10 November 2007

Micro-Utopie

So, hier bin ich wieder. Ich habe das Gefühl, dass ich mittlerweile mindestens fünfmal auseinandergepuzzelt und wieder zusammengesetzt wurde; keine Ahnung, ob alle Teile noch am richtigen (oder angestammt falschen?) Platz sind. Jedenfalls kann es ganz schön anstrengend sein, sechs Wochen lang ausschließlich um sich selbst zu Kreisen, und alles, was man sagt, tut und denkt gleich zu analysieren und zu überprüfen... Und auch noch von 26 anderen Irren umgeben zu sein, die genau das gleiche tun. Ich schwanke ein bisschen zwischen "Jetzt langt's dann auch mal wieder" und "Kann ich noch mal sechs Wochen mehr haben". Naja, ich denke, in knapp zwei Wochen bin ich hier raus, und dann könnt ihr die neue verbesserte Tanja begutachten. Wahrscheinlich hat sich gar nicht so viel geändert. Außer der Frisur. Und der Haarfarbe. Und den Fingernägeln. Und Stricken kann ich jetzt auch...
Aber eigentlich wollte ich ja gar nicht von mir sprechen, sondern von einer Besonderheit hier in der Klinik. Auf jeder Station gibt es hier nämlich eine Sofaecke. Da kann man sich treffen, Kaffee trinken, sich unterhalten, Spiele spielen, Musik hören, Stricken, einfach nur rumhängen, und den Patienten mit Schlafstörungen abends das Leben schwer machen.
ich finde das eine ungemein praktische Einrichtung. Wenn man sich langweilt oder Lust auf Gesellschaft hat, geht man aus dem Zimmer, und schon hat man Leute um sich. Und wenn man seine Ruhe haben will, zieht man sich einfach aufs Zimmer zurück.
Wäre das nicht eine sehr schöne Form des Zusammenlebens? Ein großes Haus mit vielen separaten Wohneinheiten, wo jeder alles hat, was fürs Privatleben nötig ist (sprich eigene Küche, Bad, etc.). Plus ein großes Wohnzimmer und vielleicht eine Küche, wo man immer hingehen kann. Und wenn genug Leute in dem Haus wohnen, ist auch immer jemand da. Wenn man Lust hat, kann man gemeinsam Kochen, und ansonsten hängt man einfach so zusammen rum. Natürlich müßten entsprechend nette Leute in dem Haus wohnen. Für Leute mit Kindern wär's auch klasse, man hätte gleich Spielkameraden und immer jemanden zum Aufpassen. Sozusagen die Rückkehr zur klassischen Großfamilie, aber mit ausgewählten Leuten, und etwas weniger Zwang zur Nähe.
Ich sehe ein, dass dieses Modell an der Realität scheitern muss, gerade in Zeiten, wo von Arbeitnehmern maximale Flexibilität in Sachen Wohnort verlangt wird. Aber eine schöne Vorstellung ist es doch irgendwie...

5 Kommentare:

naiko hat gesagt…

hallo tanja,

an so einem modell arbeiten wir gerade - jedenfalls als plan.

und ich denke, man sollte sich von der sogenannten realität nicht ins bockshorn leiten lassen. einen teil dieser realität machen wir uns auch selbst. irgendwann werden wir uns wahrscheinlich größtenteils mal irgendwo relativ fest ansiedeln, ob das unser plan ist oder nicht: zieh mal alle zwei-drei jahre mit kindern um... und dann sollte man solche pläne nicht vergessen haben.

ich freue mich übrigens sehr zu hören, dass dir deine therapie wirklungsvoll erscheint. hättest du ein schlechtes gefühl, müsste ich zweifeln, ob es dir was nützt. so aber bin ich sehr optimistisch!!! und ich freue mich auf deine rückkehr, auch wenn die arg weit weg von hier stattfindet. aber dann können wir endlich unseren einmal-im-monat-telefonieren-plan umsetzen!

übrigens: der schamane in mir ist begeistert von deinem gefühl, auseinandergenommen und neu zusammengesetzt worden zu sein.
das ist nämlich ein "bild", dass es im schamanischen system gibt und das immer etwas mit heilung zu tun hat, mit dem finden des eigenen ich und damit, ganz zu werden. manchmal schlagen die "geist-begleiter" sowas als hilfe gegen schwierigkeiten vor. es gibt außerdem einen zeitpunkt in der ausbildung des schamanen, wo er in der geisterwelt auseinandergenommen wird (oft scheint das recht brutal: man wird zerrissen oder gar aufgefressen) um dann wieder neu zusammengesetzt zu werden. danach fühlt man sich völlig anders, als sei nun alles am rechten platz, wenigstens das meiste. unglaublich!

ich wünsche dir genau dieses gefühl.

alles liebe
deine n.

KErSTiN hat gesagt…

Juchu, endlich wieder ein Post aus der Ferne! Zu diesem fällt mir auch gleich was ein: So eine Kliniksofaecke hatte ich im Studi-Wohnheim auch, es nannte sich Aufenthaltsraum ;-) Es gab auf jeder Etage 16 Zimmer, also 16 Studis, die sich das Riesensofa vor dem Fernseher teilten. Irgendjemand war immer gerade beim Kochen/Essen/Fussball gucken, für ein bißchen Gesellschaft musste man sich nur aus seiner "Zelle" dahin bewegen. das passierte ziemlich schnell, denn nichts ist langweiliger als allein im Zimmer vor Büchern zu hocken...
Von 16 Bewohnern waren nur zwei dabei, die keinerlei Interesse an diesem Treffpunkt hatten.

Was das Modell betrifft: Ein paar Sachen in die Richtung gibts schon, wie hier in HH den Schröderstift. Eine Mitgliederversammlung darf die neuen Mieter aussuchen. Leider wird da sehr selten eine Wohnung frei, es sollte mehr davon geben, ja.

Ich mag auch die Idee total gern, alle Generationen beisammen zu haben. Wer macht mit mir einen Verein und dann bauen wir das entsprechende Gelände?

Britta hat gesagt…

Hi,

meine Kollegin hier und ihre Freunde machen gerade genau das. Sie suchen sich gerade ein Haus das sie kaufen können um es dann mit ca. 20 Parteien zu bewohnen.

Ich finde die Idee toll und dieses Kommunenhafte eine fast ideale Wohnform. (Fast ideal nur deswegen, dass A. die Leute stimmen müssen und B. man leider nicht immer die Wahl hat in welcher Stadt man wohnt.)
Wären wir mal wieder in der gleichen Stadt und soetwas stände zur Wahl, ich wäre dabei!!!

Hendrik hat gesagt…

Hi Schwesterherz,

jaaaaa! Ich bin gleich dabei... suche schon die Anzeigen der Immobilienmakler durch. Auch wenn mir wahrscheinlich 20 Parteien etwas zu viel wären. Für Marlin wäre das das Paradies. Der ist gerade im siebten Himmel mit seiner Oma, die uns für zwei Wochen besucht. Weißt du, bei solchen Gedanken bin ich manchmal hin- und hergerissen, ob ich noch weiterhin in Nordirland bleiben mag oder lieber wieder heim...

Komisch eigentlich, mir scheint, das Kommunenkonzept trifft heutzutage wieder sehr auf Zustimmung, aber für wenige scheint es in Frage zu kommen, sowas zu verwirklichen.

Das mit demm Puzzel errinert mich irgendwie an das wunderschön poetische Zauberkunststück von Siebensinn...

Anonym hat gesagt…

Hallo Tanja,
und alle anderen,

ich musste wie Kerstin auch gleich an mein Studentenzimmer in Lancaster denken.
Da hatte jeder sein Mini-Zimmer, und wenn man andere Leute sehen wollte, brauchte man sich nur in die Kueche an den grossen Tisch setzen. Das war prima.

Aber ich glaube, um das "als Erwachsene "(oder was immer wir jetzt sind) umzusetzen, braeuchte es vielleicht wirklich eine "richtige Wohnung" pro Person/Paar, wie jetzt wohl bei dir auf Kur. Ich moechte mein Bad nicht mehr mit 9 anderen teilen, und will auch die Moeglichkeit haben, meine Kueche zu nutzen, OHNE andere Leute zu treffen. Und ohne deren dreckiges Geschirr in der Spuele...
klar, fuer / mit Kindern ist das super praktisch; da findet sich bestimmt immer einer, der aufpasst, wenn die Eltern mal alleine weg gehen (oder auch nur einkaufen) wollen.
Oh, und man koennte sich zusammen diese Bio-gemuese-Kisten (und aehnliches) liefern lassen!

Andererseits... wenn wir erstmal alle wieder in derselben Stadt wohnen, kann man sich ja auch schon viel einfacher mal abends treffen!
Also drueck ich Euch die Daumen, dass Leo einen Job in muenchen bekommt.
Britta & Joern & Kerstin etc.etc. kommen dann auch nach, klar :-)