Seit ich das letzte Mal arbeitslos war (2004), hat sich beim Arbeitsamt so einiges verändert. Die nennen sich jetzt Agentur, haben einen mit tatsächlichen lebenden Mitarbeitern besetzten Empfangstresen, einen neuen Teppich, und viel viel mehr Papier.
Ok, um der Gerechtigkeit genüge zu tun: es scheint sich wirklich was verbessert zu haben. Bevor man ein Gespräch mit seinem Vermittler hat, muss man erstmal vollständige Bewerbungsunterlagen abgeben. Damals musste ich nur eine Seite Fragebogen ausfüllen, auf dem so Sachen wie Erscheinungsbild und Denkvermögen (mit den Antwortmöglichkeiten ja oder nein) aufgeführt waren. Zumindest wird also differenzierter mit der Qualifikation der Bewerber umgegangen. Und man kann auf dem vierseitigen Fragebogen, den man zusätzlich zu den Bewerbungsunterlagen abgeben muss, auch noch spezielle Fragestellungen angeben, die man mit dem Vermittler besprechen möchte. Das klingt echt nach ziemlich gutem Service. Wenn der Vermittler a) den Fragebogen auch durchlesen und sich entsprechend vorbereiten würde, b) nicht 90% des Gesprächs damit verbringen müsste, meine Daten in den Computer zu hacken und c) er bereit wäre, über die Probleme zu sprechen, die beim Bewerben auf mich zukommen werden. Statt dessen hat er mich die ganze Zeit nur ermutigt, ich solle mich doch auf meine Stärken konzentrieren.
Im Prinzip ja nett, aber ich fühlte mich, als wäre ich wegen Rückenschmerzen zum Arzt gegangen, und der hätte mir erzählt, ich solle mich doch lieber freuen, dass meine Zähne so wunderbar in Ordnung seien.
In Übereinstimmung mit dem, was ich in der Therapie gelernt habe, habe ich das nicht einfach runtergeschluckt, sondern nochmal angesprochen, dass ich gerne etwas mehr Beratung hätte, weil ich nicht weiß, wie ich mein Krankheitsjahr in einer Bewerbung formulieren soll. Was den Mann doch tatsächlich zu der Aussage verleitete, das würde er auch gern wissen, ich solle doch mal ein Bewerbungsschreiben zum nächsten Termin (im März!) mitbringen, damit er sehen kann, was mir eingefallen ist. Ich weiß nicht, was mein Gesicht in dem Moment ausdrückte, aber er fügte dann noch ganz schnell hinzu, dass er gerne was mit mir zusammen formulieren würde, wenn er noch 'ne halbe Stunde länger Zeit hätte.
Tja, dann warten wir mal beide gespannt, was mir so einfällt. Kreative Vorschläge eurerseits sind jederzeit willkommen.
Und weil ich eine Zielvereinbarung unterschreiben musste, in der steht, dass ich alle möglichen und denkbaren Kanäle zur Stellensuche nutzen muss, fange ich gleich mal an: Wenn jemand von euch zufällig von einer freien Stelle erfährt, möglichst halbtags, natürlich hier in Hamburg, am besten irgendwelche Sekretariatsarbeiten o.ä., nur nicht zu anspruchsvoll, und keinesfalls in einer Werbeagentur - sagt Bescheid!
10 Kommentare:
Liebe Tanja,
auch ich habe im Frühjahr die all-new all-improved Agentur für Arbeit kennenlernen dürfen, als unklar war, ob meine freie in eine festangestellte Tätigkeit übergehen würde. Ich sage nur: McKinsey ... Seither gibt es kein Amt mehr, sondern die "Agentur"; keine "Arbeitslosen" mehr, sondern "Kunden". Die Vorstellung ist etwas irritierend; soll man sich aufgewertet fühlen, spricht daraus der neue Servicegedanke der Arbeitsvermittler? Oder ist das nur wieder ein Werberbegriff (der Raider-Twix-Effekt: "sonst ändert sich nix"), eine Schutzbezeichnung, ein Euphemismus á la Schutzhaft? Oder einfach McKinseys Versuch, krampfhaft dem alten Arbeitsamt einen neuen Anstrich zu verliehen? Hm.
Warum Kunden? Arbeitsagenturen verkaufen nichts, Arbeitslose kaufen dort weder Produkte noch Dienstleistungen; es gibt auch keinen „Arbeitslosigkeitsmarkt“. Arbeitslos ist man ja, weil niemand auf dem Arbeitsmarkt die eigene Arbeitskraft kauft (aus welchen Gründen auch immer).
Noch interessanter wird ja die Einteilung in Kundengruppen:
(1) Kunden mit Marktprofil:
bei ihnen besteht kein Handlungsbedarf, sie sind qualifiziert und motiviert, der Arbeitsberater erzählt ein paar lustige Anekdoten und schiebt einen mit einem ermunternden Schulterklopfen Richtung Tür.
(2) Kunden mit Beratungsprofil „Fordern“:
diese Leutchen machen auch nicht viel Arbeit, bei ihnen hakt's nur ein wenig an der Einstellung oder Motivation auf oder der Arbeitsmarkt ist für sie gerade ungünstig. Der Berater gibt ein paar Tipps, wie man die Arbeitssuche etwas anders gestalten kann, und sagt möglichst überzeugend: "Sie schaffen das schon, Sie müssen aber auch was dafür tun!".
(3) Kunden mit Beratungsprofil „Fördern“:
diese Leute sind noch nicht da, wo sie hinwollen in Sachen Jobprofil, d.h. sie brauchen einen Schubser im Bereich Qualifikation / Fähigkeiten. Nach Verschreibung einiger Fortbildungs- oder Selbstentwicklungskurse sind auch sie versorgt.
(4) Kunden mit Betreuungsprofil:
Das sind mehr die Problembären, die kaum oder nicht vermittelbar sind. Weder ein Tritt in den Hintern noch ein Hilfe-zur-Selbsthilfe-Kurs bringt hier etwas. Da wird beraten und betreut und Kunde / Berater entwickeln mit den Jahren ein fast familiäres Verhältnis.
So in etwa hat es mir mein Berater damals erklärt. Dann hat er mir noch gesagt, dass ich pro Bewerbung 5 EUR von der Agentur zurückerstattet bekomme und mich selbstzufrieden auf den Heimweg geschickt. Dabei hatte er vom Hallo bis zum Servus ein gewinnendes Managerlächeln auf.
Schon lustig, dass McKinsey einerseits den Unternehmen personelle Magerkuren nach dem "Downsizing"-Prinzip verordnet und dann die Regierung berät, wie sie mit all den Jobsuchenden umgehen soll, die auf diese Weise plötzlich auf der Straße stehen.
Aber letzten Endes kommt es auf den Berater selbst an. Ich habe in meinem Job auch immer wieder mit verschiedenen Agenturen für Arbeit zu tun und da ist keine wie die andere. Die Behörde hat so viele Gesichter wie Menschen, die für sie arbeiten. Ich hoffe, liebe Tanja, dass Du einen Berater erwischt hast, der wirklich was für Dich tun kann.
Liebe Grüße,
Dein Markus
Oh, Tanja ist auf Jobsuche!
:-)
Good news of the day.
Was in den gute-Tips-Pool werfen kann:
ich frag mal, ob wir zufällig grad wen in teilzeit in unserem Büro in HH bruachen. Auf unserer website war aber nix...
Bewerben:
1) wie das Jahr "draussen" erklären: ich frag mal bei meinen HR-Kollegen, damit speziell hab ich keine Erfahrung.
2) Laut einer Studie in Dt, die vor ein paar Monaten (September?) stattfand: immer mehr firmen nehmen nur noch (oder: bevorzugen) online-bewerbungen.
Die Stellensuchenden wollen aber immernoch viel lieber Papier-unterlagen schicken. Aus dieser diskrepanz schliesse ich, dass man bei einer online-bewerbung in Dt weniger (online-)mitbewerber hat als bei einer herkömmlichen Bewerbung.
das grösste online-stellenausschreibungsportal in Dt scheint www.monster.de zu sein.
Da hab ich mich aber noch nicht so umgeschaut.
Hah! McKinsey! Ich hätt's wissen müssen. Der Mensch hatte lauter schlaue Grafiken in bunten Farben vor sich liegen, und hat einen beträchtlichen Zeitraum damit verbracht zu überlegen, in welche Ecke einer sehr verdächtig wirkenden Matrix er mich einordnen soll. Ich dachte mir dabei nur, ist dieser Business-Bullshit jetzt auch schon hier angekommen. Eines können diese Unternehmensberatungen wirklich gut: eine Sache mit viel Farbe und Form und aufgeblähten Anglizismen so darstellen, dass kein Mensch mehr merkt, dass man mit einem Mindestmaß an gesundem Menschenverstand selber drauf gekommen wäre.
Das mit den Online-Bewerbungen werde ich beherzigen, vielleicht werd ich ja reich dabei, wenn's dafür auch 5 EUR gibt...?
Und Dankeschön fürs Nachforschen, Anke!
"Ich dachte mir dabei nur, ist dieser Business-Bullshit jetzt auch schon hier angekommen."
Quote o'the Day!! :-)
Hallo liebe Tanja, schön zu hören, dass die Jungens und Deerns im Knast nicht Deinen so nett zu lesenden Zynismus wegoperiert haben. Es sei denn, Du wärest ihn ganz gerne losgeworden natürlich... Ich bin mal gespannt, was Deine Erfahrungen mit der Agentur so bringen. Viel Erfolch!
Mit Freude habe ich die Ausführungen zu McKinsey gelesen. Die Schizophrenie der Beraterfirma, einerseits de Lüd vor de döör to setzen un dann wiederum von uns Vaddan Staat Geld bekommen, um die Arbeitssuchenden zu unterhalten. Die Jungs haben's drauf - das nennt man Cash Cow melken. Oder, oder... ein ökonomisches Perpetuum Mobile...
Dem Markus möchte ich allerdings widersprechen: natürlich gibt es einen Markt für Arbeitslose. Arbeitslose sind Anbieter von Arbeit, und ihr Produkt wollen sie an den Mann bringen. Die Agentur berät sie dabei, wie ein Marketingstratege, ein P/R-Berater. Klassisches B2B-Modell... ;)
Ich hab mal für McKinzey Werbung gemacht... An dem Tag war ich in meinem Prakitkum fast am heulen... Mir reicht das als Erinnerung an diese "Firma".
Ich möchte dazu nur kurz anmerken, dass diese Agentur für Arbeit auch gerne 1A-Leute mit hochgradiger akademischer Ausbildung auch mal auf eine 1 Euro Stelle setzt um sie Gräben ausschachten zu lassen. (Arbeitskleidung selbstverständlich NICHT mit inbegriffen.) Diese Person kümmerte sich dann selbst um eine qualifiziertere Stelle, schwierigkeitshalber im Ausland. Daraufhin wollte die Agentur ihn nicht gehen lassen, er habe ja hier noch einen 1Euro-Job zu erfüllen...
in "angel" gibt's so eine hübsche szene, wo angel denkt, erfährt mit dem aufzug in die hölle und er kommt am ende genau da wieder aus, wo er angefangen hat: hier. und dann stellt der böse untote manager von "wolfram&hart" (manifestion des bösen...) fest, dass die welt ohne das böse gar nicht funktionieren würde.
deprimierend, aber manchmal denke ich, es ist was dran - sonst wären die vielen wirklich üblen leute und institutionen und geldmacher (stichwort: ökonomisches Perpetuum Mobile...) wohl kaum zu erklären:
schlussfolgerung: man kann's nicht ändern, nur das beste draus machen - und versuchen, sich aus der "das-böse-muss-es-auch-geben-ecke" rauszuhalten...
aufsätze korrigierend...
(ich hoffe, einige von denen lernen noch deutsch, bevor sie sich irgendwo bewerben müssen, sonst seh ich arbeit auf die agentur zurollen... - ok, es sind einzelfälle - glücklicherweise...)
eure n.
Ihr habt alle so schön weitergedacht, da schmier ich doch gleich ein bisserl bairischen Senf hinterher: in der neuen Agentur für Arbeit heisst es ja auch nicht mehr "arbeitslos", sondern "arbeitssuchend".
Ich selber habe im Bereich Fort- und Weiterbildung die wildesten Sachen erlebt - da werden Leute, die bereits eine feste Zusage für eine Stelle hatten, wenn sie nur vorher einen 2-Tages-Kurs in Photoshop machen, zu mehrmonatigen Weiterbildungen verdingt, an deren Ende sie wieder am Anfang stehen. In der einen Agentur erhalten die "Kunden" Weiterbildungsbudgets von bis zu 3000 EUR zur (mehr oder weniger) freien Verfügung, in einer anderen reicht selbst die sichere Aussicht auf eine feste Stelle für eine gezielte Schulung nicht aus.
Zu Ankes Vorschlag: monster.de ist auf jeden Fall ein sehr guter Startpunkt. Das habe ich damals auch genutzt und einige interessante Stellen gefunden.
Viele liebe Vorweihnachtsgrüße,
Euer Markus
Darf ich ganz leise auch was in die Runde werfen? Seinerzeit war ich auch mal arbeitssuchend und konnte meinen Berater zu einer sehr interessanten hilfreichen Weiterbildung überreden. Was bei 25 Leuten im Kurs dazu führte, daß mehr als ein Dutzend vom Fleck weg wieder eine Arbeit fanden.
Es ist net alles schlecht, wo A drauf steht. Aber man muß schon höllisch suchen. Und die Vermittler sind in gewissen Zeiten gehörig unter Druck, für ihre 600-1200 betreuten Leuten mehr als nur Verwaltungsarbeit zu tun. Ich denke, von allen Seite wird viel verlangt und keinem etwas dafür geschenkt. Das war zumindest meine Erfahrung aus der Zeit und aus informellen Gesprächen mit meinem damaligen Betreuer und den eher lauen Erfahrungen mit privaten Vermittlungsdiensten.
Da hat er Recht, der Michl. Es hängt wirklich alles vom Berater ab. Ich hatte schon die voll motivierten Idealisten, die wirklich etwas verändern wollen und genug Energie haben, um auch ihren Schützlingen davon abzugeben, und die desillusionierten Ex-Unvermittelbaren, die in der Agentur für Arbeit den Job gefunden haben, den sie nie wollten.
Ich hab meine Job auch über Monster bekommen... jedoch selbst gesucht, eine Anfrage aufgrund meines Onlinelebenslaufes habe ich bisher nur zweimal bei Xing (www.xing.de) bekommen.
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