10 Oktober 2007

Nachricht aus dem Exil

Türkis. Alles hier ist türkis. Die Rezeption, die Säulen in der Eingangshalle. Die Fensterrahmen und die Stühle in der Cafeteria. Die Sofas und die Lampen im Aufenthaltsraum. Die Teppiche, alle Teppiche sind türkis! Das Bett, der Kleiderschrank, der Schreibtisch, die Rahmen der ebenfalls türkisen Bilder an den Wänden. Alles. Das soll bestimmt irgendwie beruhigend wirken. Ich fühl mich auch schon ganz ruhig. Gaaaaanz ruhig.
Gut. Tief durchatmen. Irgendwann werde ich mich an diese Un-Farbe gewöhnen.
Ob ich mich an den Rest auch gewöhne?
Ich fang mal mit den einfachen Sachen an. Das Essen ist ok, es gibt mittags warm, abends kalt mit Früchtetee wie in der Jugendherberge, und Müsli zum Frühstück bekommt man auch.
Meine persönliche Therapeutin scheint nett, auch wenn sie ca. 20 Jahre jünger als ich ist, aber wer weiß, frisch von der Uni ist ja vielleicht gar nicht mal schlecht.
Meine Mitpatienten sind ein kurioses Sammelsurium an Burnout-Depris, manche sehr ruhig und zurückhaltend, andere hyperaktiv mit starkem Perfektionismus (sprich: die beschweren sich dauernd über alles), einige offenbar wirklich schwer geschädigt, ein paar eher so wie ich mich fühle: aus dem Gröbsten schon raus.
Man kommt sich ein bisschen vor wie auf einer Pauschal-Gruppenreise. Alle Leute haben irgendwie ähnliche Interessen und das gleiche Ziel, aber von selbst würde man nie auf die Idee kommen, ausgerechnet mit diesen Leuten wegzufahren. Wobei Gruppenzusammenhalt und Gruppentherapie hier großgeschrieben wird, sprich man macht fast alles zusammen.
Wenn einem das auf die Nerven geht, kann man sich natürlich auch immer in die Privatsphäre seines eigenen Zimmers zurückziehen. Vorausgesetzt, man mag türkis.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Auf Anhieb fällt mir der Film "Girl, Interrupted" ein. Zwar geht es um andere Therapien aber irgendwie erinnerte mich die Beschreibung der Umgebung daran.
Erhole Dich gut, finde Deinen Weg!

Britta hat gesagt…

Ich hab mal in einem Fernsehbericht gesehen, dass ein Knast in dem USA eine rosa Zelle hatte... für die ganz schwierigen Jungs. Und das soll auch noch funktioniert haben. die wurden immer sofort ruhiger wenn sie in den komplett rosa gesteckt wurden.

Was soll jetzt wohl Türkis bewirken? Ist das die Geschlechtsspezifisch neutrale variante von rosa? ;)

Aaron Friedemann hat gesagt…

Du hast ein Einzelzimmer? Ist ja in Krankenhäusern meinem Kenntnisstand nach durchaus nur noch für Elitepatienten zu haben. Nett, nett.

Ich musste beim Lesen von "Gruppentherapie" sofort an ein Werbeplakat in Hamburger U-Bahnwaggons denken. Das Plakat sticht heraus, weil auch mir mit meinem Wald- und Wiesenverständnis von Kunst und Layout ungefähr 1001 Punkte aufgefallen sind, warum das als "so nicht!"-Beispiel in der Ausbildung zum Werbedesigner herhalten könnte.

Jedenfalls wird mit diesem Unplatat eine Diätvariante nach dem "patentierten Rosengartenprinzip" beworben. Und diese Methode kommt "garantiert und Anfassen und Gruppentherapie" aus. ;)