26 Dezember 2007

A life less ordinary

Es ist Weihnachten. Die Straßen sind ungewöhnlich still, die Luft riecht nach Kälte und nach Kaminfeuer. Überall funkeln Lichter in Bäumen und Fenstern. Die Menschen feiern, verbringen Zeit mit ihren Familien, packen Geschenke aus. Die Menschen springen aus dem Fenstern, töten einander, oder sterben einfach so. Ohne Rücksicht auf Feiertage.
Am 24. hatten wir nette Freunde da, haben es uns (unkonventionell) mit ein paar Videos gemütlich gemacht und zwei (konventionell-köstliche) Karpfen verspeist.
Am 25. habe ich Leo in der Arbeit geholfen, weil er sonst aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle komplett allein gearbeitet hätte. Wir haben Sachen ausgepackt, neu verpackt und dafür vorbereitet, dass sie jemand anderem schon bald eine sehr große Freude bereiten werden, größer als jedes teuer gekaufte Geschenk. Und weil Weihnachten ist, habe ich der edlen Spenderin noch ein ganz leises "Schlafe in himmlischer Ruh" gesungen.
Heute, am 26., haben wir lange ausgeschlafen und im Fernsehen Drei Nüsse für Aschenbrödel geguckt.
Alles ganz normal. Es ist Weihnachten.

23 Dezember 2007

Die Würde des Biers

Es mag ja sein, dass ich in letzter Zeit ein bisschen empfindlich bin, was Werbung betrifft. Der Nackte-Haut-Faktor ist zur Zeit wieder extrem hoch, colafarbene Weihnachtsmänner und komplett aus Konsumprodukten zusammengesetzte Weihnachtsbäume (grün wie das Paillettenkleid, äh, wie der Navi-Bildschirm, äh, ach ja, wie die Hoffnung, das war's) erinnern uns, dass es etwas zu kaufen, pardon, feiern gibt, und selbst Dittsche kann die Blöd-Kampagne nicht vor bodenloser Niveaulosigkeit bewahren.
Was ich aber vorgestern an einer Litfasssäule gesehen habe, weckt wieder mal den Bombenbastler in mir.
"Die Würde des Biers ist unantastbar" steht da.
Ok. Ich als Bayer sollte dieser Aussage nicht ganz ablehnend gegenüberstehen, selbst wenn ich kein großer Biertrinker bin. Und wer kann schon sagen, dass es sich bei Hefekulturen tatsächlich nur um niedere Lebensformen handelt.
Aber jetzt mal im Ernst. Geht's noch?
In Zeiten, wo ein Land, das wir mal für einen großen Verteidiger der Demokratie gehalten haben, die Folter wieder einführt, wo Leute, die ich persönlich kenne vorschlagen, dass Sozialhilfeempfänger bei Wahlen keine Stimme haben sollten, wo Menschen, die einen Beruf wählen, der der Gesellschaft dient, dafür mit Finanznot und Burnout bestraft und solche, die nur in ihre eigene Tasche wirtschaften belohnt werden, in solchen Zeiten bildet ihr Werber euch ein, so etwas schreiben zu können? Ihr nehmt den wichtigsten Grundsatz, den sich zumindest ein Teil der Menschheit seit der Einführung der 10 Gebote gegeben hat, und macht daraus einen flapsigen Spruch über Bier?
Mag sein, dass ich keinen Spaß verstehe. Ich komme mir grade tatsächlich ein bisschen spießig vor. Vielleicht macht es mich einfach nur traurig zu sehen, dass über die Würde des Menschen nicht mehr allzu viel nachgedacht wird. Ich habe das Gefühl, dass der Mensch vielfach - im Widerspruch zu Kant - eben doch nur als Mittel zu einem Zweck angesehen wird, nicht als Zweck an sich. Und dass wir zu leichtfertig mit dem umgehen, was wir haben. Unsere eigene Würde nicht zu würdigen wissen, und viel zu wenig dafür eintreten. Sie zugunsten anderer 'Werte' - warum nur muss ich da hauptsächlich an Geld denken?, aber auch an Bequemlichkeit und scheinbare Sicherheit - vernachlässigen. Klar kann man von Würde nicht leben. Aber ohne?
Naja, vielleicht wenn wir genug Bier trinken... :-(

Wir sind alle Individuen?

Und trotzdem Mitglieder diverser Solidargemeinschaften, im Volksmund als Versicherungen bekannt. Der nette Mann, der uns diesbezüglich sehr individuell berät, hat uns neulich Karten für ein Weihnachtskonzert im Michel (der Michaeliskirche, *dem* Hamburger Wahrzeichen schlechthin, und nebenbei vor allem von innen eine der schönsten Kirchen, die ich kenne) geschenkt. Nachdem wir dieses Ereignis schon letztes Jahr aufgrund eines Außeneinsatzes von Leo verpasst hatten, haben wir uns dieses Jahr besondere Mühe gegeben und es tatsächlich geschafft hinzugehen. Und bekamen sogar den perfekten Zweier-Kuschelplatz auf der Empore mit bester Akkustik und guter Aussicht. Die Musik, das Weihnachtsoratorium von J.S. Bach, war denn auch sehr schön, Orgel, Sänger und Orchester alle toll, nicht mal der Countertenor hat sich zum Knödeln (oder sagt man da auf Norddeutsch Klößen?) hinreißen lassen, sondern hatte eine wunderbar klare Stimme. Jetzt sind wir beide keine Klassik-Experten, aber immerhin wissen wir, dass man im Konzert nur am Ende eines Satzes applaudiert, nicht nach jedem Stück.
Vielleicht ist das bei Oratorien anders, vielleicht auch bei Konzerten in der Kirche. Jedenfalls wurde hier gar nicht applaudiert, außer nach der Ansprache des Pfarrers und des Veranstalters. Also haben wir vorsichtshalber nicht mitgeklatscht, man will ja nicht peinlich auffallen.
Aber trotz der geringfügig unterschiedlichen Wetterlage musste ich an die wenigen Opernaufführungen in der Arena von Verona denken, die ich gesehen habe. Da wurde oft leise und voller Andacht mitgesungen, und bei besonders gelungenen Arien konnten sich die Italiener mit ihren "Brava"- und "Bravo"-Rufen oft nicht bis zum letzten Ton beherrschen, sondern haben einfach reingerufen.
Wir dagegen saßen still da, haben ab und zu ein Husten unterdrückt, und höchstens mal miteinander geflüstert, wenn jemand vor Ende des Konzerts gegangen ist. Und das waren nicht wenige. Vielleicht war's ja total mies, und wir sind nur so ahnungslos, dass wir's nicht gemerkt haben - wir haben tatsächlich angefangen, an uns zu zweifeln. Aber siehe Titel dieses Eintrags, also haben wir nur unseren eigenen Ohren geglaubt und sind bis zum Ende geblieben, wo wir schließlich dann auch applaudieren durften.
Sich von etwas so mitreißen zu lassen, dass man sich nicht mehr beherrschen kann und der Welt einfach seine Begeisterung mitteilen muss, egal ob das peinlich ist oder stört, ist eine Gabe. Unter erwachsenen Deutschen offenbar keine allzu weit verbreitete, leider. Warum haben wir uns diese einfache Lebensfreude abgewöhnt? Wird es tatsächlich als Schwäche gewertet, wenn man sein Glück nach außen trägt? Sollte man überlegen, ob man das Wort 'peinlich' aus der Sprache streicht, und ähnlich wie gewisse F*-Wörter durch ein hässliches Piiiep ersetzt?
Ich fasse jedenfalls hiermit schon mal einen Vorsatz fürs neue Jahr (Sollte der nicht eigentlich Vornehm heißen, weil ich ihn mir vornehme? Schließlich setze ich ihn mir ja nicht vor?): Bei jeder passenden wie unpassenden Gelegenheit werde ich mich bemühen, vor Glück laut zu quieken.

12 Dezember 2007

Schießerei im Schweinske

Manchmal muss ich mich doch sehr wundern.
Nicht so sehr darüber, dass hierzulande scheinbar immer häufiger Schüsse fallen. (Das ist eher was zum traurig-entsetzt-nachdenklich-sein.) Sondern über die Berichterstattung darüber. Reißerisch ist man ja gewöhnt. Gnadenlos die Privatsphäre und die Gefühle der Beteiligten missachtend ist zwar schlimm, aber leider auch nicht ungewöhnlich. Aber was Radio Hamburg zur Zeit für einen Fokus auf das oben genannte hat, verwundert mich doch sehr.
Zum Hintergrund: Vor ein paar Tagen kam es in einer Filiale einer Hamburger Restaurantkette (Marke mäßig gutes, aber reichliches und billiges Essen) zu einer Art Banden-Streit, bei dem drei Leute Schussverletzungen davontrugen. Die Berichterstattung von Radio HH dazu hörte sich in etwa wie folgt an: "Das Schweinske in Jenfeld hat geschlossen. Bei einer Schießerei, die dort stattgefunden hatte, waren drei Männer verletzt worden. Die Kellnerin fand das Restaurant heute morgen mit rot-weißem Band abgesperrt vor. Wann das Schweinske wieder öffnet ist unklar."
Aha. Ich wundere mich, hoffe aber, dass diese Prioritätenverdrehung nur aus dem Versuch entstanden ist zu kaschieren, dass noch nicht mehr Informationen vorliegen, und man die Nachricht ihrer Wichtigkeit entsprechend etwas länger gestalten wollte. Dem folgte aber heute die zweite Meldung: "Das Schweinske in Jenfeld ist nach der Schießerei von vorgestern wieder geöffnet. Nachdem die Polizei ihre Ermittlungsarbeiten vor Ort abgeschlossen hat, hat das Lokal seit heute morgen wieder seinen normalen Betrieb aufgenommen."
Ähm. Werden hier aus ermittlungstaktischen Gründen die eigentlich wichtigen Informationen (Wie geht es den Verletzten? Handelt es sich um einen Bandenkrieg oder einen Familienstreit? Gab es schon Festnahmen?) zurückgehalten? Wohl nicht, man kann die Geschehnisse überall im Internet oder in der Zeitung nachlesen.
Das lässt ja fast nur noch einen Schluss zu: Diese Nachricht wurde Ihnen gesponsort von Ihrem freundlichen Restaurant S. Bei uns wird zwar scharf geschossen, aber hey, wie praktisch, so vergisst uns wenigstens keiner.
Ich muss das nicht verstehen, oder?

10 Dezember 2007

Rache - Revolutions

Sorry, aber die Matrix-Filmtitel passen einfach zum Thema, auch wenn die Filme nix damit zu tun haben.
Angeregt durch eure vielen Kommentare und nicht zuletzt aus persönlicher Motivation habe ich mir weiter viele Gedanken zu 'Rache' gemacht.
Mein Kopf sagt mir nach wie vor, dass Rache etwas schlechtes ist. Dass Gerechtigkeit sehr wichtig ist, dass zu ihrer Anwendung aber sehr viel Verstand und möglichst wenig Gefühl notwendig ist.
Mein Gefühl sagt, "Der hat mir weh getan, ich will ihm auch weh tun."
Interessanterweise war das nicht immer so. Die meisten Dinge, die mich verletzt haben, habe ich tatsächlich einigermaßen gut verarbeitet, vergessen oder sogar verziehen. Das Bedürfnis nach Rache war mir vor meiner Therapie (sprich: bevor mir klar wurde, was das alles in mir angerichtet hat) größtenteils fremd. Ich verweise zwar auf einen alten Blogeintrag, in dem der Eindruck entstehen könnte, ich wäre generell rachsüchtig. Aber boshafte Gedanken sind eine Sache, der Wunsch nach Rache eine ganz andere.
Denn in ihm drückt sich - meiner Meinung nach - etwas aus, was in Wirklichkeit die eigene Opferrolle nur bestätigt: Hilflosigkeit. Jemand hat mir etwas getan, und ich konnte es nicht verhindern. Hätte ich doch nur anders reagiert. Könnte ich doch nur hingehen und ihn nachträglich davon abhalten. Weil das nicht möglich ist, wird man nur noch hilfloser, und damit wütender, verzweifelter, im schlimmsten Falle hasst man sich selbst für seine Schwäche.
Der Weg aus dieser scheußlichen Gefühlsspirale heraus hat nichts mit den Leuten zu tun, die mich in der Vergangenheit verletzt haben, sondern mit meinem Verhalten in der Zukunft.
Dazu hat mein Unterbewusstsein mir neulich einen interessanten Traum verpasst:
Ich war im Schwimmbad in der Dusche. Ein Mann kam rein und packte mich von hinten, so wie frau entgegen anderslautender Filme eben nicht von einem Fremden angefasst werden will, und reihte sich damit in eine lange Tradition von Leuten ein, die mich gegen meinen Willen angefasst haben. Normalerweise reagiere ich in solchen Situationen mit völliger Erstarrung. Diesmal drehte ich mich um und schrie ihn an. Das reichte offenbar nicht, also schlug ich zu. Der Depp grinste immer noch, also holte ich den Bademeister. Der war zwar nett und hilfsbereit, brachte es aber auch nicht fertig, den Kerl von mir fernzuhalten. Und der grinste immer noch. Also schnappte ich mir einen Stuhl, der da praktischerweise rumstand, und fing an, den Typen damit zu verprügeln. An dieser Stelle blendete der Traum aus (konträr zum Amerikanischen Kino sind offenbar Szenen mit dürftiger Beklidungssituation erlaubt, Gewalt jedoch wird zensiert). Ich fand mich im Büro meiner Therapeutin wieder, die mich fragte, ob ich nicht etwas übertrieben hätte. Ich verneinte, obwohl ich mich schon etwas über die Pistole in meiner Hand wunderte...
Ok, am Ende hat's der Traum ein bisschen übertrieben, oder mein Unterbewusstsein wollte irgendeinen Film zitieren, an den ich mich grad nicht mehr erinnere. Aber ich habe das Gefühl, die Botschaft ist klar. Es gibt außer meiner üblichen duldsamen Erstarrung andere, funktionalere Handlungsmöglichkeiten. Ich darf, soll, muss mich wehren. Und ich darf so lange zurückschlage, wie der andere nicht aufhört, mich zu verletzen. Meine innere Therapeutin weiß genau, wann Schluss sein muss, ich brauche nicht fürchten, dass ich zu weit gehe. Die Wut, die ich auf Rachegelüste verschwende, könnte ich sinnvoller kanalisieren, wenn ich sie in die Zukunft richte und als Aggressions-Ressource für Situationen verwende, in denen mir geschadet wird.
Das klingt jetzt alles so, als hätte es mir ein schlauer Psychologe erzählt, aber ich bin einigermaßen stolz auf mich, dass ich das selber rausgefunden habe. Natürlich wird die Umsetzung nicht so traumhaft einfach sein. Aber das gute ist, dass mein Unterbewusstsein - der Teil, an den man viel schwieriger rankommt als an den bewussten Verstand - schon realisiert zu haben scheint, dass ich mich anders verhalten kann, als in das eingefahrene Muster zurückzufallen, das ich in der Vergangenheit immer wieder erfolglos angewendet habe, weil ich nichts anderes gelernt hatte. Dass also auch Schluss sein kann mit der Hilflosigkeit.
Und dass damit der Wunsch nach Rache an Bedeutung verliert.
Eine Sache, die mich irritiert, bleibt aber noch: Die ganze Sache impliziert, dass ich mich in Situationen, in denen ich verletzt wurde, falsch verhalten habe. Ja, ich hätte mich wehren müssen. Aber derjenige, der sich eigentlich falsch verhält, ist doch der, der mich angreift. Ich frage mich, ob man viele Gefängnis- und Geldstrafen, viele Gerichtsverhandlungen und viele Therapiesitzungen sparen könnte, wenn der Täter seinem Opfer nur absolut glaubwürdig versichern könnte, dass es keine Mitschuld an der Tat trägt...

05 Dezember 2007

Vom Amt zur Agentur

Seit ich das letzte Mal arbeitslos war (2004), hat sich beim Arbeitsamt so einiges verändert. Die nennen sich jetzt Agentur, haben einen mit tatsächlichen lebenden Mitarbeitern besetzten Empfangstresen, einen neuen Teppich, und viel viel mehr Papier.
Ok, um der Gerechtigkeit genüge zu tun: es scheint sich wirklich was verbessert zu haben. Bevor man ein Gespräch mit seinem Vermittler hat, muss man erstmal vollständige Bewerbungsunterlagen abgeben. Damals musste ich nur eine Seite Fragebogen ausfüllen, auf dem so Sachen wie Erscheinungsbild und Denkvermögen (mit den Antwortmöglichkeiten ja oder nein) aufgeführt waren. Zumindest wird also differenzierter mit der Qualifikation der Bewerber umgegangen. Und man kann auf dem vierseitigen Fragebogen, den man zusätzlich zu den Bewerbungsunterlagen abgeben muss, auch noch spezielle Fragestellungen angeben, die man mit dem Vermittler besprechen möchte. Das klingt echt nach ziemlich gutem Service. Wenn der Vermittler a) den Fragebogen auch durchlesen und sich entsprechend vorbereiten würde, b) nicht 90% des Gesprächs damit verbringen müsste, meine Daten in den Computer zu hacken und c) er bereit wäre, über die Probleme zu sprechen, die beim Bewerben auf mich zukommen werden. Statt dessen hat er mich die ganze Zeit nur ermutigt, ich solle mich doch auf meine Stärken konzentrieren.
Im Prinzip ja nett, aber ich fühlte mich, als wäre ich wegen Rückenschmerzen zum Arzt gegangen, und der hätte mir erzählt, ich solle mich doch lieber freuen, dass meine Zähne so wunderbar in Ordnung seien.
In Übereinstimmung mit dem, was ich in der Therapie gelernt habe, habe ich das nicht einfach runtergeschluckt, sondern nochmal angesprochen, dass ich gerne etwas mehr Beratung hätte, weil ich nicht weiß, wie ich mein Krankheitsjahr in einer Bewerbung formulieren soll. Was den Mann doch tatsächlich zu der Aussage verleitete, das würde er auch gern wissen, ich solle doch mal ein Bewerbungsschreiben zum nächsten Termin (im März!) mitbringen, damit er sehen kann, was mir eingefallen ist. Ich weiß nicht, was mein Gesicht in dem Moment ausdrückte, aber er fügte dann noch ganz schnell hinzu, dass er gerne was mit mir zusammen formulieren würde, wenn er noch 'ne halbe Stunde länger Zeit hätte.
Tja, dann warten wir mal beide gespannt, was mir so einfällt. Kreative Vorschläge eurerseits sind jederzeit willkommen.
Und weil ich eine Zielvereinbarung unterschreiben musste, in der steht, dass ich alle möglichen und denkbaren Kanäle zur Stellensuche nutzen muss, fange ich gleich mal an: Wenn jemand von euch zufällig von einer freien Stelle erfährt, möglichst halbtags, natürlich hier in Hamburg, am besten irgendwelche Sekretariatsarbeiten o.ä., nur nicht zu anspruchsvoll, und keinesfalls in einer Werbeagentur - sagt Bescheid!

Rundum-Sorglos-Tanja

Erstaunlich, wie viele Firmen ihre Produkte mit diesem Zusatz verkaufen.
Ich will mich in diesem Fall nicht verkaufen, sondern nur mal wieder über meinen derzeitigen Geisteszustand philosophieren. Oder vielleicht sollte ich es eher meinen Neurotransmitter-Zustand nennen? Ich habe das Gefühl, ich habe in der Therapie große Fortschritte gemacht. Und dummerweise gleichzeitig das Antidepressivum gewechselt, so dass ich wieder mal nicht sagen kann, ob meine allgemeine Entspanntheit daher kommt oder eben doch von einer fortschreitenden Heilung. In letzter Zeit habe ich den Verdacht, dass ein großer Teil an dem Medikament (Trevilor) liegt.
Das Gefühl an sich ist toll: ich mache mir generell kaum noch Sorgen wegen irgendwas, tatsächlich ist mir jetzt im Nachhinein erst aufgefallen, wie leicht mich alles Mögliche in Stress bzw. unterschwellige Panik versetzt hat. Viele dieser Situationen kann ich jetzt realistischer bewerten und damit ganz entspannt angehen.
Aber. (Natürlich habt ihr gewusst, dass ein Aber kommt, oder?) Es gibt Situationen, von denen ich weiß, dass ich mir deswegen Sorgen machen sollte. Entweder, weil mich etwas schon immer gestört hat, oder weil jeder einigermaßen 'normale' Mensch sich deswegen aufregen würde. Meine Reaktion darauf ist aber durchwegs 'Naja, auch egal'.
Wenn ihr jetzt den Eindruck habt, ich würde mir deswegen Sorgen machen, kann ich nur sagen: wahrscheinlich sollte ich das, aber es gelingt mir nicht so recht. Ich betrachte das jetzt erstmal als Erholungsphase nach einer langen Zeit des zu-viel-Sorgen-machens und genieße es. Im Januar ist der nächste Arzttermin, und ich verlass mich jetzt einfach mal drauf, dass mein Psychiater mir dann sagt, ob das ok ist - oder dass mein Liebster mich nicht mehr aushält und meine Tabletten gegen Placebos austauscht... ;-)
P.S. Ganz so schlimm kann's doch nicht sein, immerhin hatte ich noch genug Energie, um mich über die Arbeitsagentur aufzuregen - wenn das nicht mehr geht, lasst mich bitte irgendwo einliefern!

03 Dezember 2007

Die volle Wahrheit

Eine Parodie ist die überspitzte und übertriebene Darstellung eines Werkes, einer Person oder eines Sachverhalts; durch die Übertreibung soll auf (mehr oder weniger) humorvolle Weise auf Schwachstellen aufmerksam gemacht werden.
Wie aber nennt man eine Darstellung der reinen Wahrheit, ohne Übertreibung, die einen statt zum Lachen nur zum Weinen bringt? Tragödie? Nachrichten? Und ist dann die Wirklichkeit die Parodie?
Die Macher des Films, den uns Felix neulich geschickt hat, haben es einfach The Truth in Advertising genannt. In 12 Minuten stellen sie die klassischen Abläufe der Branche klar analysiert und realistisch dar, nicht wie sie sind, sondern wie sie wären, wenn alle Beteiligten sagen würden, was sie tatsächlich denken. Jeder, der nicht in der Werbung arbeitet, wird sich wahrscheinlich schieflachen. Ich konnte nur hinstarren wie auf einen besonders blutigen Unfall. Den meisten Personen konnte ich auf Anhieb Namen aus meinem früheren beruflichen Umfeld geben, und sogar Büros und Studios sahen ähnlich aus wie die Orte, an denen ich gearbeitet habe. Wenn ich meinen Kalender von 2005 noch hätte, könnte ich den einzelnen Situationen sogar konkrete Daten zuordnen.
Ich wünschte nur, ich könnte dieses Video mitnehmen zu meinem Termin beim Arbeitsamt, und an meine Versicherung schicken, um denen ein für allemal klarzumachen, dass ich sowas nicht mehr machen kann.