal für eure aufmunternden Kommentare, hier im Blog oder auf anderem Wege. Rein von der Vernunft her kann ich euch ja nur zustimmen. Nur mein Gefühlsleben ist eben momentan ein bockiges und verängstigtes kleines Kind, sprich mit Argumenten nicht zu erreichen. Trotzdem hilft es mir zu wissen, dass ihr da seid und ein bisschen Anteil nehmt. Dankeschön.
Anteilnahme der anderen Art habe ich heute erfahren, als ich (wegen meines Dauerschwindels) beim Kardiologen war. Der hat u.a. einen Ultraschall von meinem Herzen gemacht (vorab: alles in Ordnung, vielleicht ist das ganze also doch eine Nebenwirkung der neuen Medikamente). Schon spannend, sein eigenes Herz schlagen zu sehen. Dabei spielte sich folgender Dialog ab:
Arzt: Haben sie schon mal gelogen?
Tanja: Ähm, naja. Gelegentlich schon.
Arzt: Ja, sehen sie (deutet auf den Ultraschall-Monitor), das kann man hier deutlich erkennen, ganz schwarz. Jaja, die Frauen, die lügen immer zu ihrem eigenen Vorteil.
Tanja: Ähh, aber...
Arzt: So, jetzt sehen wir Ihr Herz komplett. Sehen Sie da jemanden drin?
Tanja: Nein, da sieht man nix, aber ich weiß genau, dass da jemand drin ist.
Arzt: Jetzt lügen Sie schon wieder, da ist doch gar niemand.
Tanja: Nur weil man da auf dem Bild niemanden sieht, heißt das doch nicht...
Arzt: Nein, nein, ich kenn doch die Frauen, Sie erzählen dem Mann vielleicht, dass er da drin ist, aber da ist nichts. Nur ein großes schwarzes Loch, sehen Sie?
Tanja: (bricht spontan in Tränen aus, weil dieses flapsige Gerede genau in das schwarze Loch trifft, das mal ihr Herz war)

07 Juni 2007

Kook only.

Ich weiß, es nervt euch schon, aber ich muss noch mal was zu Tori Amos schreiben. Der Titel bezieht sich diesmal allerdings auf mich. Sehr passend, weil ich aus offensichtlichen Gründen zur Gattung der Kooks zähle, mir aber momentan einfach der Fairy Dust fehlt.
Zu
meinem 25. Geburtstag habe ich die CD „Under the pink“ geschenkt bekommen, und war mitten ins Herz getroffen. Da war jemand, der virtuos mein Lieblingsinstrument spielte, genauso sang, wie man auf einem Klavier spielt, mit anderen Worten komplexe Melodien, unerwartete Tonfolgen, so gar kein Popgedudel, und dazu, am allerwichtigsten, poetische, rätselhafte, verwirrende, schmerzvoll ins Schwarze treffende Texte schrieb, die mein Gefühlsleben bis ins kleinste wiederspiegelten.
Zuletzt habe ich Tori vor zwei Jahren im Hamburger Stadtpark live gesehen. Damals war ich noch bei der Wahnsinnigen-Agentur, und hatte noch keine Ahnung, dass ich krank war. Das Konzert hätte besser nicht sein können, Stadtpark, kleine Bühne, nicht so riesig, fast alle Lieblingssongs... und trotzdem konnte ich mich nicht richtig drauf einlassen. Wenigstens brachten mich noch ein paar Lieder zum Weinen. Wahrscheinlich war ich nur gestresst. Ärgerlich, aber na ja, trotzdem tolles Konzert.

Und jetzt dritte Reihe Mitte in der Laeiszhalle. So nah dran war ich noch nie. Und noch nie so weit entfernt.
Heute weiß ich, was damals nicht mit mir stimmte, und immer noch nicht stimmt. Weshalb ich dieser Frau, die ich unvernünftig intensiv bewundere, die dort auf der Bühne ihre Seele bloßlegt wie ein blank gezogenes Schwert, zusehe, und in meinem Kopf alle möglichen Dinge passieren, ohne dass ich etwas dabei fühle. Ich reagiere, wie Tanja eben reagieren würde, wenn sie auf so einem Konzert wäre: Tanja springt bei den mitreißendsten Liedern auf, Tanja schreit aus vollem Hals, wenn die ersten Akkorde ihrer Lieblingslieder erklingen, Tanja singt jede Zeile mit, Tanja applaudiert. Und ich kann nichts dabei empfinden.
Nicht mal bei Playboy Mommy. Nicht mal bei Cornflake Girl. Und nicht mal, als Tori Precious Things spielt, nicht mal, wenn ich jede Zeile mitschreie, weil der Text von meinem Leben erzählt, weil ich hoffe, dass mich das Schreien selbst vielleicht mitreißen, etwas lösen, etwas auslösen wird. Aber nicht mal diese Urschreitherapie hilft.

Britta hat recht: „Ich erinnere mich daran“, diese Szene aus dem Letzten Einhorn trifft es ziemlich genau. (Ich bin mir der Absurdität bewusst, in diesem Zusammenhang ausgerechnet einen Zeichentrickfilm zu zitieren.) Schon mit 12, als ich den Film im Kino gesehen habe, habe ich mir gedacht, was für ein armseliger Ersatz. Aber alles, was mir im Moment von meinen Gefühlen geblieben ist.
Irgendwann wird das alles wieder zurück kommen, wird der verschüttete Weg zu meinen eigenen Gefühlen wieder freigelegt sein. Vielleicht sollte ich bis dahin nicht mehr auf Konzerte gehen und ähnlich emotionale – ähnlich enttäuschende – Dinge einfach sein lassen.

06 Juni 2007

Fairy Kook

So wurde Tori Amos neulich bei AOL Sessions (der Link führt zu ein paar live-Songs von ihr) bezeichnet. Der Ausdruck passt recht gut zu der genialsten Künstlerin, die auf dieser Erde wandelt, auch wenn ihre hardcore Fans sie vorzugsweise – und völlig berechtigt – schlicht als „the godess“ bezeichnen. Hardcore würde ich mich selbst nicht nennen, obwohl ich seit ziemlich genau 10 Jahren treu ergebener Anhänger der Religion Tori Amos bin. Die Frau ist einfach nur so was von genial.
Und dann auch noch dauernd auf Tour. Am Montag haben wir sie zum zweiten Mal hier in Hamburglive gesehen (insgesamt schon zum vierten Mal). Die Laeiszhalle ist ein altehrwürdiges Konzerthaus und fasst grade mal 2000 Personen. Das gute an der Frau ist (neben allem anderen), dass sie live noch besser ist als auf CD, und das können ja heute nicht viele von sich sagen. Das gute an diesem Konzert war (neben allem anderen), dass wir einen Platz in der dritten Reihe hatten. D.h. man konnte das Spiel der Oberarmmuskeln beim Klavierspielen genauso sehen wie die Tatsache, dass der Bösendorfer mit Kaugummi präpariert war (jedenfalls wenn man so genau aufpasst wie Leo, Tanja hat’s nicht bemerkt, und sich über den ‚spontan’ improvisierten Kaugummi-Song schiefgelacht).
Das Konzert selbst war wie gewohnt große Klasse. Musikalisch tadellos, auf der Bühne ein eingespieltes Team ihrer ‚bestest friends’, das aber keinesfalls routiniert wirkte, sondern sprühend vor Leidenschaft und Lust am Musikmachen.
Außerdem hat Tori meiner Meinung nach endgültig bewiesen, dass sie eine Rollenspielerin par excellence ist. Für ihr neues Album ist sie in fünf verschiedene Rollen geschlüpft, komplett mit Outfit, Perücke, Beruf und eigenem Blog für jede
Figur (z.B. Clyde). Zwei Figuren bringt sie auf jedes Konzert mit, d.h. mittendrin gibt’s eine Pause fürs Umziehen. Und nur die den jeweiligen Figuren zugeordneten Lieder werden auch gespielt. (Glücklicherweise ist eine Figur immer Tori, d.h. auch ältere Songs sind dabei. Ich weiß, das ist kompliziert, ich kapier’s auch nicht richtig.) Und wenn ich den Vampire-Spielern unter euch noch erzähle, dass sie gar nicht Victoria oder so heißt, sondern Myra Ellen, und Tori nur ein Spitzname ist, den ein Freund ihr mal verpasst hat, weil „you look like a Tori“, brauch ich doch keine weiteren Beweise mehr anführen, oder...?

Und jetzt muss ich mich abschließend noch über das Hamburger Publikum beschweren. Prinzipiell überrascht es mich immer wieder, dass man den Tori-Fans ihre Therapiebedürftigkeit äußerlich so wenig ansieht, die meisten sehen relativ normal aus. (Wer auf solche Texte steht, kann aber nicht normal im Kopf sein, siehe auch nächster Eintrag.) Aber die Hamburger Fans lassen sich nicht nur äußerlich nichts anmerken. Sie bleiben auch extrem ruhig und beherrscht, wenn der Saal eigentlich toben sollte. Das Maximum an Gefühlsäußerung scheint ein leichtes Kopfnicken zu sein, manchmal gepaart mit einem angedeuteten Lächeln. Kein Mitwippen auf dem Stuhl, kein verzückter Gesichtsausdruck, kein Mitsingen und schon gar kein Tanzen, selbst bei Cornflake Girl, wo jeder noch so beiläufige Tori-Fan eigentlich austicken muss. Und so war das grünhaarige Mädchen aus dem Süden halt das einzige, das kreischend aufsprang und versuchte, allein in einem Saal mit 2000 Sitzenden die Musik mit dem ganzen Körper zu zelebrieren. Und sich dann nach ein paar Takten, während derer sie irritiert angestarrt wurde, schüchtern wieder hinsetzte und demütig mit dem Fuß mitwippte.
Und das, wo Tori sich da vorne wirklich verausgabt hat, wie man auf dem Foto wohl ganz gut erkennen kann. (Ja, sie spielt stehend auf zwei Klavieren gleichzeitig, während sie singt, das macht die immer so. Ich sag's ja, Fairy Kook.)

Noch 'ne Schlacht, noch 'ne Schlacht!

Langsam häufen sich hier die kriegstreiberischen Überschriften. Dieser Eintrag hat aber nichts mit den vorigen zu tun (außer natürlich, dass es wieder mal ums Lästern geht).
Vorab muss ich zwei Dinge klarstellen:
1. Batman ist cool.

2. Zu wissen, wieviele Zacken das Batman-Symbol in welchem Film jeweils hat, und das für ein adäquates Konversations-Thema zu halten, ist nicht cool. Es sei denn, man ist auf der Nordcon.

Die Nordcon ist eine sogenannte Rollenspiel-Convention, d.h. ein großes Treffen von lauter Leuten mit dem selben seltsamen Hobby wie wir. Es gibt Verkaufsstände für Regelwerke, Würfel, Kostüme, Latexwaffen und alles, was man sonst noch so nicht braucht, man kann an spontan aufgestellten oder lange geplanten Rollenspiel-Runden teilnehmen oder selber eine leiten, und trifft vor allem viele viele Gleichgesinnte. Und das ist genau das Problem: der Nerd-Faktor dort (wie vermutlich auf allen anderen Conventions) ist einfach ungemein hoch. (Nerd übersetzt Leo.org übrigens in schönem Neudeutsch mit Computerfreak, Sonderling oder – schon wieder – Streber.) Was zu oben angedeuteten Gesprächen führen kann. Und einen sehr nachdenklich macht, inwieweit man sich tatsächlich mit dieser Ingroup identifizieren will.

Der Titel dieses Eintrags ist übrigens der begeisterte Ausruf eines kleinen Knirpses, höchstens 6 Jahre alt, im Superman-T-Shirt, der am Rand der Wiese, auf der zwei große Gruppen von Kämpfern sich im Schlachten-Schlagen übten, auf und ab hüpfte und kurz davor war, sich selbst ins Getümmel zu stürzen. Manchmal frage ich mich, wie unsere Kinder uns wohl sehen werden, wenn wir mal welche haben. Spätestens als Teenager findet man seine Eltern ja wohl grundsätzlich peinlich - also werden wir unseren wenigstens einen richtig guten Grund dazu geben.

Eine interessante Feststellung am Rande: wenn man sich tatsächlich traut, in Rollenspiel-Kostümierung zu diesem fast mitten in der Stadt gelegenen, teilweise draußen stattfindenden Event zu kommen, zahlt man nur den halben Eintritt. Letztes Jahr kam ich in einem kurzen schwarzen Rock, mit braunen Leder-Schnürstiefeln, einem Mieder und darunter einer Bluse aus einem Theater-Fundusverkauf mit so weiten Ärmeln, dass kein vernünftiger Mensch das – weder heute noch in irgendeinem Mittelalter – jemals freiwillig so was anziehen würde. Am Eingang musste ich ein paar Minuten diskutieren, damit sie das als Kostümierung akzeptierten.

Dieses Jahr bin ich einfach in mein Dirndl gestiegen, und dachte mir, mal sehen, ob das durchgeht, wenn nicht, auch egal. Um den Effekt der grünen Haare zur Tracht etwas zu unterstreichen, und das ganze etwas aufzupeppen, trug ich dazu quietschgelbe Boxer-Turnschuhe. Und was soll man sagen: die haben nicht mal fragend die Augenbrauen gehoben, sondern mir sofort Rabatt gegeben. Merke: bayrischer Punk = wesentlich exotischer als Fantasy-Kriegerin. Was auch immer uns das jetzt sagen will.