07 Juni 2007

Kook only.

Ich weiß, es nervt euch schon, aber ich muss noch mal was zu Tori Amos schreiben. Der Titel bezieht sich diesmal allerdings auf mich. Sehr passend, weil ich aus offensichtlichen Gründen zur Gattung der Kooks zähle, mir aber momentan einfach der Fairy Dust fehlt.
Zu
meinem 25. Geburtstag habe ich die CD „Under the pink“ geschenkt bekommen, und war mitten ins Herz getroffen. Da war jemand, der virtuos mein Lieblingsinstrument spielte, genauso sang, wie man auf einem Klavier spielt, mit anderen Worten komplexe Melodien, unerwartete Tonfolgen, so gar kein Popgedudel, und dazu, am allerwichtigsten, poetische, rätselhafte, verwirrende, schmerzvoll ins Schwarze treffende Texte schrieb, die mein Gefühlsleben bis ins kleinste wiederspiegelten.
Zuletzt habe ich Tori vor zwei Jahren im Hamburger Stadtpark live gesehen. Damals war ich noch bei der Wahnsinnigen-Agentur, und hatte noch keine Ahnung, dass ich krank war. Das Konzert hätte besser nicht sein können, Stadtpark, kleine Bühne, nicht so riesig, fast alle Lieblingssongs... und trotzdem konnte ich mich nicht richtig drauf einlassen. Wenigstens brachten mich noch ein paar Lieder zum Weinen. Wahrscheinlich war ich nur gestresst. Ärgerlich, aber na ja, trotzdem tolles Konzert.

Und jetzt dritte Reihe Mitte in der Laeiszhalle. So nah dran war ich noch nie. Und noch nie so weit entfernt.
Heute weiß ich, was damals nicht mit mir stimmte, und immer noch nicht stimmt. Weshalb ich dieser Frau, die ich unvernünftig intensiv bewundere, die dort auf der Bühne ihre Seele bloßlegt wie ein blank gezogenes Schwert, zusehe, und in meinem Kopf alle möglichen Dinge passieren, ohne dass ich etwas dabei fühle. Ich reagiere, wie Tanja eben reagieren würde, wenn sie auf so einem Konzert wäre: Tanja springt bei den mitreißendsten Liedern auf, Tanja schreit aus vollem Hals, wenn die ersten Akkorde ihrer Lieblingslieder erklingen, Tanja singt jede Zeile mit, Tanja applaudiert. Und ich kann nichts dabei empfinden.
Nicht mal bei Playboy Mommy. Nicht mal bei Cornflake Girl. Und nicht mal, als Tori Precious Things spielt, nicht mal, wenn ich jede Zeile mitschreie, weil der Text von meinem Leben erzählt, weil ich hoffe, dass mich das Schreien selbst vielleicht mitreißen, etwas lösen, etwas auslösen wird. Aber nicht mal diese Urschreitherapie hilft.

Britta hat recht: „Ich erinnere mich daran“, diese Szene aus dem Letzten Einhorn trifft es ziemlich genau. (Ich bin mir der Absurdität bewusst, in diesem Zusammenhang ausgerechnet einen Zeichentrickfilm zu zitieren.) Schon mit 12, als ich den Film im Kino gesehen habe, habe ich mir gedacht, was für ein armseliger Ersatz. Aber alles, was mir im Moment von meinen Gefühlen geblieben ist.
Irgendwann wird das alles wieder zurück kommen, wird der verschüttete Weg zu meinen eigenen Gefühlen wieder freigelegt sein. Vielleicht sollte ich bis dahin nicht mehr auf Konzerte gehen und ähnlich emotionale – ähnlich enttäuschende – Dinge einfach sein lassen.

5 Kommentare:

naiko hat gesagt…

liebe tanja,
ich hab kein gutes gefühl bei deiner idee, die emotionalen momente aus deinem leben zu streichen, weil sie dich derzeit nicht berühren können. denn wie willst du dann erkennen, wenn deine gefühle wiederkommen? ich denke, das werden sie langsam tun, nicht auf einen schlag. und dann brauchst du doch situationen, die dich bewegen können, sonst bleibt es dabei, dass da nichts ist. bestimmt ist es sehr schmerzhaft, das nicht-fühlen aushalten zu müssen, aber vielleicht ist es letztlich doch der richtigere weg?

und außerdem glaube ich auch ein bisschen, dass du deine erinnerungen an ereignisse wie dieses konzert auch irgendwie aufheben kannst, und wenn du dann wieder an deine gefühle heran kommst, dann wird sich vielleicht deine erinnerung entsprechend ändern und du kannst nachträglich fühlen. vielleicht geht das genauso wie man sich an gefühle erinnert auch anders herum. ich könnte es mir vorstellen. wirklich!
ganz liebe grüße
sendet dir
deine n.

Birgit hat gesagt…

Hallo Tanja,

nicht das fühlen zu können, was man eigentlich fühlen sollte, ist schrecklich und tut weh und ich kann verstehen, daß du dich dem nicht weiter aussetzen magst. Aber auch wenn es sehr schwer fällt, so solltest du trotzdem versuchen den emotionalen Momenten, die dir begegnen und begegnen könnten, nicht auszuweichen. Deine Gefühle werden wiederkommen, vermutlich erst bei ganz kleinen einfachen Dingen und du solltest ihnen bzw. dir selbst die Chance geben, auf DEIN Leben, so wie es ist, reagieren zu können.

Ganz viele liebe Grüße zu später (oder eher früher) Stunde!
Birgit

Britta hat gesagt…

Hallo Tanja,

Ich kann deine Gefühle/Nichtgefühle nachvollziehen. Denn entweder ist es halbwegs normal was du beschreibst oder ich habe auch manchmal Depressionen dieser Art. (Warum ich immer wieder an den Schädel denke, mit Grund mein Lieblingsfilm.) Das letzte Konzert auf dem ich war, Pur - ich mag Pur -, meine Schwester hatte mir überraschend Karten geschenkt, war toll. Dennoch kam ich mir aber vor als würde ich die Rolle der abfeiernden Britta spielen. Auch in der Disco kam ich mir so vor als wäre die gute Laune ein Kostüm.

Das hat sich aber geändert, nämlich als ich mit dir und den anderen Mädels los war. Lange schon hatte ich nicht mehr so viel Spaß wie an diesem Abend. Das Lachen war authentisch und ging tief.

Ich nehme an, dass diese Gefühlsdinge Phasen sind, beeinflusst durch Stress und vieles mehr, auch äußere Einflüsse, und dummerweise dauert bei dir das Jammertal erschreckend lange.

Mir mag es geholfen haben jetzt einen schönen Job zu haben, daher weniger Geldsorgen und und und. Aber damit gerechnet, dass die Begeisterung wieder kommt habe ich nicht. Also, gib die Versuche nicht auf, auch wenn sie vielleicht noch das eine oder andere Mal enttäuschen.

Nimm die Dinge so hin wie sie sind, das Gefühl wird wieder kommen und das wird um so schöner sein.

Ich hoffe ich kann dir mit diesen Worten ein wenig Mut machen.

Anonym hat gesagt…

Liebe Tanja,
ich kann mich den obigen nur anschliessen.
In summe: kann man das "zurueck-kommen der Gefuehle" beeinflussen? Keine Ahnung.
Ich denke schon... Irgendwie ist man dort hingekommen, und dann kommt man irgendwie von dort auch wieder weg. Vielleicht nichtmal durch gross aktive "Taetigkeit", ich denke, allein, es zu wollen ist wichtig.

Immerhin fuehlst du ja noch tiefgehende Gefuehle, wenn auch die unschoenen (Enttaeuschung, Trauer, Verzweiflung...). Das heisst, du hast zumindest Verbindung zu einer Haelfte der Gefuehle, und hast den Zugang zu Deinen Gefuehlen nicht vollkommen abgeschnitten. (was sehr verstaendlich waere, denn gerade diese will man ja nicht fuehlen. Wieviel leichter ertraeglich waere das Leben, wenn man die unschoenen Gefuele nicht mehr fuehlen wuerde... sondern gleich gefuehllos durchs Leben gehen wuerde, zwar keine Highs, dafuer auch keine Lows...)
Aber da bist du nicht.
Du schlaegst Dich mit der unschoenen Haelfte rum, um die schoene Haelfte wieder zu erlangen.

Der Versuch lohnt sich -auch wenn es vieler Versuche bedarf- fuer das, was man kriegt, wenn man Erfolg hat.

Und du hast unsere volle Unterstuetzung (auch wenn wir nicht viel tun koennnen??) und auf jeden Fall meine Bewunderung dafuer, dass du es versuchst, und dass du Dich traust, soviel darueber zu erzaehlen.
Wenn dir irgendwas einfaellt, wie wir dir helfen koennen, bitte lass es uns wissen und zoegere nicht. ("das kann ich denen nicht zumuten" gilt nicht, "das ist zu unbedeutend um es zu erbitten" gilt nicht, "das ist zuviel Aufwand" gilt nicht!! Sag es uns nur.
Ich komm auch gern mal spontan n Tag vorbei, wenn es ein bisschen hilft. Und das meine ich so.)

Jessica hat gesagt…

Hi Tanja,
mach in dem Sinn weiter, geh auf Konzerte oder such dir Dinge die Spaß machen. Verkriechen und sich abschotten (auf die Art) ist der falsche Weg.

Wenn ich aber an Lebenskriesen denke (und auch was raus hilft) muss ich an Indianische Rituale denken (Dinge die ich mitunter mit "meinen Hobbyisten" gemacht habe, und sei es nur ne halbe Ewigkeit diese klingenden Lieder zu singen) teilweise auch an das einsame Fasten im Wald um sich selber wieder zu finden... um danach als neuer Mensch wieder zu kehren. Das wichtige daran ist seinen eigenenen Weg zu finden (auch in dieser modernen Welt) die alten Wege finde ich sind eine gute Orientierung...