Worte, wie jede Form von Kunst, können dem, was in uns ist, Wirklichkeit verleihen. Unser Innerstes nach außen holen und nicht nur sichtbar machen, sondern greifbar, real, tatsächlich. Wortsächlich. Mit Worten, fließend wie Blut aus einer frischen Wunde oder Laut für Laut mühsam hervorgewürgt, können wir uns einen Boden unter den Füßen bauen, ein Gerüst um uns herum, das uns stützt, Sprosse um Sprosse der Leiter, auf der wir daran nach oben klettern können. Worte, einmal ausgespuckt, lassen uns das, was von ihnen in uns bleibt, das Bittere wie das Süße, besser schmecken, besser verstehen, besser verdauen, und machen uns zu etwas Ganzem, Solidem.
Und dann kann es sein, dass ein Satz, ein einziger Satz daherkommt, der uns alle Worte nimmt, der voller Wucht oder nonchalant von der Seite gegen das Gerüst stößt und es zum Einsturz bringt und nichts als sinnlos verstreute Buchstaben davon übrig lässt.
Und man kann eine Zeitlang nur schweigend, wortlos daliegen und nach Luft ringen, bevor ein paar insubstanzielle kleine Silben zu einem zurück kriechen, sich an einen schmiegen wie verletzte Freunde, und sich schließlich erneut aussprechen, sich neue Substanz verleihen lassen und wi(e)der Worte bilden, mit denen man von vorne zu bauen beginnt, voller Ehrfurcht vor so viel Zerbrechlichkeit und voller wild entschlossenem Vertrauen auf solch unbegrenzte Macht...
4 Kommentare:
Ja, ich weiß, das klingt traurig, ist aber, wie ein Leser schlau erkannt hat, eher lyrisch gemeint. Also bitte keine Sorgen machen, sondern wenn ihr Lust habt, einfach kommentieren, was euch dazu einfällt, oder aber wortlos genießen. :)
Tanja
weil das gerüst gebaut aus wirklichen worten, worten, die wirklichkeit auszudrücken versuchen, wirklichkeit schaffen, wirklich zu sein suchen, so zart ist, deshalb bauen wir manchmal mauern aus worten. die sind dann stabiler, denn sie bestehen aus worten, die nur gedacht und gesprochen werden, um abzuwehren oder einzuschließen. sie sollen das gegenteil sein von wirklichkeit, von wahrheit, von möglicher nähe, von wirklichen worten. solche worte sind wie steine. sie schützen aber sie zerstören auch. je nach verwendung... n.
Die Worte sind sogar ganz wunderschön lyrisch. Ich mag die Beschreibung, fühlt sich an wie seide beim lesen.
Tanja, mir fehlen die Worte wie schön Du das geschrieben hast. Und wie wahr.
lieben Gruss
Sandra
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