31 Dezember 2009

Mein Kind ist eine Kokosnuss

Oder auch: Our world is ordered by a malign and perverted god, um mit Douglas Adams zu sprechen. Um den folgenden Eintrag zu verstehen, müsst ihr dessen Zitat über die Kokosnuss und den Komodo-Waran aus Last Chance to See kennen. Selbiges könnt ihr hier nachlesen (dritter und vierter Absatz; hier auch nochmal in Teilen auf Deutsch zu finden).
Wenn die Kokosnuss schon ein Beweis für die Gemeinheit eines eventuellen Schöpfers (bzw. Schöpferin, Männer können gar nicht so fies sein) ist, was soll man dann erst von Babys halten?
They are almost perfectly designed: Süß und knuddelig und so niedlich-hilflos, dass man sie einfach lieben muss. Zudem die Methode schlechthin, den zukünftigen Fortbestand der Menschheit sicherzustellen.
What makes you wonder about the nature of this god character is that he creates something that is so perfectly designed to be of benefit to human beings and then... makes everything after conceiving it so tedious: Mal sehen, wie die Menschen damit klarkommen, so ein Kind neun Monate lang in einem immer dicker werdenden Bauch rumzutragen, der sie bei allem behindert, was man normalerweise zum Überleben so tun muss. Ok, das scheint sie nicht abzuhalten. Mal sehen, was passiert, wenn ich die Geburt so richtig, richtig schmerzhaft und anstrengend mache. Ach, sie kriegen immer noch Kinder? Hätte ich ihnen nicht zugetraut. Also gut, dann machen wir eben die Fütterung extra kompliziert: Zuerst gibt's gar keine richtige Milch, so dass sich die Kleinen echt anstrengen müssen, was aus Mama rauszubekommen. Und gerade, wenn sie die Lust am Trinken verlieren, weil das so frustrierend ist, bescheren wir der Mutter so richtig viel Milch, dass es wehtut. Und wenn das nicht reicht, habe ich auch noch wunde Brustwarzen auf Lager.
Hmm, jetzt haben sie Stillberaterinnen und Silikonhütchen erfunden. OK, no more Mr Nice Guy. Dann mache ich die Köpfe der Kinder eben so groß, dass sie die benötigten Reproduktionsorgane so schmerzhaft verletzen, dass frau auf Jahre hinaus die Lust auf jegliche mit Fortpflanzung in Verbindung stehenden Aktivitäten vergeht.
Die Geschichte mit dem Apfel muss ihn doch mehr verärgert haben, als ich gedacht hatte...

27 Dezember 2009

Alles eine einzige Demütigung!

Diesen auf die Schwangerschaft bezogenen Satz haben viele von euch schon zigmal von mir gehört, gefolgt von Beschwerden über allerlei Erniedrigendes, was frau in dieser Zeit so zu ertragen hat:

* Man kann seine Schuhe nicht mehr selbst binden/im Stehen anziehen/sehen.
* Man kann peinliche Körperfunktionen nicht mehr kontrollieren – der
Börpsknopf ist da noch ein harmloses Beispiel.
* Man muss laufend Urinproben abgeben, obwohl man kaum noch um seinen Bauch rumlangen, geschweige denn den Becher, den man treffen soll, noch sehen kann.
* Man kann keine drei Schritte mehr gehen oder gar zügig gehen (von laufen will ich ja gar nicht sprechen), ohne sofort aufs Klo zu müssen. Ich frage mich, wie das evolutionär zu erklären ist – hat man, statt vor dem Säbelzahntiger zu fliehen, ihn in Notwehr einfach angepieselt?
* Man fühlt sich aus reiner Verzweiflung dazu bemüßigt, andere laufend über peinliche Körperfunktionen zu informieren. Siehe oben. QED.

Diese Liste könnte ich endlos fortführen. Allein, die Schwangerschaft ist vorbei – und damit auch die Demütigungen?

Ich stehe im Bereitschaftsraum der Nachtschwester, der gleichzeitig der Stillraum und das Kinderzimmer ist, und somit jedem Patienten und theoretisch auch Besuchern des Krankenhauses zugänglich ist; die Tür zum Gang steht immer offen. Ich habe mein Nachthemd bis unter die Achseln hochgezogen, darunter trage ich nichts außer den sexy Krankenhaus-Klassiker: eine formschöne Netzunterhose, ausgestopft nicht mit einer, sondern mit drei dicken Windeln. Die Schwester bestreicht meine Brüste mit Quark und ich bin versucht, allen Göttern, an die ich nicht glaube, für den Segen des Quarkwickels sogar die Qualen der Geburt zu verzeihen.

Mir wird klar: Die Lektion in Demut hat gerade erst angefangen...

23 Dezember 2009

Geburts-Tag

So, ich liege zwar mehr, als ich sitze, aber da ich die Geschichte schon zigmal erzählt habe, und den starken Verdacht hege, dass die Geburt mit jeder Erzählung leichter und schmerzfreier wird, versuche ich jetzt mal festzuhalten, was die Hormone noch nicht aus meinem Hirn gelöscht haben. Außerdem ist heute der eigentlich angepeilte Geburtstermin. Wenn alles nach Zeitplan gegangen wäre, wäre dies also der nächste Twitter-Echtzeit-Geburtseintrag.

Nachdem ich also in aller Gemütsruhe - falsch, einigermaßen aufgeregt, aber unter den gegebenen Umständen trotzdem recht gefasst - meinen Blogeintrag geschrieben hatte, fuhr mich meine furchtbar liebe Schwägerin nach Pasing.

(Leo: Zuvor hatte mich Tanja kurz vor der Arbeit noch auf dem Handy angerufen: 'Ich will Dich ja nicht beunruhigen, aber ich glaube, meine Fruchtblase ist geplatzt...' Wir kamen überein, dass Tanja sich in aller Ruhe im Krankenhaus meldet und wir danach noch mal telefonieren. Schließlich weiß man ja, dass es bei Erstgebärenden gerne mal etwas länger dauert mit der Geburt.)

Im Krankenhaus schloss man mich erstmal ans CTG an, so dass ich mir meine Wehen live angucken konnte. Für den Fall, dass ich sie nicht bemerke? Hm. Unangenehm waren sie zu dem Zeitpunkt schon, aber keineswegs unaushaltbar. Allerdings gingen sie z.T. schon über das obere Ende der CTG-Skala raus - das konnte wohl nur heißen, dass es nicht viel schlimmer werden würde, oder? Ich war einigermaßen beruhigt. Alle anderen Frauen sind eben doch empfindlicher als ich. (Jede Wette, dass sich das jede werdende Mutter ungefähr 2 Minuten lang einredet. ;)) Leider nahm mir der Arzt schnell diese Illusion, als er mir erklärte, die Stärke des Ausschlags hätte kaum etwas mit der Stärke der Wehe zu tun. Schluck.

(Leo: Währenddessen hatte mir Tanja mitgeteilt, dass sie im Krankenhaus bleibt und die ersten Wehen aufgetreten waren. Damit war klar, dass ich allmählich die Arbeit verlassen sollte. Aber da es bei Erstgebärenden ja gerne etwas länger dauert mit der Geburt, machte ich eine sorgfältige Übergabe, schrieb noch einen dringenden Arztbrief und sagte meinen für den nächsten Tag in Hamburg geplanten Gerichtstermin ab.)

Nachdem sie mir noch literweise Blut abgezapft hatte, schickte mich die Hebamme erstmal wieder weg: Ich solle es mir im Zimmer bequem machen, nochmal ordentlich was essen und dann gegen 13h wieder zur nächsten Untersuchung in den Kreissaal kommen. Also ging ich erstmal mit Andrea einen Kakao in der Cafeteria trinken. Das war allerdings schon ziemlich ungemütlich, während der Wehen konnte ich nicht richtig sitzen, Stehen ging auch nicht, und überhaupt hatte ich eigentlich nur noch Lust, die nächsten Stunden auf dem Klo - dem einzigen Ort, wo ich noch einigermaßen entspannen konnte - zu verbringen. Also schickte ich Andrea heim, denn so gut mir ihr ermutigendes Zureden auch tat, auf der Toilette wäre mir das irgendwie unangenehm gewesen.

Zurück auf dem Zimmer räumte ich noch ein paar Sachen in den Schrank, sperrte mein Geld in den Tresor, überlegte, ob ich unsere Betten - wir hatten ein Familienzimmer gebucht - schon mal zusammenschieben sollte, befand das aber aufgrund der Wehen dann doch für verschiebenswert, und vertrieb mir ansonsten die Zeit mit Windelnwechseln. Meine eigenen, wohlgemerkt. Die Hebamme hatte mir gesagt, dass man auch nach dem Blasensprung noch Fruchtwasser nachproduziert, angeblich, damit das Baby nicht austrocknet - ich denke aber, dass da irgendwie die bindenproduzierende Industrie dahintersteckt. Schließlich kam das Mittagessen, von dem ich entgegen anderslautender Weisung kaum etwas herunterbrachte. Zum Glück erlöste mich eine Krankenschwester, die mich nochmal in den Kreissaal bat, da das Labor noch mehr Blut von mir brauchte.

(Leo: Ich hatte mich mittlerweile aus der Arbeit verabschiedet und war auf dem Weg nach München. Das alles natürlich vollkommen ruhig und ausgeglichen und innerhalb des Tempolimits. Gab ja auch keinen Grund zur Hast, da es bei Erstgebärenden ja gerne mal länger dauert mit der Geburt. Und die Vorstellung, so ein hektisch-eilender werdender Vater zu sein, der in lebensgefährlichem Tempo durch den Verkehr rast... Lächerlich!)

Ich machte mich also auf den Weg, der objektiv betrachtet keine 30m weit war. Ihr kennt alle diese klassische Filmszene, die in keinem guten Horrorfilm fehlen darf, wo sich ein Gang plötzlich vor einem immer weiter in die Länge zieht - ich weiß jetzt, dass genau das im wirklichen Leben passieren kann und diese Darstellung total realistisch ist. Nach gefühlten Stunden, tatsächlich aber gegen 12h, kam ich im Kreissaal an, legte mich auf den Gebärstuhl und wusste, dass ich nicht wieder davon aufstehen würde, bis das Kind da ist.

Die Hebamme sah das anders, sie wollte mich nach dem Blutabnehmen noch zum Ultraschall schicken, aber ich konnte mich einfach keinen Millimeter mehr rühren. Was auch gut so war, denn wenn man mir vor der Geburt noch das per Ultraschall ermittelte genaue Gewicht des 'Kleinen' mitgeteilt hätte, hätte ich das vielleicht nicht besonders motivierend gefunden.

Statt dessen nahm sich die Hebamme netterweise die Zeit, Leo anzurufen um ihm mitzuteilen, dass ich hier schon bei der Arbeit und seine Anwesenheit dringend erforderlich sei.

(Leo: Mittlerweile in Garching angekommen packte ich noch ein paar Sachen fürs Kind ein, als das Telefon klingelte: 'Herr Braun, wo bleiben sie denn? Ihre Frau ist schon ganz fleißig bei der Arbeit!' Ich: 'Aber bei Erstgebärenden dauert es doch aber gerne mal etwas länger mit der Geburt?!' Hebamme: 'Nicht bei Ihrer Frau...' Wenige Sekunden später war ich auf dem Weg ins Krankenhaus. Natürlich nicht als hektisch-eilender werdender Vater, der in lebensgefährlichem Tempo durch den Verkehr rast. Wobei mir nicht ganz klar ist, warum an diesem Tag alle anderen so im Schneckentempo unterwegs waren?)

In der Zwischenzeit war die Hebamme so aufmerksam, mich zu fragen, ob ich gerne was gegen die Schmerzen hätte. Oh ja. Wie vermutlich jede dumme Erstgebärende wollte ich natürlich tapfer sein und nicht gleich die PDA (Hardcore-Betäubung über den Rückenmarkskanal) nehmen, sondern erstmal was Sanfteres, Intravenöses probieren. Entweder hatte die Hebamme aber das Mittel verwechselt, oder meine Schmerzresistenz ist umgekehrt proportional zu meiner Schmerzmittelresistenz. Das einzige, was sich betäubt anfühlte, waren jedenfalls meine Lippen. Drei bis vier Wehen später bestellte ich die PDA. Jetzt. Sofort!

Die Kollegen aus der Anästhesie waren auch gleich zur Stelle, brachten sogar das Gerät mit dem Bing mit, schlossen mich so gründlich daran an, dass sie mich dann erstmal wieder abstöpseln mussten – denn ich brauchte mindestens eine freie Hand, um diversen Papierkram zu unterzeichnen. Schon eine halbe Minute später konnte ich mich an keine der Risiken und Nebenwirkungen, die mir vorgelesen wurden, erinnern. Außerdem glaube ich nicht, dass meine wehenverzerrte Unterschrift meiner normalen im Entferntesten ähnelt. Für zurechnungsfähig hätte ich mich in diesem Moment auch keinesfalls gehalten. War aber alles kein Problem, denn die Strategie, die wohl einige Krankenhäuser in dem Fall verfolgen, dass die Schwangere schon mitten beim Gebären ist, wenn sie nach der PDA verlangt, ist, das Gespräch so lange hinauszuzögern, dass selbige nicht mehr sinnvoll ist. Damit sind automatisch Haftbarmachungen wegen Narkosekunstfehlern ausgeschlossen. So auch bei mir. Als ich endlich meine Unterschrift hingekrakelt hatte, setzte gerade die erste Presswehe ein, und die Hebamme schickte ihre Kollegen unverrichteter Dinge wieder weg, egal, wie fest ich mich an das Gerät mit dem Bing krallte.

Zum Glück war Leo inzwischen eingetroffen, so dass ich mich statt dessen an ihm festhalten konnte. Auch wenn ich kaum noch Kraft hatte, irgendwas festzuhalten. Presswehen fühlen sich in etwa so an wie eine Autoschrottpresse, die in einem drin ganz von selber ihre Arbeit tut, ohne dass man das groß beeinflussen kann. Was man allerdings tun kann, ist schreien. Oder vielmehr so eine unirdische Mischung aus Stöhnen und Grunzen von sich geben, die jeden Tontechniker auf der Suche nach neuen Sounds für einen Monsterfilm hellauf begeistern würde. Ist viel besser als die Atemübungen aus dem Geburtsvorbereitungskurs. Und macht einen, zusammen mit einem hochroten Kopf, einem dicken Hals und einem schmerzverzerrter Grimasse für den eigenen Mann so attraktiv, dass der nicht mal von unten bei der Geburt zugucken muss, damit ihm jegliche Lust auf Sex auf Jahre vergeht – ein Blick in mein Gesicht hat vermutlich völlig gereicht.

(Leo: Tanja hat ja keine Ahnung. Während ich hartgesottener Rechtsmediziner mit weichen Knien ihre Hand hielt, hat sie die Geburt (soweit es halt in dieser stressig-schmerzhaften Situation geht) total souverän durchgestanden. In den Wehenpausen konnte sie sich sogar mit dem Gynäkologen und der Hebamme über die relative Größe von Tierbabys im Vergleich zum erwachsenen Tier unterhalten, was zum sofortigen Wunsch führte, ein Eisbär zu sein).

Nicht, dass ich das jetzt schon testen könnte. (Das mit dem Sex, nicht das Eisbär-Sein.) Denn mein liebes Söhnchen steckte zwar seinen Kopf völlig problemlos in diese Welt hinaus, befand aber dann, dass Mami die Zeit, in der sie schmerzhaft getreten wurde, nicht so schnell vergessen sollte, machte deswegen seine Schultern möglichst breit und zerriss damit soviel Gewebe, wie er nur konnte. Was zur Folge hatte, dass ich noch stundenlang genäht werden musste, während der Kleine auf meiner Brust (eigentlich auf meinem T-Shirt – zum Ausziehen war keine Zeit gewesen) lag, herzerweichend niedlich war und unschuldig "Häh? Häääh?" sagte.

Ja. Und dann waren wir auf einmal Eltern. Und das ist, Hormone hin oder her, trotz all der Schmerzen, der vergangenen wie der darauffolgenden, trotz Sorgen und schlafloser Nächte, irgendwie ganz wundervoll.

16 Dezember 2009

Psst...

... ganz leise!

Es ist dunkel, draußen reflektiert der Schnee winternachtlichtig die Helligkeit aus den Fenstern und ein paar Schneeflocken tanzen unter den Straßenlaternen. Drinnen leuchtet nur der Laptop-Monitor. Alles ist geradezu haarsträubend weihnachtlich-winterlich friedlich und ruhig. Alles was man hört, sind regelmässige Atemgeräusche. Tiefe und langsame von Tanja, schnelle und von zufriedenen Seufzern interpunktierte von Junior sowie knauzig-schnarfelnde von Mu und Kodama. Alle vier liegen erschossen von der Aufregung der letzten Tage und Nächte im Bett und schlafen tief und fest. So süß und friedlich...

... zumindest bis zur nächsten Milchmahlzeit ;)

Euer Leo (sen.)

15 Dezember 2009

Da isser

Hallo. Ich heiße Leonard Albert Braun. Am 9.12.09 bin ich als vorzeitige Weihnachtsüberraschung für meine Eltern auf die Welt gekommen. Ganze 14 Tage zu früh, wenn man dem Kalender glaubt. Keine Minute zu früh, wenn man meiner Mama glaubt, die heilfroh ist, dass ich schon mit 3790 g gekommen bin und nicht versucht habe, die 4000er-Marke zu knacken, was locker hätte passieren können, wenn ich bis Weihnachten gewartet hätte. So bin ich kein dicker Festagsbraten, sondern nur ein kleiner Satansbraten geworden, der seine Eltern von abends bis morgens auf Trab hält. Deswegen schreibe ich jetzt auch, Mama und Papa haben keine Zeit. Ich soll mich aber in ihrem Namen für all die vielen lieben Geschenke, Karten, Anrufe, Besuche und fürs Daumendrücken während der blitzschnellen unter-3-Stunden-Geburt bedanken. Und jetzt muss ich weg - hab das Gefühl, Mama will schon wieder stillen...

P.S. Weitere Neuigkeiten folgen, wenn Mama wieder einigermaßen schmerzfrei sitzen kann.

09 Dezember 2009

Noch ein ganz normaler Tag, oder auch: Waaaaaaahhh!

Heute morgen aufgewacht. In Gedanken den Tag geplant: Bei der Krankenkasse anrufen, endlich meinen Kunden Bescheid sagen, dass sie nach Weihnachten nicht mit mir rechnen sollen, ein paar dringend überfällige Emails schreiben, und es ansonsten ganz langsam angehen lassen.
Dann festgestellt, dass ich irgendwie zu feucht liege. Da wir kein Wasserbett haben und die Katzen i.d.R. relativ stubenrein sind, hat mich das erstmal reichlich überrascht. Nach dem Aufstehen - falscher Fehler! - erkannt, dass ich die Quelle des ganzen bin. Das kann doch jetzt nicht sein?!
Leo angerufen.
Klinik angerufen. Die wollen mich - obwohl ich noch keine Wehen habe - gleich sehen. Ich soll duschen und frühstücken, und dann ganz gemütlich reinkommen.
Gemütlich!?!?
Aber ich hab noch so viel zu erledigen!
Ok, beschränken auf die Basics: Die Kliniktasche mit Zahnbürste etc. vervollständigen.
Adressliste ausdrucken, schließlich weiß ich nicht, ob ich im Krankenhaus das Handy verwenden darf. Ist das Handy aufgeladen? Wo ist das Sch...-Ladegerät? Haben die Katzen noch frisches Wasser? Kamera einstecken. Und dann schnell noch die Mail an meine Kunden verschicken, die ich zum Glück schon vorformuliert habe.
Wenn der Computer schon an ist, kann ich ja auch gleich noch schnell einen Blogeintrag schreiben. Und eigentlich wollte ich doch noch eine CD brennen für den Kreissaal...
Und dann sitze ich hier und schaue mir an, wie sich die Sonnenstrahlen in den Wassertropfen auf der Fensterscheibe brechen und muss daran denken, wie das alles vor fast 10 Jahren begann...
Und dann wird mir plötzlich sehr eindrucksvoll demonstriert, warum Wehen Wehen heißen - auaaaa! - und ich muss los!
Wünscht uns Glück!

04 Dezember 2009

A day in the life

Vielleicht bin ich schon zu alt, aber ich hab den Sinn von Twitter nie ganz verstanden. Warum genau muss man minutenaktuell veröffentlichen, dass man grade im Supermarkt an der Kasse steht oder ähnliches? Alltag schön und gut, aber kann man den virtuellen Raum nicht statt dessen besser mit was Interessantem füllen? Wahrscheinlich sollte ich mich einfach mal näher mit dem Medium befassen. Denn heute habe ich laufend das akute Bedürfnis, meine 'Alltäglichkeiten' mitzuteilen. Weil sie mir einfach zu absurd vorkommen. Wie sieht also ein typischer Vorweihnachtstag im Leben der Familie B. aus?
Nach einem frühmorgendlichen Besuch beim Psychotherapeuten wird Tanja von Leo zum Weihnachtseinkaufen abgeholt, wovon allerdings ein großer Teil von der Auswahl passender Windeln eingenommen wird. Nachmittags sitzen wir dann gemütlich beisammen und genießen die idyllische Adventszeit: Der Computer spielt Musik von einem Sänger, der vor Jahren seine Frau erschlagen hat, Leo erschlägt ein paar Zombies und Tanja bastelt (wie immer etwas verspätet) einen Adventskranz, den sie (wie immer) mit Tannenzapfen, Zimtstangen, Mistelzweigen und Schweineknochen dekoriert.
Dazu kann man wohl nur David Lynch zitieren: "The world is wild at heart and something weird on top."
Und vielleicht, nur ganz vielleicht, ist das ja gar nicht immer ganz so schlecht.

03 Dezember 2009

Kind mit Persönlichkeit

Es weihnachtet immer noch => Vorsicht, mehr Dichterei!
Aus aktuellem Anlass diesmal, um euch zu berichten, was unser liebes Kind ("mit Persönlichkeit" = eigensinniger kleiner Tunichtgut) tut, wenn wir beim Arzt versuchen, seine Herztöne aufzuzeichnen:

Ich spür es, wenn du kickst
Ich wach auf, wenn du hickst
Ich merke jeden Tritt
aber ich hör dich nicht

Auf meinem Bauch das CTG
Kind, das tut doch nicht wirklich weh
Lass doch einfach nur mal hören, wie’s dir da drinnen denn so geht

Wenn du dich wegdrehen willst
Das hilft doch wirklich keinem
Und wenn du nach dem Mikro trittst
Hören wir nur deine Beine

Oh bitte gib mir deinen Puls
Bitte gib mir deinen Oh
Bitte gib mir deinen
Bitte bitte gib mir deinen Puls

Es ist verrückt wie schön du schweigst
Wie du dich biegst und drehst und beugst
Und so der ganzen lauten Welt und mir den Mittelfinger zeigst

Dein Herzschlag ist geheim
In dich schaut keiner so leicht rein
Du drehst dich weg und grinst nur stumm, wenn die Sprechstundenhilfe weint

Von deinen Füssen bin ich
grün und blau geschlagen
Nur wie dein Herzschlag klingt, das willst
du mir partout nicht sagen

Oh bitte gib mir deinen Puls

Auf meinem Bauch wirft
das Kontaktgel schon mal Blasen
doch du willst uns nicht zuhören lassen
Das wurmt mich so dermaßen!

Oh bitte gib mir deinen Puls
Bitte gib mir deinen Oh
Bitte gib mir deinen
Bitte bitte gib mir deinen Puls

Eigentlich sollte ich versuchen, das noch vor der Geburt aufzunehmen und dann im Kreissaal zum allgemeinen Amüsement des Personals abzuspielen.
Aber ob das noch was wird... Der Arzt meinte heute, der Muttermund sei schon zwei Zentimeter geöffnet (ich weiß, tmi, aber da müsst ihr jetzt durch), und es würde ihn nicht wundern, wenn das Kind innerhalb der nächsten drei Tage schon kommt. Könnte aber auch sein, dass es noch zwei Wochen oder mehr dauert.
Wenn wir doch noch bis zum Spielewochenende durchhalten, wird's dort (neben sauberen Tüchern und heißem Wasser) einen Buchmacher geben, bei dem ihr auf den genauen Geburtstermin wetten könnt. :)

25 November 2009

Ungeduld

Es weihnachtet, daher fühle ich mich dichterisch.
Deswegen bekommt ihr jetzt einige wirkungslose Rezepte, die leider entgegen hartnäckiger Gerüchte bis jetzt keine Wehen bei mir ausgelöst haben, in Reimform. Zweideutigkeiten am Ende voll beabsichtigt.

Nelken, Zimt und Kardamom
Ich backe Weihnachtsplätzchen.
Liebes Kindlein, bitte komm,
ich hab sie satt, die Mätzchen.

Chili, Curry, Wasabi
beschleunigen die Wehen,
Liebes Kind, kommst Du denn nie?
Wie lang soll das noch gehen?

Treppensteigen, fleißig sein,
Ich sitze wie auf Kohlen!
Muss Papa denn persönlich rein
-kommen, Dich zu holen?

02 November 2009

Dem Leben (zu) nahe

Wenn man diese Überschrift liest, denkt man vielleicht als erstes, dass ich das Rollenspiel, auf dem wir am Wochenende waren, zu realistisch fand (was nicht der Fall war). Der Titel soll eine Abwandlung von 'dem Tode nahe' sein. Was mich jetzt literarisch völlig disqualifiziert, weil Wortspiele/Anspielungen, die man erst erklären muss, nicht als solche funktionieren. Aber ein Zweck dieses Blos ist ja, dass ihr mich richtig versteht. Oder, aber das sag ich euch nicht, dass ich mich selbst richtig verstehe.
Und momentan gelingt mir das nicht recht, also schreibe ich jetzt so lange drauflos, bis ich mir klarer werde.
Am Samstag haben wir (am Rande des Rollenspiels) in einem hohlen Baum drei winzige Katzenjunge entdeckt. Da war's schon recht kalt, aber sie wuselten noch ganz munter in ihrer Höhle rum, so dass ich, vernünftiger, kindchenschema-resistenter Mensch, der ich bin, mir dachte, die Natur wird schon wissen, was sie tut, lassen wir sie einfach mal in Ruhe, Katzenmutter ist sicher bald wieder da.
Am Sonntag morgen machte mich eine Mitspielerin (nur Zufall, dass es sich ebenfalls um eine Schwangere handelt?) darauf aufmerksam, dass eins der Kleinen fehlte und die Katzen nicht mehr wirklich fit wirkten. In der Nacht hatte es immerhin -5 Grad gehabt. Von der Katzenmamma offenbar keine Spur. Also schauen wir halt mal hin. Wenn ein anderer einen auffordert, hat man ja quasi eine Ausrede, seinen unangebrachten Fremdspeziesmuttergefühlen nachzugeben.
Die zwei Kätzchen liegen leblos in ihrer Höhle. Der eine sieht schon ganz steif aus, das Fell ist verklebt, als ich ihn rausnehmen will, ist er ganz kalt. Ich hab schon geholfen, tote Menschen rumzuheben, aber tote Tierbabys sind dann doch irgendwie zu viel. Ich versuche, das tote Kätzchen mit einem Stock beiseite zu schieben, um an sein kläglich maunzendes Geschwisterchen ranzukommen. Da gibt es dann doch tatsächlich noch ein Geräusch von sich. Also schnappen wir uns die zwei und tragen sie so schnell wie möglich rein ans warme Feuer.
Und dann sitzen wir da und versuchen, die Kleinen wieder ins Leben zurückzuholen. Einer macht ab und zu die Augen auf und maunzt. Der andere liegt nur da und ist kalt. So kalt, dass seine Flöhe die Wärme meiner Haut vorziehen und fluchtartig den Wirt wechseln. Ich schere mich nicht darum, denn die Situation ist mir schon unter die Haut gekrochen. Ich sitze da und halte zwei Wesen im Arm, eines krallt sich am Leben fest, das andere wartet reglos auf den Tod, und ich bin genauso hilflos wie die beiden, kann nichts tun außer warm sein und von ganzem Herzen hoffen. Kann ich? Wann habe ich zuletzt etwas von ganzem Herzen getan?
Zu lange her und viel zu gefährlich. Also sitze ich nur da und bin warm. Und erleichtert, als der Aktivere von beiden sich endlich mit einer Spritze voller Sahne-Wasser-Gemisch füttern lässt. Auf mir rumkrabbelt und nach mehr schreit und mich voller Begeisterung in Handflächen, Hals und Ohr beißt. Er hat's geschafft. Der andere liegt immer noch da und atmet flach und ist kalt.
Wo der dritte wohl ist? Wir haben ihn in der Umgebung der Höhle gesucht, aber nicht gefunden. Wenn er nur rausgekrabbelt wäre, hätte er es in der Kälte wohl nicht lange gemacht und wäre irgendwo in der Nähe gestorben. Vielleicht hat ihn ein anderes Tier gefressen? Oder die Mutter hat versucht, wenigstens eines ihrer Jungen ins Warme zu bringen? Ich versuche, mich von dieser albernen Hoffnung abzubringen, indem ich mir vor Augen halte, dass zu dieser Jahreszeit kein vernünftiger Mensch irgendwo eine Tür oder ein Fenster offenstehen lässt, und dass andere warme Orte als Häuser in dieser Gegend wohl nicht verfügbar sind.
Statt dessen massiere ich dem schwächeren der beiden Überlebenden lieber die Pfötchen und Ohren, um die Durchblutung anzuregen. Und endlich, nach über einer Stunde, reagiert auch er mit Schluckbewegungen auf unsere Spritzenfütterung, anstatt alles einfach wieder aus dem Mäulchen herauslaufen zu lassen. Öffnet Minuten später die Augen und krächzt kläglich nach Nachschub.
Und schließlich schlafen sie beide erschöpft und warm auf meinem Bauch und ich weiß, dass das Schlimmste überstanden ist.
Ist es?
Klar, die beiden Kätzchen werden überleben, wenn sie nicht noch an etwas anderem als Unterernährung und Unterkühlung leiden.
Und ich?
Die Zeit meiner eigenen emotionalen Unterernährung und Unterkühlung scheint überwunden. Aber in dieser Situation, wo alles auf einige wenige, essentielle Fragen reduziert wird - warm oder kalt, fressen oder nicht, Leben oder Tod - wird mir bewusst, dass ein sehr großer, sehr dominanter Teil von mir damals, als ich hungerte und fror, beschlossen hat, mich nie wieder Hunger und Kälte spüren zu lassen. Die entsprechenden Sensoren abgeschaltet hat. Mit allen Konsequenzen und Nebenwirkungen. Ohne Kälte kein Aufwärmen, ohne Hunger kein Durst nach Leben. Locked-out-Syndrom - alles funktioniert an der Oberfläche noch, nur innerlich nicht mehr, das dafür aber bei vollem Bewusstsein.
Und jetzt sitze ich hier an der Grenze zwischen Leben und Tod, und auch wenn es nur zwei kleine Kätzchen sind, kann ich nicht anders als bewegt sein und mit-fühlen.
Und kann es doch nicht. Weil es nicht zu ertragen ist. Selbst als klar wird, dass die beiden überleben, ist das Potential an möglichen Gefühlen, das da draußen lauert, zu beängstigend, als dass ich ihnen die Tür öffnen könnte. So sehr ich es auch will.
Also setze ich die Kätzchen irgendwann in eine Kiste, überlasse sie anderen fähigen Händen und versuche, nicht mehr an sie zu denken, auch wenn sie und dieses Un-Gefühl mich nicht loslassen. Und frage mich, wo ich die nächste Nahtoderfahrung herbekomme, um diese Übung, vielleicht etwas erfolgreicher, wiederholen zu können.

P.S. Wenn jetzt irgendwer schreibt 'Wenn das Kind erstmal da ist, wird das schon', bewerfe ich ihn mit toter Katze (von der wir, wie hinlänglich bekannt ist, noch einen Vorrat im Schrank haben).

22 Oktober 2009

Mein Hirn, das unbekannte Wesen

Heute Nacht habe ich geträumt, ich wäre mitten in einen Schwarm Schmetterlinge geraten. Das meinte mein Unterbewusstsein aber nicht als Hinweis auf meine zarte, wunderschöne Seele oder so'n Kram, sondern als Warnsignal: Ich lag zu lange auf der falschen Seite, und da kann es in der Schwangerschaft passieren, dass eine Vene eingeklemmt wird und die Blutversorgung des Gehirns nicht mehr richtig funktioniert. Dies wiederum liegt nicht im Interesse aller Beteiligten (Hirn, Unterbewusstsein, Kind und Mutter) und erfordert zügige Notfallmaßnahmen, aka Umdrehen. Dazu muss ich in meinem Zustand aber mittlerweile halbwegs wach werden, weil meine überstrapazierten Bauchmuskeln es mir nicht mehr ermöglichen, mich einfach nur zu wenden, nein, ich muss mich aufsetzen, umdrehen und diverse Kissen und Decken in neue Positionen stopfen. Eine liebevolle Hebamme hat in einem schlauen Babybuch dazu geschrieben, es sei doch wundervoll, dass das Baby einen schon mal so rücksichtsvoll auf die Zeit nach seiner Geburt vorbereitet. Ich fürchte, sie hat das nicht mal so ironisch gemeint, wie das bei mir klingt.
Immerhin habe ich mittlerweile schon einige Übung im Schnell-Wieder-Einschlafen. Nur so kann ich mir erklären, dass ich diese Gleichgewichts-Schwindelig-Sache sofort in meinen nächsten Traum einbaute. Und versuchte, das Problem auf logische Weise zu lösen. Gleichgewicht, so dachte sich mein schlaues Hirn, hat doch was mit Schwerkraft zu tun. Könnte man dieses lästige Problem also aus der Welt schaffen, wenn man die Schwerkraft irgendwie verändert? Experimentierlustig baute ich in unser Universum daraufhin ein neues Sternensystem ein, auf dass sich die Verhältnisse hier ändern sollten, um es werdenden Müttern zu erleichtern, wenigstens vor der Geburt noch nachts durchzuschlafen. Das ganze natürlich von der Brücke eines coolen Raumschiffs aus, schließlich ist mein Hirn nicht doof und weiß auch im Schlaf, dass man nicht einfach so ins Weltall rausspazieren und neue Sterne basteln kann, sondern dazu schon die richtige Spezialausrüstung benötigt. Danach war alles gut und ich schlief tief und fest, bis der Wecker klingelte.
Irgendwo habe ich neulich gelesen, dass das Gehirn einer Schwangeren durchschnittlich um 4% kleiner ist als das einer Nichtschwangeren. Verschiedene Indizien lassen mich allerdings glauben, dass das ein Tippfehler war, und es in Wirklichkeit 40% sind. Und dass diese Vene eigentlich ständig eingeklemmt ist, so dass der klägliche Rest davon die meiste Zeit kaum mit Sauerstoff versorgt wird. Nur dass tagsüber keine Schmetterlinge da sind zum Warnen...

12 Oktober 2009

This is your child

Aus gegebenem Anlass eine leicht umgedichteter Liedtext zum objektiven Wahnsinn. Original zum dazu Anhören findet sich hier.

and you open the door and you step inside
we're inside our bellies
now imagine your child is a white ball of healing light
that's right, feel your child, the child itself,
is a white ball of healing light

i don't think so

this is your child
and all that makes him special is your love
he is no tool for your success
this is his life, and it's gonna be
just as screwed up as yours
this isn't a prize contest
and this isn't emergency rule
where you are now, you can't even imagine
what breastfeeding will be like

only with a diaper
can we be useful parents
it's only after you've let him go
that he’s free to love you truly

nothing is by the book,
everything is chaotic,
everything is just like real life

he may be a beautiful and unique snowflake
but he is the same flawed human being as everyone else
we are all a part of the same compost heap
we are the all-singing, all-dancing crap of the world
he is not your saviour,
he is not the clothes he wears
he is not his chinese-speaking nanny
he is not his kindergarten
he is not your folic acid
he is not your water birth
he is not his fucking buggy

you have to give birth

you have to realize that he is just a child,
until you know that you are useless
i say let him never be complete
i say may he never be content
i say deliver me from children’s yoga class
i say deliver me from prodigies
i say deliver me from ritalin and parenting guidebooks
i say you have to give birth, let him evolve
and let the chips fall where they may

i just want to love him as hard as i can

welcome to parenthood
if this is your first child
you have to fight

07 Oktober 2009

Der objektive Wahnsinn

Das ist ein Ausdruck, den mein Therapeut gebraucht, um die Haltung unserer zivilisierten Welt zum Thema Kinderkriegen und Elternsein zu beschreiben. Neben meinen subjektiven Schwangerschaftsbeschwerden und -ängsten nervt mich der schon lange (weder der Therapeut noch der Ausdruck, sondern der Wahnsinn). Und gleichzeitig kann ich mich ihm doch nicht ganz entziehen.
Neulich habe ich beschlossen, mich mal so richtig aktiv und bewusst auf unser Baby zu freuen, indem ich mit Leo einen Einkaufsausflug unternehme, bei dem wir hemmungslos alles besorgen, was wir fürs Baby brauchen könnten oder auch nicht. Und just gestern, auf der Heimfahrt vom Geburtsklinik-Infoabend (mehr Wahnsinn), fiel uns ein Plakat für eine Babymesse auf.
Nachdem der Besuch einer Hochzeitsmesse vor ein paar Jahren schon durchschlagende Erfolge gebracht hat (=Leo hat sich günstige Schuhe gekauft und ich habe konventionell-langweilige Hochzeiten by the book noch abschreckender gefunden als schon vorher), überlegen wir uns tatsächlich, die Einkaufstour auf diese Messe zu verlegen. Und jetzt gucke ich mir deren Homepage an.
Da kann man sich zu Seminaren wie "Jetzt können auch schon Babys riestern" anmelden, oder lernen, wie man sein Kind mithilfe einer Spielkonsole zu mehr Sport motiviert (ob ich die Wiege einfach auf das Balance Board stellen sollte?) oder Rückenschmerzen und Ängest mit Chakrablütenessenz bekämpft. Was immer letzteres sein mag. Außerdem kann man Still-Lounges und Wickeloasen besuchen und sein Baby für das Cover einer Elternzeitschrift fotografieren, Verzeihung, shooten lassen. Wie die angekündigte Modenschau abläuft, will ich mir gar nicht erst vorstellen. Rollen knochendürre Models die aufgestylten Babys im Markenkinderwagen auf den Laufsteg, heben sie zur Begutachtung raus und staksen dann mit ihnen im dramatischen Bruce-Schritt davon?
Ihr seht, mein Einkaufsvorsatz gerät bereits ins Wanken.
Vielleicht sollte ich andere Methoden in Erwägung ziehen, um mehr Vorfreude zu entwickeln? Einfach mal alles über Wassergeburt nachlesen? Ein Buch über den Einfluss der Namensgebung auf die soziale Stellung des Kindes im späteren Leben kaufen? Versuchen, auf die Warteliste des Montessori-Kindergartens zu kommen? Meine Ernährung auf genfreien Mais umstellen und aus der Nähe des Atomreaktors wegziehen?
Aaaaargh, ich will doch einfach nur ein Kind kriegen!

02 Oktober 2009

Schwangerschaftsbeschwerde(n)

So das Thema meines letzten Geburtsvorbereitungskurses. (Die Klammern sind von mir.) Die Hebamme betonte zwar immer wieder: "Wir sind nicht krank, nur schwanger", fuhr dann aber fort, zahllose Mittelchen aufzuzählen, die gegen die Symptome helfen. Sollen.
Beschwert hat sich im Kurs keiner, also muss ich das wohl an dieser Stelle nachholen: Schwangerschaft ist eine komplexe Krankheit mit einer Vielzahl an z.T. sehr befremdlichen Symptomen.
Nicht alle davon sind zwingend bekämpfenswert. Zum Beispiel finde ich es eigentlich ganz niedlich, dass das Muttermal in meinem Bauchnabel mittlerweile außerhalb von selbigem liegt. Und auch die Tatsache, dass man sich jetzt über zugelegte Kilos freuen darf, ist ja recht nett.
Andere Dinge - Dinge, vor denen einen keiner warnt - allerdings sind durchaus lästig bis nervig. Das berühmte Treten, das Mütter wie Väter ja angeblich so glücklich macht, ist keineswegs "hauchzart wie der Flügelschlag eines Schmetterlings", wie mein schlaues Buch behauptet. Manchmal kickt mich der kleine regelrecht durch die Gegend, und wenn er in die falsche Richtung tritt, fühlt sich das an wie eine Mischung aus Blasenentzündung und einem Scheidenabstrich mit einem stumpfen Haken.
Auch die Behauptung vieler ehemaliger Schwangerer, sie seien die ganze Schwangerschaft furchtbar viel Spazieren gegangen, weil sie das gebraucht hätten, halte ich für eine extreme (hormonell bedingte?) Erinnerungsverzerrung. Bei jedem Schritt, den man als werdende Mutter tut, federt das Kleine auf der Blase auf und ab. Selbst wenn man gerade auf dem Klo war und einen Schließmuskel aus Stahl hat, kann mir keine weismachen, dass sie sich mit so einem Gefühl im Bauch länger als unbedingt nötig vom nächsten Klo entfernt.
Den Gipfel der Gemeinheiten musste ich aber heute erleben, als ich im Versuch, meiner Erkältung beizukomen, beschloss, ein Bad zu nehmen. Die Hebamme hatte übrigens empfohlen, dass das eine gute Möglichkeit sei, sich zu entspannen und die Schmerzen zu lindern, wenn die Wehen einsetzen. ("Im Krankenhaus können Sie zwar auch noch Duschen, aber zu Hause in der Wanne ist es doch viel gemütlicher.") Da lag ich dann, bis zur Nasenspitze untergetaucht, und zwischen Hügeln aus Schaum erhob sich das Bergmassiv meines Bauches aus dem Wasser, das Nabel-Muttermal quasi als Parodie eines Gipfelkreuzes weithin sichtbar. Da hilft es dann auch nicht viel zu wissen, dass die Plazenta das Baby warmhält, auch wenn der Bauch die Temperatur der Zugspitze annimmt.
Also, liebe Mütter, Hebammen und Buchautoren: Etwas weniger hormonverklärte Rosa-Brillen-Sicht bitte, es wird Zeit für Realismus in der Schwangerschaft! Und für eine größere Badewanne!

15 September 2009

Hamburg - Alternative Realität

Ich sitze in der Hochbahn vom Flughafen, und entgegen der Vorhersage herrscht strahlender Sonnenschein. Alles ist grün, um mich herum die herrlichen Altbauten Eppendorfs, die Fleete, die zahllosen Brücken. Die schönste Stadt der Welt zeigt sich von ihrer besten Seite.
Und ich schaffe es, fast alle lieben Leute, die wir in unserer Zeit hier oben kennengelernt haben, wiederzutreffen. Was eigentlich in Stress ausarten könnte, aber irgendwie fühlt es sich nicht so an. Hamburg ist sonnig, locker und entspannt.
Als ich zwischen zwei Verabredungen tatsächlich mal 5 Minuten Pause habe, setze ich mich an die Alster und schaue den Ausflugsbooten beim Ablegen zu. Und breche beim Klang der Schiffshörner spontan in Tränen aus. Denn es hätte alles so schön sein können.
Aber die Umstände, auf die wir in dieser Stadt getroffen sind, haben mich bis weit über meine Grenzen hinaus belastet, meine psychische Gesundheit ruiniert, meine Beziehung gefährdet und mir das Herz zerrissen. Das hat nichts mit Hamburg an sich zu tun. Es einfach nur Pech zu nennen, verleiht dem Ganzen eine Profanität, die der Dramatik meiner Gefühle nicht angemessen scheint. Aber genau das war es wohl. Pech.
Ich wische mir die Tränen weg, verabschiede mich mental von den Alsterdampfern und breche auf. Zeit, noch ein paar weitere Leute zu treffen, die mir, wie schon so viele an dem Wochenende, bestätigen: Es hätte alles so schön sein können.

Gemühsam

Korrekturlesen ist einer der langweiligeren Teile meiner Arbeit. Es gibt weniger Geld als fürs Übersetzen, die kreative Arbeit hat jemand anders gemacht, und manchmal muss man um fünf Ecken denken, um die Fehler des Vorgängers zu verstehen. Pluspunkt: Ich kann meine Grammar-N*zi-Veranlagung ausleben. Weiterer Pluspunkt: Die kreativen Tippfehler mancher Übersetzer.
Zuletzt durfte ich eine Menge Kochrezepte korrekturlesen, und worüber ich da gestolpert bin, würde Freud hellauf begeistern.
Relativ weit unten im Text zum Beispiel signalisierte mir mein Vorgänger mit dem Wort Gemühse, dass er so langsam erschöpft sei und genug von langen Listen mit Ingredenzien hatte, die er als Zutanten übersetzte, wobei er wohl an unliebsame Verwandschaft dachte. Irgendwann beschloss er, die Sache zu vereinfachen und wenigstens die Basics, die sich sowieso jeder denken kann - Salz und Pfeffer - in vielen Rezepten schlicht wegzulassen. Da machte ihm aber wohl sein schlechtes Gewissen einen Strich durch die Rechnung, denn das gelegentlich vorkommende sea salt übersetzte er im folgenden Text mit Mehrsalz. Nach knapp 300 Rezepten jedoch hatte er endgültig genug, oder jedenfalls sein Unterbewusstsein, das ihm, wohl in der Hoffnung, die Sache zu beschleunigen, diktierte: mit Mehr bestreuen.
Wer meinen letzten Kuchenversuch, aka Zuckerauflauf probiert hat, weiß, dass das ein Grundsatz ist, nach dem auch ich gerne koche.

28 August 2009

Ganz offene Schleichwerbung

Und außerdem wollte ich der geneigten Leserschaft noch mitteilen:
Ich habe das Sommerloch dazu genutzt, endlich mal meine berufliche Website fertig zu machen.
Das schicke Design stammt von Markus W. - herzlichen Dank nochmal!
Jetzt kann ich nur hoffen, dass alle die Seite toll finden und mich mit Aufträgen überschütten...
Um ein Feedback eurerseits bin ich natürlich auch ohne Auftrag sehr dankbar!
Hier findet ihr das gute Stück: www.feeltheword.de

Junge heißen Boy

Dieser grammatikalisch erleuchtete Ausspruch stammt nicht aus einer Übersetzungsmaschine, sondern von Johnny Weismüller aus dem Film "Tarzan und sein Sohn". Unschwer zu erraten, dass es dabei um die Diskussion geht, wie er und Jane ihr Kind nennen wollen. Trotz bestechender Logik können wir uns aber zu einem schlichten "Boy Braun" noch nicht ganz durchringen. Alternativen werden immer noch fleißig recherchiert.
Allerdings schlug heute Nacht die Inspiration zu: Nachdem ich mich zum 325. Mal umgedreht hatte, weil das Kind einfach keine Ruhe gab und mit keiner Schlafposition zufrieden war, wurde mir klar, dass es nur einen möglichen Namen geben kann. Der Kleine bringt mich zum Rotieren wie ein Döner am Spieß, also heißt der neue Arbeitstitel ab sofort: Dönertier.

P.S. An mein liebes unruhiges Kind: Ja, das ist eine Form von Rache. Den Spitznamen musst du erstmal wieder loswerden.

14 August 2009

Alive and kicking

Keine Ahnung, woher diese Redewendung (alive and kicking = quicklebendig) etymologisch tatsächlich herkommt. Aber passend zum Gefüge meiner zahlreichen "Tanja erklärt die Welt"-Theorien (habe ich dazu schon mal was geschrieben?) und in Übereinstimmung mit meinen derzeitigen Erfahrungen kann dieser Ausdruck eigentlich nur eins sein: die Antwort auf die Frage "How's the baby?"
Unser kleiner Knödel (nein, wir haben noch keinen Namen) ist mittlerweile voll mit Armen, Beinen und der Fähigkeit, sie einzusetzen, ausgestattet und macht fröhlich Gebrauch davon. Oft so heftig, dass Leo das von außen spürt, wenn er mir die Hand auf den Bauch legt - laut Aussage des Frauenarztes vier Wochen zu früh! Vor allem früh morgens und spät abends scheint der Kleine voller Aktivität zu stecken. Und heute Nacht hat er gefühlt alle 10 Minuten darauf bestanden, dass ich die Position wechsle.
Mittlerweile fühle ich mich wie ein zu klein geratenes Aquarium mit einem riesigen Fisch drin.
Bleibt nur zu hoffen, dass das ganze Rumgewusle unseren Kleinen so erschöpft, dass er nach der Geburt einfach jede Nacht durchschläft... Sweet dreams... ;)

08 August 2009

Das Volk hat gesprochen

Und dabei ziemlich genau die statistische Normalverteilung erwischt - wenn ich mich richtig erinnere, werden etwas mehr Mädchen geboren als Jungen.
Allein, unser Kind scheint kein demokratisches Gen im Leib zu haben, denn es hat beschlossen, als Junge in diese Welt zu kommen. Was ich aus verschiedenen Gründen ganz gut finde:
- Offenbar schert sich das Kleine nicht darum, was andere denken oder von ihm erwarten. Damit hat es seinen Eltern etwas voraus. Das mit der Demokratie kriegen wir schon irgendwie hinerzogen, der Rest kann so bleiben.
- Ich muss aller Voraussicht nach nicht mit Barbies und rosa Glitzereinhörnern spielen. Pfuh!
- Seine kleine (noch in Langzeitplanung befindliche) Schwester wird das taffste Mädel der Welt, mit einem großen Bruder und drei älteren Cousins...
Einziger Wermutstropfen: Vornamen für Männer sind viel schwieriger zu finden als für Frauen. Denn obwohl 'Kotzknödel' männlich ist, habe ich mittlerweile meine Zweifel, ob der Standesbeamte uns das durchgehen lassen wird. Also heißt es die nächsten paar Monate, Listen mit Krankheitserregern, äh, will sagen, Vornamen zu studieren. Irgendwas Klangvolles, Cooles, Niedliches, nicht zu Altmodisches, nicht zu Modisches, nicht zu Peinliches wird sich doch finden lassen...