27 März 2010
Taifun Nr. 25
12 März 2010
Ein ganz normaler Grillabend
Manchmal muss man Dinge tun, die man sich einbildet. Und zwar hier und jetzt sofort. Zum Beispiel Grillen. Im Schnee. Weil wir es können.


Lenny hat auch mitgeholfen. Papa hat ihm alles genau gezeigt. Und Grillen kennt er schließlich sowieso schon von den Anfängen seiner Existenz, als Mama im Urlaub immer so lustig gewürgt hat, wenn's nach Holzfeuer roch.
Das ganze ergab ein tolles Abendessen. Und dann bekamen wir auch noch ganz unerwartet netten Besuch:

Leider gab's nicht genug Essen für die 40 ausgerückten Feuerwehrleute. Deswegen hat der nette Einsatzleiter seine Männer per Funk wieder abbestellt, es sich aber nicht nehmen lassen, unser Grillgut nochmal persönlich zu inspizieren. Offenbar hat er aber Leos Grill-Skills völlig unterschätzt, sonst wäre er sicher nicht freiwillig ohne eine Kostprobe wieder gegangen...
11 März 2010
Sanktioniertes Leid
09 März 2010
Frühling
Mental ging ich verschiedene Optionen durch:
- das Vieh einfach wegscheuchen
- mir vorstellen, dass es in den Schlafsack krabbelt und Lenny sticht, Panik kriegen, schon mal den Notarzt rufen und das Vieh dann wegscheuchen
- es einfach sitzen lassen, den Frühling genießen und mit dem Handy ein Foto für den Blog machen

Letzteres schien mir am sinnvollsten. Und damit ihr auch wisst, wovon ich schreibe, und auch alle so wie ich ganz arg Sehnsucht nach dem Frühling bekommt, hier nochmal eine Ausschnittvergrößerung:

Ich will Frühling!!!!
Möglichst schnell ganz langsam fahren
Und das von einem BMW, der die hiesigen Temperaturen doch gewöhnt sein müsste... Grumml.
23 Februar 2010
Erstes Wort
22 Februar 2010
Fasching
13 Februar 2010
Eingemischt
08 Februar 2010
CIA/KGB - read and learn
Regelmäßige Mahlzeiten gibt es auch nicht. Ich schaffe es immer wieder, zwischendurch eine Kleinigkeit zu ergattern - meistens aufgewärmte und wieder abgekühlte Reste. Abends ist es besser, da darf mein Mitgefangener kochen. Allerdings lässt man uns meist keine Zeit, fertig zu essen. Habe mir angewöhnt, alles, was ich kriegen kann, hastig herunterzuschlingen.
Wirklich nervenzehrend ist aber die Musik. Immer und immer wieder das gleiche Stück, "Guten Abend, gut Nacht", in endloser Wiederholungsschleife, in grellen blechernen Tönen, und das schlimmste, eine Zeile fehlt, was bei so einem vertrauten Lied den Effekt hat, dass man nicht abschalten kann, sondern die Aufmerksamkeit immer wieder darauf gelenkt wird. Ich ertappe mich regelmäßig dabei, wie ich die richtige Version geistesabwesend vor mich hin summe. Habe neulich Nacht sogar schon davon geträumt.
Und der Nervenkrieg hat noch schlimmere Dimensionen. Die ständigen Schmerzen - im Rücken, im Nacken, den Armen und an sehr intimen Körperstellen - sind gemein genug. Aber wirklich übel ist die Tatsache, dass von mir erwartet wird, sie mir ständig selbst zuzufügen. Wieder und wieder muss ich, mit schwerem Gewicht beladen, vom einen Ende meines Gefängnisses zum anderen und zurück laufen, bis ich glaube, gleich einfach in der Mitte durchzubrechen. Ganz abgesehen von der verblödenden Wirkung, die das Ganze auf meinen Geist hat. Wieder und wieder bin ich gezwungen, meine Wunden neuen Belastungen auszusetzen, so dass sie nie richtig heilen können. Perverserweise wird mir auch noch suggeriert, ich sollte das genießen. Den Gefallen tue ich ihnen nicht. Aber mitmachen muss ich doch, sonst leidet jemand, der mir sehr nahe steht, wird vielleicht sogar permanent geschädigt. Das kann ich nicht zulassen.
Das Allerschlimmste ist aber das Gefühl der Hilflosigkeit, das einem vermittelt wird. Ständig wird man angeschrien, aber nie bekommt man gesagt, was eigentlich von einem erwartet wird. Irgendwann verliert man da auch das letzte bisschen Selbstwertgefühl und kommt sich völlig ausgeliefert vor, ohne irgendetwas tun zu können.
Morgen packe ich aus. Ich werde gestehen. Alles verraten. Jedes Staatsgeheimnis, das ich kenne, jedes Passwort, alle meine Freunde werde ich ausliefern und meinetwegen auch versprechen, als Doppelagent tätig zu werden. Dann muss das aufhören. Dann wird alles gut und ich habe endlich meine Ruhe und werde nicht mehr gefoltert.
;)
04 Februar 2010
Liebe ist... (II)
Liebe ist... (I)
22 Januar 2010
Stillverwirrung
Hierzu, wie allgemein zum Stillen, gibt es von offizieller Seite - Arzt, Hebamme, Bundesgesundheitsministerium, div. Bücher übers Muttersein - viele gute Tipps. Allerdings hat da jemand das große Ganze wohl etwas aus den Augen verloren. Da wird einem unter anderem geraten, der Brust viel frische Luft und Licht, möglichst Sonnenschein zu gönnen, und außerdem Milchreste auf der Brustwarze nach dem Stillen an der Luft trocknen zu lassen. Andererseits schärfen einem Hebammen und Mediziner ein, dass das Schlafzimmer auf keinen Fall wärmer als 16-18 Grad sein darf, um das Risiko des Plötzlichen Kindstods zu senken. Da sehe ich mich also oben ohne nachts bei 16 Grad im Schlafzimmer rumsitzen. Wahrscheinlich würden meine Brustwarzen so tatsächlich ganz gut heilen, wenn ich nicht dauernd niesen müsste, während das Kind an mir dranhängt - autsch. Und selbst mit viel Antibiotika - ach halt, die darf man ja während des Stillens gar nicht nehmen - kann ich immer noch nicht den Schwierigkeiten entgehen, die entstehen, wenn ich mir mein Kind direkt nach dem Stillen über die Schulter legen muss, um es zum Aufstoßen zu bewegen. Wer mal ein vor lauter Verdauung zappelndes Kind ohne mittelschwere Brustpanzerung auf der Schulter hatte, wird verstehen, was ich meine.
Andererseits soll man aber die Brust warm halten (bei 16 Grad?), damit die Milch besser fließt. Vielleicht sollte ich einfach nur noch im Bad stillen, da ist es am wärmsten. Und wenn ich die Badewanne mit dem Stillkissen auspolstere, wird's vielleicht auch noch bequem...
Ein anderer Tipp ist, das Kind häufiger anzulegen, damit es nicht so gierig saugt und rumzappelt. Wenn man aber häufiger anlegt, produziert man mehr Milch. Die Brust ist voller, d.h. das Kind kann weniger davon in den Mund nehmen, was die größte Sünde beim Stillen überhaupt ist, sprich Ursache Nr. 1 für wunde Brustwarzen.
Hallo? Sehe nur ich in all dem lauter Widersprüche? Da kann doch was nicht stimmen?
Gäbe es ein Supportforum, würde ich da reinschreiben: Die Betriebsanleitung ist schwer verständlich (schlecht übersetzt?), die Bedienung nicht logisch aufgebaut, das Programm reagiert instabil auf meine Eingaben (= mal funktioniert's, mal nicht), und mir fehlt bei dem ganzen ein bisschen die intuitive Benutzerführung.
15 Januar 2010
Engelslächeln
Eine Geburt ist ein einschneidendes Erlebnis. Ich weiß, das an sich ist eine Platitüde, aber ich versuch's mal näher zu beschreiben: Irgendwie ist man trotz aller Hilfe auf sich selbst reduziert. So ungemein beruhigend es auch ist, die Hand seines Mannes zu halten, die Anleitung der Hebamme zu haben, zu wissen, dass notfalls ein Arzt in der Nähe ist - man muss es doch irgendwie selbst hinkriegen. Kann keine Pause machen, wenn man denkt, man kann nicht mehr, oder gar abbrechen. Und hat gleichzeitig so gut wie keine Kontrolle über seine eigene Situation. Jedenfalls nicht im bisher gewohnten Sinne. Man kann pressen, wenn einem jemand die Anweisung gibt, oder atmen, wenn man dran denkt. Aber die ganzen Dinge, die man sonst so gerne kontrolliert - wie wirke ich auf andere, bin ich auch tapfer genug, oder darf ich jetzt weinen/schreien/um Narkose betteln, habe ich mich genügend vorbereitet und bin entsprechend kompetent, oder sollte ich mich lieber noch etwas mehr informieren, bevor ich weitermache, und falle ich auch niemandem über Gebühr zur Last? - treten sehr weit in den Hintergrund. Man hat nur eine Wahl: Man akzeptiert, was geschieht und lässt es geschehen, oder man akzeptiert es nicht - und es geschieht trotzdem.
Eigentlich stelle ich mir Sterben ein bisschen ähnlich vor, zumindest, wenn man es bewusst mitbekommt. Vielleicht noch etwas beängstigender, aber wohl nicht viel.
Nach fünf Tagen verlassen wir die Klinik, in der dieses einschneidende Erlebnis stattgefunden hat. Ich trete zum ersten Mal mit meinem Kind ins Freie, und irgendwie hat das etwas ähnlich Endgültiges und Befreiendes wie die Geburt selbst. Ein Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus, unwillkürlich, ohne Kontrolle und ohne jeden Zweck. Ein Lächeln aus den tiefsten Tiefen meiner Seele, wie ich es schon seit Jahren nicht mehr habe lächeln können. Es hält die ganze Fahrt nach Hause über an, und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit fühle ich mich wieder wie ein vollständiger Mensch.
Ist das ein Happy End? Sicher nicht, schon weil es gar kein Ende ist, sondern eher ein Anfang. Mein Leben hat eine neue Ebene (zurück-?)gewonnen, eine Ebene ohne Nachdenken und ohne ständige Selbstkontrolle. Es wird mir sicher auch in Zukunft nicht ohne weiteres und jederzeit gelingen, diese Ebene zu erreichen. Aber ich wurde daran erinnert, dass es sie gibt und kann mir wieder sicher sein, dass ich mir nichts einrede, wenn ich sie vermisse und das Gefühl habe, dass es mich krank macht, wenn mir der Zugang dazu fehlt. Dass ich nicht verrückt bin, wenn ich mich genau danach sehne: nach einem Engelslächeln.
31 Dezember 2009
Mein Kind ist eine Kokosnuss
27 Dezember 2009
Alles eine einzige Demütigung!
Diesen auf die Schwangerschaft bezogenen Satz haben viele von euch schon zigmal von mir gehört, gefolgt von Beschwerden über allerlei Erniedrigendes, was frau in dieser Zeit so zu ertragen hat:
* Man kann seine Schuhe nicht mehr selbst binden/im Stehen anziehen/sehen.
* Man kann peinliche Körperfunktionen nicht mehr kontrollieren – der Börpsknopf ist da noch ein harmloses Beispiel.
* Man muss laufend Urinproben abgeben, obwohl man kaum noch um seinen Bauch rumlangen, geschweige denn den Becher, den man treffen soll, noch sehen kann.
* Man kann keine drei Schritte mehr gehen oder gar zügig gehen (von laufen will ich ja gar nicht sprechen), ohne sofort aufs Klo zu müssen. Ich frage mich, wie das evolutionär zu erklären ist – hat man, statt vor dem Säbelzahntiger zu fliehen, ihn in Notwehr einfach angepieselt?
* Man fühlt sich aus reiner Verzweiflung dazu bemüßigt, andere laufend über peinliche Körperfunktionen zu informieren. Siehe oben. QED.
Diese Liste könnte ich endlos fortführen. Allein, die Schwangerschaft ist vorbei – und damit auch die Demütigungen?
Ich stehe im Bereitschaftsraum der Nachtschwester, der gleichzeitig der Stillraum und das Kinderzimmer ist, und somit jedem Patienten und theoretisch auch Besuchern des Krankenhauses zugänglich ist; die Tür zum Gang steht immer offen. Ich habe mein Nachthemd bis unter die Achseln hochgezogen, darunter trage ich nichts außer den sexy Krankenhaus-Klassiker: eine formschöne Netzunterhose, ausgestopft nicht mit einer, sondern mit drei dicken Windeln. Die Schwester bestreicht meine Brüste mit Quark und ich bin versucht, allen Göttern, an die ich nicht glaube, für den Segen des Quarkwickels sogar die Qualen der Geburt zu verzeihen.
23 Dezember 2009
Geburts-Tag
So, ich liege zwar mehr, als ich sitze, aber da ich die Geschichte schon zigmal erzählt habe, und den starken Verdacht hege, dass die Geburt mit jeder Erzählung leichter und schmerzfreier wird, versuche ich jetzt mal festzuhalten, was die Hormone noch nicht aus meinem Hirn gelöscht haben. Außerdem ist heute der eigentlich angepeilte Geburtstermin. Wenn alles nach Zeitplan gegangen wäre, wäre dies also der nächste Twitter-Echtzeit-Geburtseintrag.
Nachdem ich also in aller Gemütsruhe - falsch, einigermaßen aufgeregt, aber unter den gegebenen Umständen trotzdem recht gefasst - meinen Blogeintrag geschrieben hatte, fuhr mich meine furchtbar liebe Schwägerin nach Pasing.
(Leo: Zuvor hatte mich Tanja kurz vor der Arbeit noch auf dem Handy angerufen: 'Ich will Dich ja nicht beunruhigen, aber ich glaube, meine Fruchtblase ist geplatzt...' Wir kamen überein, dass Tanja sich in aller Ruhe im Krankenhaus meldet und wir danach noch mal telefonieren. Schließlich weiß man ja, dass es bei Erstgebärenden gerne mal etwas länger dauert mit der Geburt.)
Im Krankenhaus schloss man mich erstmal ans CTG an, so dass ich mir meine Wehen live angucken konnte. Für den Fall, dass ich sie nicht bemerke? Hm. Unangenehm waren sie zu dem Zeitpunkt schon, aber keineswegs unaushaltbar. Allerdings gingen sie z.T. schon über das obere Ende der CTG-Skala raus - das konnte wohl nur heißen, dass es nicht viel schlimmer werden würde, oder? Ich war einigermaßen beruhigt. Alle anderen Frauen sind eben doch empfindlicher als ich. (Jede Wette, dass sich das jede werdende Mutter ungefähr 2 Minuten lang einredet. ;)) Leider nahm mir der Arzt schnell diese Illusion, als er mir erklärte, die Stärke des Ausschlags hätte kaum etwas mit der Stärke der Wehe zu tun. Schluck.
(Leo: Währenddessen hatte mir Tanja mitgeteilt, dass sie im Krankenhaus bleibt und die ersten Wehen aufgetreten waren. Damit war klar, dass ich allmählich die Arbeit verlassen sollte. Aber da es bei Erstgebärenden ja gerne etwas länger dauert mit der Geburt, machte ich eine sorgfältige Übergabe, schrieb noch einen dringenden Arztbrief und sagte meinen für den nächsten Tag in Hamburg geplanten Gerichtstermin ab.)
Zurück auf dem Zimmer räumte ich noch ein paar Sachen in den Schrank, sperrte mein Geld in den Tresor, überlegte, ob ich unsere Betten - wir hatten ein Familienzimmer gebucht - schon mal zusammenschieben sollte, befand das aber aufgrund der Wehen dann doch für verschiebenswert, und vertrieb mir ansonsten die Zeit mit Windelnwechseln. Meine eigenen, wohlgemerkt. Die Hebamme hatte mir gesagt, dass man auch nach dem Blasensprung noch Fruchtwasser nachproduziert, angeblich, damit das Baby nicht austrocknet - ich denke aber, dass da irgendwie die bindenproduzierende Industrie dahintersteckt. Schließlich kam das Mittagessen, von dem ich entgegen anderslautender Weisung kaum etwas herunterbrachte. Zum Glück erlöste mich eine Krankenschwester, die mich nochmal in den Kreissaal bat, da das Labor noch mehr Blut von mir brauchte.
(Leo: Ich hatte mich mittlerweile aus der Arbeit verabschiedet und war auf dem Weg nach München. Das alles natürlich vollkommen ruhig und ausgeglichen und innerhalb des Tempolimits. Gab ja auch keinen Grund zur Hast, da es bei Erstgebärenden ja gerne mal länger dauert mit der Geburt. Und die Vorstellung, so ein hektisch-eilender werdender Vater zu sein, der in lebensgefährlichem Tempo durch den Verkehr rast... Lächerlich!)
Ich machte mich also auf den Weg, der objektiv betrachtet keine 30m weit war. Ihr kennt alle diese klassische Filmszene, die in keinem guten Horrorfilm fehlen darf, wo sich ein Gang plötzlich vor einem immer weiter in die Länge zieht - ich weiß jetzt, dass genau das im wirklichen Leben passieren kann und diese Darstellung total realistisch ist. Nach gefühlten Stunden, tatsächlich aber gegen 12h, kam ich im Kreissaal an, legte mich auf den Gebärstuhl und wusste, dass ich nicht wieder davon aufstehen würde, bis das Kind da ist.
Die Hebamme sah das anders, sie wollte mich nach dem Blutabnehmen noch zum Ultraschall schicken, aber ich konnte mich einfach keinen Millimeter mehr rühren. Was auch gut so war, denn wenn man mir vor der Geburt noch das per Ultraschall ermittelte genaue Gewicht des 'Kleinen' mitgeteilt hätte, hätte ich das vielleicht nicht besonders motivierend gefunden.
Statt dessen nahm sich die Hebamme netterweise die Zeit, Leo anzurufen um ihm mitzuteilen, dass ich hier schon bei der Arbeit und seine Anwesenheit dringend erforderlich sei.
(Leo: Mittlerweile in Garching angekommen packte ich noch ein paar Sachen fürs Kind ein, als das Telefon klingelte: 'Herr Braun, wo bleiben sie denn? Ihre Frau ist schon ganz fleißig bei der Arbeit!' Ich: 'Aber bei Erstgebärenden dauert es doch aber gerne mal etwas länger mit der Geburt?!' Hebamme: 'Nicht bei Ihrer Frau...' Wenige Sekunden später war ich auf dem Weg ins Krankenhaus. Natürlich nicht als hektisch-eilender werdender Vater, der in lebensgefährlichem Tempo durch den Verkehr rast. Wobei mir nicht ganz klar ist, warum an diesem Tag alle anderen so im Schneckentempo unterwegs waren?)
In der Zwischenzeit war die Hebamme so aufmerksam, mich zu fragen, ob ich gerne was gegen die Schmerzen hätte. Oh ja. Wie vermutlich jede dumme Erstgebärende wollte ich natürlich tapfer sein und nicht gleich die PDA (Hardcore-Betäubung über den Rückenmarkskanal) nehmen, sondern erstmal was Sanfteres, Intravenöses probieren. Entweder hatte die Hebamme aber das Mittel verwechselt, oder meine Schmerzresistenz ist umgekehrt proportional zu meiner Schmerzmittelresistenz. Das einzige, was sich betäubt anfühlte, waren jedenfalls meine Lippen. Drei bis vier Wehen später bestellte ich die PDA. Jetzt. Sofort!
Die Kollegen aus der Anästhesie waren auch gleich zur Stelle, brachten sogar das Gerät mit dem Bing mit, schlossen mich so gründlich daran an, dass sie mich dann erstmal wieder abstöpseln mussten – denn ich brauchte mindestens eine freie Hand, um diversen Papierkram zu unterzeichnen. Schon eine halbe Minute später konnte ich mich an keine der Risiken und Nebenwirkungen, die mir vorgelesen wurden, erinnern. Außerdem glaube ich nicht, dass meine wehenverzerrte Unterschrift meiner normalen im Entferntesten ähnelt. Für zurechnungsfähig hätte ich mich in diesem Moment auch keinesfalls gehalten. War aber alles kein Problem, denn die Strategie, die wohl einige Krankenhäuser in dem Fall verfolgen, dass die Schwangere schon mitten beim Gebären ist, wenn sie nach der PDA verlangt, ist, das Gespräch so lange hinauszuzögern, dass selbige nicht mehr sinnvoll ist. Damit sind automatisch Haftbarmachungen wegen Narkosekunstfehlern ausgeschlossen. So auch bei mir. Als ich endlich meine Unterschrift hingekrakelt hatte, setzte gerade die erste Presswehe ein, und die Hebamme schickte ihre Kollegen unverrichteter Dinge wieder weg, egal, wie fest ich mich an das Gerät mit dem Bing krallte.
Zum Glück war Leo inzwischen eingetroffen, so dass ich mich statt dessen an ihm festhalten konnte. Auch wenn ich kaum noch Kraft hatte, irgendwas festzuhalten. Presswehen fühlen sich in etwa so an wie eine Autoschrottpresse, die in einem drin ganz von selber ihre Arbeit tut, ohne dass man das groß beeinflussen kann. Was man allerdings tun kann, ist schreien. Oder vielmehr so eine unirdische Mischung aus Stöhnen und Grunzen von sich geben, die jeden Tontechniker auf der Suche nach neuen Sounds für einen Monsterfilm hellauf begeistern würde. Ist viel besser als die Atemübungen aus dem Geburtsvorbereitungskurs. Und macht einen, zusammen mit einem hochroten Kopf, einem dicken Hals und einem schmerzverzerrter Grimasse für den eigenen Mann so attraktiv, dass der nicht mal von unten bei der Geburt zugucken muss, damit ihm jegliche Lust auf Sex auf Jahre vergeht – ein Blick in mein Gesicht hat vermutlich völlig gereicht.
(Leo: Tanja hat ja keine Ahnung. Während ich hartgesottener Rechtsmediziner mit weichen Knien ihre Hand hielt, hat sie die Geburt (soweit es halt in dieser stressig-schmerzhaften Situation geht) total souverän durchgestanden. In den Wehenpausen konnte sie sich sogar mit dem Gynäkologen und der Hebamme über die relative Größe von Tierbabys im Vergleich zum erwachsenen Tier unterhalten, was zum sofortigen Wunsch führte, ein Eisbär zu sein).
Nicht, dass ich das jetzt schon testen könnte. (Das mit dem Sex, nicht das Eisbär-Sein.) Denn mein liebes Söhnchen steckte zwar seinen Kopf völlig problemlos in diese Welt hinaus, befand aber dann, dass Mami die Zeit, in der sie schmerzhaft getreten wurde, nicht so schnell vergessen sollte, machte deswegen seine Schultern möglichst breit und zerriss damit soviel Gewebe, wie er nur konnte. Was zur Folge hatte, dass ich noch stundenlang genäht werden musste, während der Kleine auf meiner Brust (eigentlich auf meinem T-Shirt – zum Ausziehen war keine Zeit gewesen) lag, herzerweichend niedlich war und unschuldig "Häh? Häääh?" sagte.
Ja. Und dann waren wir auf einmal Eltern. Und das ist, Hormone hin oder her, trotz all der Schmerzen, der vergangenen wie der darauffolgenden, trotz Sorgen und schlafloser Nächte, irgendwie ganz wundervoll.
16 Dezember 2009
Psst...
15 Dezember 2009
Da isser
P.S. Weitere Neuigkeiten folgen, wenn Mama wieder einigermaßen schmerzfrei sitzen kann.
09 Dezember 2009
Noch ein ganz normaler Tag, oder auch: Waaaaaaahhh!
Dann festgestellt, dass ich irgendwie zu feucht liege. Da wir kein Wasserbett haben und die Katzen i.d.R. relativ stubenrein sind, hat mich das erstmal reichlich überrascht. Nach dem Aufstehen - falscher Fehler! - erkannt, dass ich die Quelle des ganzen bin. Das kann doch jetzt nicht sein?!
Leo angerufen.
Klinik angerufen. Die wollen mich - obwohl ich noch keine Wehen habe - gleich sehen. Ich soll duschen und frühstücken, und dann ganz gemütlich reinkommen.
Gemütlich!?!?
Aber ich hab noch so viel zu erledigen!
Ok, beschränken auf die Basics: Die Kliniktasche mit Zahnbürste etc. vervollständigen.
Adressliste ausdrucken, schließlich weiß ich nicht, ob ich im Krankenhaus das Handy verwenden darf. Ist das Handy aufgeladen? Wo ist das Sch...-Ladegerät? Haben die Katzen noch frisches Wasser? Kamera einstecken. Und dann schnell noch die Mail an meine Kunden verschicken, die ich zum Glück schon vorformuliert habe.
Wenn der Computer schon an ist, kann ich ja auch gleich noch schnell einen Blogeintrag schreiben. Und eigentlich wollte ich doch noch eine CD brennen für den Kreissaal...
Und dann sitze ich hier und schaue mir an, wie sich die Sonnenstrahlen in den Wassertropfen auf der Fensterscheibe brechen und muss daran denken, wie das alles vor fast 10 Jahren begann...
Und dann wird mir plötzlich sehr eindrucksvoll demonstriert, warum Wehen Wehen heißen - auaaaa! - und ich muss los!
Wünscht uns Glück!
04 Dezember 2009
A day in the life
Nach einem frühmorgendlichen Besuch beim Psychotherapeuten wird Tanja von Leo zum Weihnachtseinkaufen abgeholt, wovon allerdings ein großer Teil von der Auswahl passender Windeln eingenommen wird. Nachmittags sitzen wir dann gemütlich beisammen und genießen die idyllische Adventszeit: Der Computer spielt Musik von einem Sänger, der vor Jahren seine Frau erschlagen hat, Leo erschlägt ein paar Zombies und Tanja bastelt (wie immer etwas verspätet) einen Adventskranz, den sie (wie immer) mit Tannenzapfen, Zimtstangen, Mistelzweigen und Schweineknochen dekoriert.
Dazu kann man wohl nur David Lynch zitieren: "The world is wild at heart and something weird on top."
Und vielleicht, nur ganz vielleicht, ist das ja gar nicht immer ganz so schlecht.