30 Juli 2008

Wassermelonenball

Einmal, als ich noch recht klein war, und wieder mal auf Familienurlaub in Kroatien, sind meine Cousins auf die lustige Idee gekommen, mit mir Wasserball zu spielen, und dazu eine große Wassermelone zu verwenden. Die Dinger schwimmen besser als man erwarten sollte. Dafür haben sie die interessante Eigenschaft, wenn sie geworfen, aber nicht gefangen werden, gemächlich bis ganz auf den Meeresgrund zu sinken, bevor sie - ebenso langsam - wieder zur Oberfläche steigen.
Genau so fühle ich mich gerade.
Irgendwer oder irgendwas gibt mir einen Schubs, ich hüpfe durch die Luft, schlage auf der Wasseroberfläche auf, und statt kurz unterzutauchen und dann weiterzuschwimmen, sinke ich, bis es nicht mehr tiefer geht. Danach wieder hochzukommen dauert unverhältnismäßig lange, und wenn ich die Oberfläche erreiche, habe ich gerade genug Schwung drauf, sie zu durchbrechen und nicht gleich wieder zu sinken - wenn mich nicht wieder jemand schubst. Und das Tanja-Kind schwimmt daneben, schaut zu und fragt sich völlig entgeistert, was bloß in dieser Melone vor sich geht...

18 Juli 2008

Knopfannäher, linker Ärmel, zweiter Knopf

So oder ähnlich hat Didi Hallervorden am Ende seiner Sendung regelmäßig all die unwichtigen Menschen betitelt, die im Abspann allesamt erwähnt wurden, ohne dass der Zuschauer diese Information wirklich haben wollte.
Eine ähnlich wichtige Rolle habe ich bei der DVD-Version des vierten Teils einer bekannten Filmreihe um einen Ärchäologieprofessor mit einem Vornamen, der eigentlich ein US-Bundesstaat ist, gespielt. Nein, ich habe nicht H.F. einen Knopf angenäht (zum Glück, der hätte nicht lang gehalten). Ich war nur für den zweiten Korrekturlese-Vorgang der deutschen Untertitel für die DVD zuständig.
Das war durchaus eine lohnenswerte Aufgabe, denn Übersetzer und erster Korrekturleser konnten sich nicht einigen, ob der Kremlin auf Deutsch Kreml heißt, man 'comrade' in diesem Zusammenhang durchaus mit 'Genosse' übersetzen darf, und ob man OK jetzt groß oder klein oder irgendwie gemischt schreibt. Insgesamt scheint meine Rolle also doch eine Wichtige gewesen zu sein, vorausgesetzt, der Film wird von ähnlichen Grammar Nazis wie mir angeschaut (die sich trotzdem vor Schmerzen krümmen werden, da aufgrund der Längenbeschränkung der Untertitel manches einfach grob verkürzt und sehr schräg formuliert werden musste).
Wo ich wirklich ins Grübeln kam, war bei der Übersetzung des Wortes 'hivemind'. Da hatte sich mein Vorübersetzer was sehr zahnschmerzträchtiges ausgedacht, was ich hier zwecks Googlebarkeit (tolles Wort) nicht wiedergebe. Ich möchte euch, so ihr euch die DVD ausleiht oder kauft, aber bitten, die Untertitel im entsprechenden Moment einzuschalten, und zu gucken, ob das von mir vorgeschlagene 'Schwarmbewusstsein' akzeptiert wurde. Wer den Film im Kino sieht, darf mir auch gerne sagen, wie das in der Synchronisation heißt. Die Übersetzung dafür läuft interessanterweise völlig unabhängig von der Untertitelübersetzung.
Und nur für den Fall, dass ihr denkt, "Boh, die Frau macht Hollywood-Karriere!", sag ich euch noch, was ich für die ca. 6h Arbeit (Film komplett angucken und checken, ob die Untertitel an der richtigen Stelle sitzen, dann durchlesen und nach Fehlern suchen, dann Word-Rechtschreibkorrektur, dann Syntax-Check im Untertitel-Programm) bekommen hab: 42,08 USD. Da-da-da-daaa, da-da-daaaaaaa, da-da-da-daaa, da-da-da-da-da...
(P.S. Bitte den Filmtitel in den Kommentaren nicht erwähnen, hab ein NDA unterschrieben und darf eigentlich gar nix davon erzählen!)

17 Juli 2008

Probleme auf hohem Niveau

"Sehr geehrte Fahrgäste der zweiten Klasse. Wir bitten Sie, auf die Fahrgäste der ersten Klasse Rücksicht zu nehmen, und zum Aussteigen ausschließlich die Wagen der zweiten, nicht der ersten Klasse zu benutzen."
Mhm.
Kann ich verstehen. Immerhin hat man in der ersten Klasse genug bezahlt, um das Elend der Welt (=Passagiere zweiter Klasse) nicht nur während der Fahrt nicht sehen zu müssen. Und die 30 Sekunden, um die sich das Aussteigen verzögern könnte, wenn mal so ein Niederklassiger dazwischengerät, hat man in den höheren Chargen der Gesellschaft einfach nicht übrig. Geht gar nicht.
Liebe Bahn. Ich weiß, euer Geschäft ist der Transport, nicht die Diplomatie. Aber wie wär's denn, wenn ihr einfach durchsagen würdet, dass ihr alle Passagiere bittet, grundsätzlich aus ihrem eigenen Wagen auszusteigen, um Verzögerungen zu vermeiden. So könntet ihr vermeiden zu vermitteln, dass ihr 80% eurer Kundschaft für minderwertig haltet, und statt dessen suggerieren, dass euch die Zeit und der Komfort aller am Herzen liegen.
Manchmal, ganz selten, bevorzuge selbst ich solche Marketing-Lügen.

14 Juli 2008

Heimaturlaub

Es gibt Sachen, die sind einfach nicht zum Aushalten.
Leos Arbeit zum Beispiel. Nicht wegen des Inhalts - an den gewöhnt man sich erstaunlicherweise ganz gut, auch wenn's immer wieder belastende Sachen gibt. Aber eben auch viel Routine.
Nein, es sind die Arbeitsbedingungen, die das ganze so unaushaltbar machen. Davon schreibe und jammere ich euch ja immer wieder vor.
Und da er so unerträglich viel arbeiten muss, habe ich jetzt beschlossen, Urlaub zu machen. Klingt absurd, is aber so. Ich mach die Pause, die er nicht machen kann, vielleicht kann ich ja ein bisschen Kraft für uns beide tanken.
Ein richtiger Urlaub im klassischen Sinne wird's nicht, ich nehm meinen Laptop mit und arbeite ganz fleissig daran, wieder mal einen Auftrag zu bekommen. Dafür fahre ich nach München und freue mich ganz arg darauf, ganz viele liebe Leute zu treffen. Und wie Frederick die Feldmaus ganz viel davon in mich aufsaugen und Leo mitbringen zu können!

08 Juli 2008

Die Rolle des Authentischen

Entgegen meiner guten Vorsätze, sowas nie wieder zu machen, bin ich gerade mit meinem zweiten Schundroman fertig geworden. Diesmal zum Glück ohne kürzen. Obwohl's mich bei diesem Exemplar schon sehr gereizt hätte, mit dem ganz dicken Rotstift ranzugehen. Dem bisschen an Handlung hätten ein paar Worte weniger nicht geschadet. Zumal die englischen Lords und Ladies aus dem 19. Jh. sich in bestem aktuellem amerikanischem Alltagsslang unterhielten. Was das ganze teilweise echt zur Lachnummer machte. Da muss man sich doch wundern, mit wie wenig sich die Leserinnen dieser Bücher zufrieden geben. (Sexszenen gab's übrigens diesmal keine.) Kaufe ich mir nicht einen 'historischen' Roman, um etwas von der Stimmung der damaligen Zeit zu atmen? Um in die Illusion der Authentizität außerhalb meiner Realität einzutauchen? Authentizität ist offenbar anstrengend.
Dabei ist mir eine Szene eingefallen, die ich kürzlich mit meinen Literaturdamen erlebt habe. Wir wollten einen neuen Wochenendausflug (ähnlich dem letzten) planen, und hatten uns Dublin als Ziel ausgesucht. Irgendwer überlegte laut, wo 'man' denn in Dublin übernachten würde. Ich meinte natürlich sofort, dass da nur ein Bed & Breakfast in Frage käme, worauf die Mädels sich vielsagende Blicke zuwarfen und auf mein Nachfragen nur lachend meinten: "Typisch, wir suchen was schönes zum Übernachten, und du willst authentisch wohnen." Ich kam mir ein bisschen doof vor. Aber nur ein bisschen.
Denn es stimmt: Authentizität ist mir wichtig. Nichts gegen Luxus, aber wenn ich in ein Land fahre, will ich etwas sehen, was dafür typisch ist (selbst wenn's nur für Touristen gedacht ist). Und wenn ich ein Buch lese, will ich es nicht leicht gemacht kriegen, sondern mich reinversetzen, auch wenn ich dafür ein bisschen ungewohnte Formulierungen in Kauf nehmen muss.
Warum ist das so?
Spontan würde ich sagen: Weil mir meine Eltern beigebracht haben, was wirklich wichtig und wissenswert ist, und was nur oberflächlich und belanglos. Das mag vielleicht den Nachteil gehabt haben, dass ich in der Schule partout nicht kapiert habe, wie überlebenswichtig eine bestimmte Jeansmarke oder eine bestimmte Frisur sein kann. Dass ich in der Agentur nicht begriffen habe, warum es kriegsentscheidend ist, ob eine Anzeige hellblau oder mittelblassblau ist, und ob sie heute oder morgen erscheint.
Aber wenn ich auch bisher immer mit meinem Schicksal als (Schul-)Mobbingopfer gehadert habe - könnte ich es ungeschehen machen, indem ich einfach auf diese Unterscheidungsfähigkeit verzichte, bin ich geneigt zu sagen, dass ich lieber all das nochmal durchmachen würde.

07 Juli 2008

Ausgleichende Gelichtigkeit

Seit Monaten, wenn nicht seit Jahren, funktioniert das Licht in unserem Hauseingang nicht. Das ist nicht schlimm, beim Reingehen kann man sich an der nächsten Lampe ein paar Meter weiter orientieren, und bis dahin geht es eh nur gradeaus. Deswegen waren ich und wahrscheinlich auch alle unsere Mitmieter zu faul, etwas dagegen zu unternehmen.
Vor ein paar Tagen hat sich aber dann doch jemand erbarmt, und der Hausgang erstrahlt in neuem Glanze. Als ich aber vorgestern den Müll runtergebracht habe, musste ich feststellen, dass jetzt eine der zwei Lampen im Keller nicht mehr geht.
Es mag keine Gerechtigkeit auf dieser Welt geben. Aber ist es nicht tröstlich zu wissen, dass irgendwo jemand sitzt und auf eine ausgeglichene Bilanz aller Glühbirnen achtet?