31 Mai 2007

Krieg der Weibsen

Und jetzt muss ich's leider schon wieder tun: öffentlich ablästern.
Frauenzeitschriften sind vom Bösen. Das hab ich schon lange gewußt, was mich aber nicht davon abhält, die Dinger beim Zahnarzt durchzublättern, mir gelegentlich für eine längere Zugfahrt eine zu kaufen, oder - wir letzte Woche - mir ein kostenloses Exemplar mitzunehmen, wenn's schon rumliegt. Das Corpus Delicti ist in diesem Fall Myself, eine relativ neue Zeitschrift, mit dem altbewährten Konzept (Kleider, Kleider, Kleider, Kosmetik, die eine oder andere Story über Prominente, ein paar Alibi-Karrieretipps, ein Reisebericht, und natürlich Kochrezepte/Diätinfos). Eben alles, was die Frau so wissen/lesen/denken will und kann. Dann gibt es noch so trendige Rubriken wie "Denken und Fühlen" (!), und, und jetzt komme ich endlich zum Punkt, "Wahres Leben". In selbiger findet sich ein Beitrag namens "Der etwas andere Stil-Guide", der Tipps enthält, was man heutzutage so machen darf und was nicht. Diesen möchte ich jetzt gerne öffentlich zerpflücken (Achtung, das wird lang, muss viel zitieren!):
"Dürfen Männer beim ersten Treffen über ihren Job reden? Antwort: Klar, wenn sie Gehirnchirurgen, Astronauten oder Callboys sind. Auf keinen Fall, wenn sie Notare, Friedhofsgärtner oder Liegenschaftsbeamte sind. Andererseits: wenn wir ihnen nicht zuhören, tut es vielleicht bald eine andere, die jünger, schöner und blonder ist als wir." Die Autorin rät dann noch, ein interessiertes Gesicht zu machen und gelegentlich zu nicken, und dabei an Sex mit George Clooney zu denken. Tanjas Übersetzung: Wenn eine Frau einen Mann kennenlernt, ist sie grundsätzlich nicht an seiner Persönlichkeit interessiert, und auch später sollte er uns nicht mit Details aus seinem Leben belästigen, wenn nicht unbedingt nötig. Vor allem, wenn es um sowas unwichtiges geht wie die Arbeit, die er den ganzen Tag, sein ganzes Leben lang macht. Und das Interesse, das er bald für die jüngere, schönere, blondere Frau zeigt, kommt sicher auch nur von ihrem Aussehen. Nicht davon, dass er lieber jemand weniger oberflächlichen hätte. Schon klar.
"Darf man sonntags abends Rosamunde Pilcher gucken? Antwort: Ja, genauso wie man sich als Gourmet auch mal eine Currywurst reinzieht." Muss ich da irgendwas kommentieren? Behaltet diese Aussage mal im Kopf, bis wir zu Harry Potter kommen.
"Darf man die Kinder von Freunden nicht mögen?" Antwort sinngemäß: auf keinen Fall. Selbst wenn man sie haßt und sie unsere Mehrschweinchen mit Kakao begießen (zugegebenermaßen ein witziger Einfall), niemals etwas sagen, das sei ein Freundschaftskündigungsgrund. Ich liebe Kinder (momentan nur die von Freunden und Verwandten, da ich noch keine eigenen habe), und lasse ihnen gerne viel zu viel durchgehen. Aber wenn mich deren Eltern auch nur ein bisschen mögen, werden sie froh und dankbar sein, wenn ich ihrem neunjährigen ganz ruhig und freundlich erkäre, warum es mich stört, wenn er ständig meine Brust betatscht. (Das beruht übrigens auf tatsächlichen Erfahrungen, nur so nebenbei. Die Eltern haben mir tatsächlich nicht die Freundschaft gekündigt.)
"Müssen Frauen eine Bohrmaschine bedienen können? Antwort: Natürlich muss man als Frau nicht mit so einem Gerät umgehen können." Klar. Wenn Du Dir Deinen Gehirnchirurgen oder Friedhofsgärtner trotz mangelnder Zuhör-Fähigkeit (vielleicht bist Du Botox-gespritzt und blond gefärbt?) geangelt hast, musst Du ihn ja irgendwie beschäftigen, damit er Dich nicht dauernd mit seinem Job vollquatscht. Und wenn die noch blondere, noch jüngere ihn Dir dann wegschnappt, sind längst alle Regale eingedübelt. Und bis zum nächsten Liegenschaftsbeamten darf eben kein neues Möbelstück gekauft werden. Selbst ist die Frau! Wir sind emanzipiert und kommen alleine zurecht.
"Sollten Männer ihren Aszendenten kennen? Antwort: Nie war in der männlichen Arbeitsplatzbeschreibung davon die Rede, dass er seinen Aszendenten kennen muss. Mit so jemandem trinkt man wahrscheinlich Yogi-Tee statt Champagner (!) und verbringt seine Abende damit, vor Kristallen zu meditieren, statt um die Häuser zu ziehen. Außerdem belegt ein Aszendent im männlichen Hirn wichtigen Speicherplatz - erfahrungsgemäß (!) die stellen, die normalerweise für 'kreatives Vorspiel' und 'Sextechniken, die sie verrückt machen' vorgesehen sind." Ok. Seh ich ein. Jemandem, mit dem man Yogi-Tee trinkt, müßte man ja wahrscheinlich auch wieder zuhören. (Ob George Clooney wohl seinen Aszendenten kennt?) Die Frage ist, woher kennt dieser Mann seinen Aszendenten? Vermutlich aus der selben Frauenzeitschrift, die ihm im Detail beschreibt, was wir unter kreativem Vorspiel etc. verstehen.
"Müssen Frauen kochen können? Antwort: Definitiv nein! Es gibt andere Möglichkeiten der Nahrungsbeschaffung. Im Idealfall: ein Partner, der das übernimmt." Hm, ist das jetzt der Astronaut, oder der Yogi-Tee-Trinker? Ersterer sollte doch eigentlich mit Regale eindübeln beschäftigt sein. Letzterer könnte ein guter Kandidat sein, schließlich liest er die Zeitschriften mit den Rezepten. Aber letzteren wollten wir ja nicht, und ersterer ist sowieso bei der Blonden. Also, ziehen wir uns 'ne Dose Ravioli rein und genießen unser Single-Leben in vollen Zügen!
"Minirock mit über 40 - wirklich noch eine gute Idee? Antwort: Och, eigentlich kein Problem: Die meisten Mittvierzigerinnen sehen ja von hinten alle wie anorektische 14-Jährige aus. Das vielleicht einzig Problematische an der Kombination ist, dass sie von vorn betrachtet immer (!) wie ein altes, trauriges Mädchen ausschaut." Ich weiß schon, die knapp 20jährige Praktikantin, die diesen Abschnitt geschrieben hat, kann sich kaum vorstellen, dass es ein Leben jenseits der 30 gibt. Deswegen findet sie's wohl auch akzeptabel, wenn man aussieht als würde man unter einer schweren psychischen Störung leiden, die es einem nicht erlaubt mehr zu essen als ein paar Salatblätter täglich. Insofern verstehe ich auch, warum sie meint, dass diese Leute von vorne traurig aussehen. Immerhin hat sie mit diesem Beitrag ein absolutes Novum erreicht: ich (kurz vor 35) wünsche mir sehnlichst, sofort über 40 zu sein, nur um dauernd nur noch im Minirock rumlaufen zu können.
"Darf man von München nach Stuttgart fliegen? Antwort: Nein. [...] Andererseits käme die Deutsche Bahn sicher öfter zum Zug, wenn sie ihre Reisebegleiter mal zum Englischkurs schicken würde, um am 'ti aitsch' zu feilen." Mhmm, das ist für die mehrheitlich deutschsprachigen Leserinnen der Zeitschrift sicherlich auch wahnsinnig relevant. Weil, wir sind ja so cosmopolitisch, dass wir auf die deutsche Durchsage schon gar nicht mehr hören. Und außerdem hervorragend im Fremdschämen. Und völlig humorlos. Und haben deswegen auch noch nie mit einem Engländer darüber gesprochen, wie witzig die unseren Akzent finden, je übertriebener desto besser. Und deswegen ist es vorläufig noch völlig ok, statt dessen den Flieger zu nehmen. Der übrigens ca. 200 EUR mehr kostet als die Zugfahrt, weil nur von Lufthansa angeboten.
"Soll Harry Potter sterben? Antwort: Ja. Erwachsenen, die Kinderbücher lesen, muss man klarmachen, dass das Leben kein Ponyhof ist." Ja, Mädels. Guckt lieber Rosamunde Pilcher, da kriegt ihr eine realistische Vorstellung vom Leben. Wenn ihr Kinderbücher lest, könnte am Ende eure Fantasie angeregt werden. Es sei denn natürlich, der Held stirbt (wo ich übrigens gar nix dagegen hätte), das verleiht einem Buch über Zauberlehrlinge dann doch den nötigen Realismus. Dann ist es sicher auch ok, sich mit dem Yogi-Tee-Trinker darüber zu unterhalten. Nicht mit dem Astronauten, vor dem wäre das peinlich. Außerdem ist der ja damit beschäftigt, eure Figur zu mustern, und abzuchecken, ob ihr blond genug seid, und auch über 40 noch weibliche (auf keinen Fall lustige oder ausgeflippte oder auch nur bequeme!) Kleider tragen können werdet. Dazu ist das mit den Ravioli wiederum hinderlich, es sei denn man wählt von vornherein die richtige Essstörung (Bulimie natürlich, Anorexie ist nur halb so aufregend). Ach, jetzt hab ich's, man kann ja den Astronauten über seinen Job oder Kinderbücher quatschen lassen, und sich per Kopfhörer heimlich ein Pilcher-Hörspiel reinzieht, dann kriegt man auch diesen interessiert-leeren Gesichtsausdruck besser hin. Und muss nicht traurig gucken, auch wenn man schon über 40 ist.
Mann Mann Mann! Ähm. Frau Frau Frau. Manchmal mach ich mir echt Sorgen über den Geisteszustand meiner Geschlechtsgenossinen. Und jetzt müßt ihr mich entschuldigen. Ich muss unbedingt nachlesen, warum französische Frauen wirklich nicht dick werden, und dann das Rezept auf S. 170 ausprobieren.

P.S. In Wirklichkeit sind diese Zeitschriften alles große Selbstverwirklichungs-Spielwiesen. Hab im Frühjahr selbst ein paar Artikel im Bild-der-Frau-Stil für das Kalminther Blatt geschrieben, und ich kann nur sagen: das macht einen Mords-Spaß. :)

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Brüll! Brüll!! Brüülll!!! Aufhören, ich kann nicht mehr....Tanja, dein komisches Talent haut mich um.
Danke für diesen Lacher!

Sandra

naiko hat gesagt…

hast du irgendwann mal gesagt, der literarische anspruch deines blogs sei minderwertig? humbug!!!! i felt perfectly entertained. und, by the way, ich reg mich bei jeder sich bietenden gelegenheit über frauenzeitschriften und das dort vertretene frauenbild auf. man könnte echt einen alice-schwarzer-fanclub gründen... grauenvoll!!! steinzeit! oder noch schlimmer.
mit allergrößtem mitgefühl
deine n.

Birgit hat gesagt…

*prust* Deine "Kritik" ist einfach nur geil! *g* Ich hätte nie gedacht, daß eine Frauenzeitschrift am Ende so amüsant sein kann. ;)

Giggelnde Grüße!
Birgit

MiB hat gesagt…

Weils heute auf der Heimfahrt vom Projekt so öd war und ich nix mehr lesenswertes vernaschen konnte, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Gala in Händen gehalten. Wenn Du jemals wissen willst, wie oft wer auf welchen Party wen angelächelt hat, dann kann ich das tiefgründe Stück Papier wärmstens empfehlen. Und erschießt mich bitte, wenn ich sowas je wieder anfasse...

naiko hat gesagt…

he, ich finde, gala und cosmopolitan gehören zur allgemeinbildung! nur wer sowas kennt, kann beurteilen, was gut ist. ohne kontraste geht echt nichts, außerdem: unendlich viele leute lesen das zeug - und werden dadurch meiner ansicht nach maßgeblich beeinflusst, was werte und frauenbild und so weiter angeht. meine ich wirklich, so traurig ich das auch finde. und mit sowas haben wir dann nämlich täglich umgang. damit muss man rechnen! klingt arrogant. ist es auch. so what.
n.

Britta hat gesagt…

... und da erinnere man sich noch an Zeiten wo die Bravo als verpönt galt. Gegen diesen Artikel klingt die Erinnerung an Bravoartikel für mich wie weltgewandte Literatur.

PS zu deinem Artikel über Rechtschreibung. Ich hab jetzt auch einen Rechtschreibfehler gefunden. Ein Döner und Pizzaladen hat: ALLE PIZZA 0.99€ an seiner Markise hängen. Nicht sonderlich kreativ aber sehr verstörend.

naiko hat gesagt…

hab kürzlich mal im zusammenhang mit einem schülerzeitungsseminar eine BRAVO in der hand gehabt. der reinste porno, wrklich, und für extrem empfindlich halte ich mich nicht. zu unserer zeit war das ja - wie britta auch sagt - ein verhältnismäßig harmloses blatt. ich bin mir noch immer nicht ganz sicher, was ich davon halten soll. jedenfalls muss sich keiner wundern, wenn 12jährige pornos auf ihre handys runterladen...
gruß
n.

Jessica & Dirk hat gesagt…

Tanja, dein Schreibstil ist wieder mal Göttlich...

Anonym hat gesagt…

Arrrgh! ^^
Ich überlege gerade ernsthaft, dir ein Jahresabonement besagter Zeitschrift zu schenken, nur um öfter in den Kritik deiner genial-komischen Ader zu kommen.
Warum wirst du nicht Kolumnistin?
Wenn die Herausgeber (nicht Herausgeberinnen; Frauen arbeiten ja nicht, sondern sind jung, blond und desinteressiert^^) dieser Zeitschrift einen Funken Selbstironie haben, veröffentlichen sie es vielleicht sogar selbst.

Liebe Grüße von der Fastexilhamburger Wahlmünchnerin
Jana

PS: Sämtliche Rechtschreibfehler sind in Eigenverantwortung meiner Grippe geschehen, die sich damit emanzipieren möchte. Lasst ihr die Freude dran.

MiB hat gesagt…

Heute war ich wieder auf der Rückkehr aus dem Projekt. Die Gala hat mir gefehlt. Mümmel. Mir fehlt meine wöchentliche Portion Kontraste.