22 Januar 2010

Stillverwirrung

An alle Experten: Nein, ich meine nicht die sog. Saugverwirrung, die Babys wohl manchmal entwickeln, wenn man sie aus Versehen mit der Flasche füttert. Ich meine den Zustand, in dem ich mich regelmäßig befinde, wenn ich versuche, die (dringend benötigten) guten Ratschläge zu befolgen, wie man mit dem Stillen besser zurecht kommt. Viele von euch durften ja schon Zeugen werden, wieviel Spaß ich habe, wenn mein Kleiner mir die Brust abkaut. Mittlerweile bin ich so wund, dass ich mich nach dem Duschen nur noch in vorgebeugter Haltung abtrocknen kann, damit ja kein Stück Handtuch meine Brust auch nur streift.
Hierzu, wie allgemein zum Stillen, gibt es von offizieller Seite - Arzt, Hebamme, Bundesgesundheitsministerium, div. Bücher übers Muttersein - viele gute Tipps. Allerdings hat da jemand das große Ganze wohl etwas aus den Augen verloren. Da wird einem unter anderem geraten, der Brust viel frische Luft und Licht, möglichst Sonnenschein zu gönnen, und außerdem Milchreste auf der Brustwarze nach dem Stillen an der Luft trocknen zu lassen. Andererseits schärfen einem Hebammen und Mediziner ein, dass das Schlafzimmer auf keinen Fall wärmer als 16-18 Grad sein darf, um das Risiko des Plötzlichen Kindstods zu senken. Da sehe ich mich also oben ohne nachts bei 16 Grad im Schlafzimmer rumsitzen. Wahrscheinlich würden meine Brustwarzen so tatsächlich ganz gut heilen, wenn ich nicht dauernd niesen müsste, während das Kind an mir dranhängt - autsch. Und selbst mit viel Antibiotika - ach halt, die darf man ja während des Stillens gar nicht nehmen - kann ich immer noch nicht den Schwierigkeiten entgehen, die entstehen, wenn ich mir mein Kind direkt nach dem Stillen über die Schulter legen muss, um es zum Aufstoßen zu bewegen. Wer mal ein vor lauter Verdauung zappelndes Kind ohne mittelschwere Brustpanzerung auf der Schulter hatte, wird verstehen, was ich meine.
Andererseits soll man aber die Brust warm halten (bei 16 Grad?), damit die Milch besser fließt. Vielleicht sollte ich einfach nur noch im Bad stillen, da ist es am wärmsten. Und wenn ich die Badewanne mit dem Stillkissen auspolstere, wird's vielleicht auch noch bequem...
Ein anderer Tipp ist, das Kind häufiger anzulegen, damit es nicht so gierig saugt und rumzappelt. Wenn man aber häufiger anlegt, produziert man mehr Milch. Die Brust ist voller, d.h. das Kind kann weniger davon in den Mund nehmen, was die größte Sünde beim Stillen überhaupt ist, sprich Ursache Nr. 1 für wunde Brustwarzen.

Hallo? Sehe nur ich in all dem lauter Widersprüche? Da kann doch was nicht stimmen?
Gäbe es ein Supportforum, würde ich da reinschreiben: Die Betriebsanleitung ist schwer verständlich (schlecht übersetzt?), die Bedienung nicht logisch aufgebaut, das Programm reagiert instabil auf meine Eingaben (= mal funktioniert's, mal nicht), und mir fehlt bei dem ganzen ein bisschen die intuitive Benutzerführung.
Ob die Anwendung 'Stillen' am Ende unter Windows läuft? OMFG!!!Tagessuppe

15 Januar 2010

Engelslächeln

Neugeborene beherrschen noch keine Gesichtsausdrücke. Jedenfalls nicht willentlich. Das Gesichtchen verziehen, schielen, eine Schnute machen oder die Zunge rausstrecken können sie schon. Aber ohne, dass damit die für uns jeweils gängige Bedeutung verknüpft ist. Und manchmal huscht eben auch ein verirrtes Lächeln über das Gesicht der Kleinen. Unwillkürlich - d.h. ohne bewussten Willen - ohne Kontrolle und ohne jeden Zweck. Das nennt man ganz altmodisch Engelslächeln.

Eine Geburt ist ein einschneidendes Erlebnis. Ich weiß, das an sich ist eine Platitüde, aber ich versuch's mal näher zu beschreiben: Irgendwie ist man trotz aller Hilfe auf sich selbst reduziert. So ungemein beruhigend es auch ist, die Hand seines Mannes zu halten, die Anleitung der Hebamme zu haben, zu wissen, dass notfalls ein Arzt in der Nähe ist - man muss es doch irgendwie selbst hinkriegen. Kann keine Pause machen, wenn man denkt, man kann nicht mehr, oder gar abbrechen. Und hat gleichzeitig so gut wie keine Kontrolle über seine eigene Situation. Jedenfalls nicht im bisher gewohnten Sinne. Man kann pressen, wenn einem jemand die Anweisung gibt, oder atmen, wenn man dran denkt. Aber die ganzen Dinge, die man sonst so gerne kontrolliert - wie wirke ich auf andere, bin ich auch tapfer genug, oder darf ich jetzt weinen/schreien/um Narkose betteln, habe ich mich genügend vorbereitet und bin entsprechend kompetent, oder sollte ich mich lieber noch etwas mehr informieren, bevor ich weitermache, und falle ich auch niemandem über Gebühr zur Last? - treten sehr weit in den Hintergrund. Man hat nur eine Wahl: Man akzeptiert, was geschieht und lässt es geschehen, oder man akzeptiert es nicht - und es geschieht trotzdem.
Eigentlich stelle ich mir Sterben ein bisschen ähnlich vor, zumindest, wenn man es bewusst mitbekommt. Vielleicht noch etwas beängstigender, aber wohl nicht viel.

Nach fünf Tagen verlassen wir die Klinik, in der dieses einschneidende Erlebnis stattgefunden hat. Ich trete zum ersten Mal mit meinem Kind ins Freie, und irgendwie hat das etwas ähnlich Endgültiges und Befreiendes wie die Geburt selbst. Ein Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus, unwillkürlich, ohne Kontrolle und ohne jeden Zweck. Ein Lächeln aus den tiefsten Tiefen meiner Seele, wie ich es schon seit Jahren nicht mehr habe lächeln können. Es hält die ganze Fahrt nach Hause über an, und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit fühle ich mich wieder wie ein vollständiger Mensch.

Ist das ein Happy End? Sicher nicht, schon weil es gar kein Ende ist, sondern eher ein Anfang. Mein Leben hat eine neue Ebene (zurück-?)gewonnen, eine Ebene ohne Nachdenken und ohne ständige Selbstkontrolle. Es wird mir sicher auch in Zukunft nicht ohne weiteres und jederzeit gelingen, diese Ebene zu erreichen. Aber ich wurde daran erinnert, dass es sie gibt und kann mir wieder sicher sein, dass ich mir nichts einrede, wenn ich sie vermisse und das Gefühl habe, dass es mich krank macht, wenn mir der Zugang dazu fehlt. Dass ich nicht verrückt bin, wenn ich mich genau danach sehne: nach einem Engelslächeln.