26 September 2012

Autorität und Macht und deren -losigkeit

Das ist wiedermal so ein Post, bei dem ich nicht weiß, was ich denke, bis ich lese, was ich geschrieben habe.
Seit meine Kinder alt genug sind, um mehr zu wollen, als Essen, Schlafen und frische Windeln - also auch mitunter Dinge, die ich ihnen verweigern muss oder will - stehe ich oft vor der Frage: Autorität, was ist das eigentlich?
Manchmal reicht ein einfaches (oder vier-, fünf- oder sechsfaches) Nein, um unerwünschtes Verhalten zu beenden. Oft sogar mit einem Augenzwinkern, Lächeln oder, im Fall von sich auf den Tisch verirrenden Füßen, etwas Kitzeln. Das ist der Idealzustand, den ich mir wünsche. Mein Kind versteht, was ich will, und tut das, weil es mich respektiert, weil ich es darum bitte, und weil es weiß, dass ich in der Regel nichts Unerfüllbares, Unvernünftiges oder Unerträgliches von ihm verlange. Und mit etwas gut zureden funktioniert sogar scheinber Unerträgliches häufig.
Manchmal müssen auch Grenzen ausgetestet werden. Das gehört zum Leben Lernen dazu, und ich kann meistens ganz gut damit umgehen. Bei Schimpfwörtern zum Beispiel "empöre" ich mich schon bei solchen, die ich eigentlich weniger schlimm finde. So kann Lenny grinsend seine Zehen über eine Grenzlinie strecken, die eigentlich gar keine ist, und wir haben beide unsere Spaß dabei.
Aber gelegentlich hüpfen meine Kinder auch mit beiden Beinen weit über die rote Linie hinweg. Vorzugsweise, wenn sowieso alles stressig ist und ich rein Eltern-Multitasking-Jonglier-Alltags-technisch überfordert bin. Wenn dann noch Matilda zum hundertsten Mal die Finger in die Steckdose steckt, während Lenny beschließt, dass es lustig ist, Mama auf dem Wickeltisch liegend in den Bauch zu treten und dabei den Inhalt der Windel in maximalem Radius überall zu verteilen, dann fehlt sie mir, die Souveränität, die man wohl haben sollte, um Autorität auszustrahlen.
Meistens fällt mir dann nichts besseres ein als schreien, und dann nochmal lauter schreien. Was selten wirkt. (Vor allem Matilda an der Steckdose ist nicht im mindesten beeindruckt.) Und bei mir nur das Gefühl von Hilflosigkeit hinterlässt.
Oder, wie es der Protagonist in einem Lehrerfilm, den ich neulich übersetzt habe, ausdrückte: Of course I send the kids to the headmaster for caning, but never without a sense of defeat.
Soll das so sein? Sind Kinder dazu da, dass man sich hilflos fühlt? Woher nimmt man Autorität, und wie drückt man sie angemessen aus? Auch im Umgang mit Erwachsenen. Wo ich ja in letzter Zeit gefühlt immense Fortschritte gemacht habe. Aber auch, wenn ich mich bei (scheinbaren oder tatsächlichen) Angriffen mittlerweile tapfer zur Wehr setze, bleibt immer dieses Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit.
Vielleicht ziehe ich aus der Tatsache, dass ich überhaupt "angegriffen" werde, immer noch den Schluss, dass auf meiner Stirn in großen Lettern "Opfer" steht. Wobei es in einer auf engem Raum zusammenlebenden Gemeinschaft kaum vermeidbar ist, dass man das ein oder andere Mal dumm angeredet wird, und das wahrscheinlich jedem passiert. Oder gibt es tatsächlich Leute, die - jenseits von körperlichen Merkmalen - genug Autorität, Macht, Unangreifbarkeit ausstrahlen, dass sich keiner traut?
Wenn ja - wie machen die das? Was ist das Geheimnis? Unendliches Selbstbewusstsein hilft sicher. Die Überzeugung, dass einem so etwas nicht passiert? Woher nimmt man die, wenn es schon passiert ist? Neulich habe ich gelesen, dass, wer schon einmal von einem Hund gebissen wurde, sehr wahrscheinlich wieder gebissen wird. Weil er die entsprechenden Signale ausstrahlt.
Das Schlimme ist, nicht nur beim Hund drücken diese Signale die evolutionären Beißknöpfe.
Auch beim Menschen löst die Opferroutine automatische Verhaltensweisen aus. Je hilfloser man sich fühlt, desto lauter schreit man, desto wilder schlägt man um sich. Und desto hilfloser wirkt man.
Teufelskreis? Oder einfach nur eine Tatsache des Lebens, die es zu akzeptieren gilt, mit oder ohne sense of defeat?
Vielleicht finde ich ja irgendwann mal ein gutes Buch zum Thema...

06 August 2012

10 Dinge...

Neulich bin ich auf eine dieser beliebten Internet-Listen gestoßen: 10 Dinge, von denen du nie gedacht hättest, dass du sie mal tun würdest, bevor du Kinder bekommen hast.
Darauf stehen so schöne Dinge wie "Jemandem mit der Hand die Nase putzen" (bereits mehrfach geschehen) oder "Etwas essen, worauf ein anderer schon ausführlich rumgekaut hat" (passiert mir fast täglich).
Bevor ich Kinder bekam, dachte ich, das Ekligste, was ich tun müsste, wäre Windeln wechseln. Man wird einfach nicht darauf vorbereitet, dass man nachts schlaftrunken und brillenlos blind ins Kinderzimmer stolpert und das weinende Kleine tröstend in den Arm nimmt, nur um dann festzustellen, dass kein Alptraum, sondern ein Noro-Virus der Anlass des Geschreis war, und man gerade das Abendessen von gestern umarmt.
Aber meine Kinder wären nicht meine Kinder, wenn sie die Messlatte nicht noch etwas höher legen würden.
Matilda ist im Gegensatz zu Lenny kein großer Esser, aber sie füttert gern Leute. Nicht nur mit Essen, auch mit Spielzeug. Wenn keins verfügbar ist, steckt sie einem einfach den eigenen Finger in den Mund.
Ich lutsche dann genüsslich darauf rum und tue so, als würde er furchtbar gut schmecken.
Heute Morgen schmeckte er aber irgendwie komisch.
Ich zog ihn aus dem Mund und schaute nach: Unter dem Fingernagel war ein kleiner schwarzer Rand.
Ich guckte, wo sie vorher gewesen sein könnte, und entdeckte auf dem Wohnzimmerboden eine Spur aus Katzenstreu, die von dem Punkt, wo ich sie aufgehoben hatte, direkt zum Katzenklo führte (dessen letzte Reinigung natürlich schon etwas zurücklag).
Seither versuche ich, die Erinnerung daran mit viel Mineralwasser zu ertränken und mir einzureden, dass es eigentlich nicht mehr schlimmer kommen kann. Und zu vergessen, dass Leo seine Kinder irgendwann mit in die Arbeit nehmen wird...

13 April 2012

Freitag der 13. Reloaded With A Vengeance

(Wer zum Lesen einen passenden Soundtrack hören will: Bitteschön.)
Mutter sitzt mit Baby am Frühstückstisch. Aus dem Wohnzimmer hört man die Stimme eines Kindes.
Lenny (klagend): Hab des ausgeschüttet.
Die Mutter nimmt ihr Baby hoch, steht auf und geht nachsehen.
Mutter: Was denn?
Lenny: Mit dem Kabel.
Die Mutter erreicht das Wohnzimmer. Zoom auf den Tisch, wo ein halbvolles Wasserglas steht, in dem ein Laptop-Stromkabel hängt. Kamerafahrt am Kabel entlang bis zur Steckdose - es ist eingesteckt!
Totale. Die Mutter legt das Baby auf dem Sofa ab, reisst das Kabel aus dem Glas und lässt es achtlos beiseite fallen, wendet sich ihrem Sohn zu und hält ihm eine lange, ausführliche Standpauke zum Thema "Kabel sind kein Spielzeug".
Zoom auf das betretene Gesicht des Sohnes, dann auf das besorgte der Mutter. Die Kamera zoomt aus. Stück für Stück wird im Hintergrund das auf dem Sofa liegende Baby sichtbar, das genussvoll an dem immer noch eingesteckten Kabel nuckelt.
Schnitt.

Zeit für die Badewanne. Geruchszoom auf Matilda: Die Windel ist voll. Geruchszoom auf Lenny. (Für das verbleibende Publikum, das offenbar seinen Geruchssinn verloren hat und darum nicht spontan geflüchtet ist: Die Windel ist voll.)
Aufnahme eines laufenden Wasserhahns, die Kamera fährt zurück: Eine Badewanne läuft ein, lustige Schaumblasen bilden sich. Eine Kinderhand, die sich nach dem Wasserhahn ausstreckt, kommt ins Bild.
Die Mutter betritt das Bad, sie hat das Baby auf dem Arm und ermahnt das größere Kind, "keinen Blödsinn zu machen", während sie das Baby wickelt. Die Mutter verlässt das Bad, die Kamera folgt ihr ins Kinderzimmer. Eine Weile erfolgt friedliches Babywickeln. Im Hintergrund hört man das Rauschen des Wasserhahns, der auf- und wieder zu- und wieder aufgedreht wird.
Dann ein Aufschrei.
Lenny: Nass!
Der Sohn kommt ins Kinderzimmer. Er hat den Zustand seiner Oberbekleidung akkurat beschrieben. Die Mutter wendet sich vom Baby ab, das die Gelegenheit nutzt, sämtliche auf dem Wickeltisch befindlichen Gegenstände nach und nach herunterzuwerfen.
Mit ein paar gepresst-verständnisvollen Worten zieht die Mutter dem Sohn das Oberteil aus, er läuft nur mit Hose und Windel bekleidet wieder los. Mit ein paar Handgriffen hat die Mutter das Baby ausgezogen, es ist bereit für die Badewanne. Der Sohn kommt wieder herein.
Lenny: Ich hab ein Kaka!
Mutter (im Umwenden): Ja, ich weiß, du... (hält entsetzt inne)
Nahaufnahme auf den nackten Sohn, der seine volle Windel vor sich herträgt.
Mutter (gezwungen positiv): Du hast ja deine Hose ausgezogen. Ich wusste gar nicht, dass du das kannst. Und die Windel auch!
Sie schnappt sich die Windel. Der Rest der Szene spielt sich im Zeitraffer ab.
Mutter angelt mit freier Hand nach einer Unterlage, auf der sie Baby - ohne Windel - ablegen kann, um zu verhindern, dass es den Teppich vollpieselt. Baby wird abgelegt, Sohn hochgehoben, wieder abgestellt, Mutter rennt in die Küche, ruft ihrem Sohn über die Schulter zu: Rühr dich nicht vom Fleck!, was dieser selbstverständlich nicht verfolgt, sie holt Küchenpapier, mit dem sie den Wickeltisch bedeckt, bevor sie ihren verschmierten Sohn darauf ablegt, beginnt, ihn abzuputzen, streckt die Hand aus, um das erste schmutzige Feuchttuch in den Müll zu werfen - Zwischenschnitt auf den Mülleimer, der auf dem Balkon steht (Achtung: hier auf keinen Fall Geruchszoom einsetzen!). Mutter rennt wieder in die Küche, holt eine neue Mülltüte. Zurück am Wickeltisch greift sie nach einem frischen Feuchttuch, doch die Packung ist leer. Das immer noch verschmierte Kind mit einer Hand festhaltend schafft es die Mutter nach mehrmaligen Versuchen, die neue Packung Tücher zu öffnen, während das Baby zu schreien beginnt.
Zu den beruhigenden Klängen eines Kinderlieds, das die Mutter nur ein ganz kleines bisschen zu schnell zu singen beginnt, fährt die Kamera langsam vom Kinderzimmer zurück ins Bad, wo die Wanne gerade anfängt, überzulaufen...
Langsame Abblende.

14 März 2012

Kernschmelze im Schwimmbad

Statistisch gesehen begehen Frauen angeblich am häufigsten Morde, wenn sie ihre Tage haben. Diese kleine Tatsache nur am Rande, damit ihr wisst, in welcher Grundstimmung ich meinen Tag heute begonnen habe.
Trotzdem stimmte ich dem Vorschlag, meine Neffen zusammen mit meinen beiden Kleinen ins Schwimmbad zu begleiten, relativ begeistert zu - endlich mal wieder Abwechslung von den eigenen vier Wänden bzw. dem Spielplatz vor der Haustür.
Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Wenn Lenny plötzlich beschließt, ins tiefe Becken zu hüpfen, muss ich Matilda erstmal vorsichtig irgendwo sicher ablegen, bevor ich ihn retten kann. Aber ich stellte mich geistig darauf ein, mich in der Luft zu zerreissen, das würde schon gehen.
Gute Lust, irgendwas zu zerreissen, hatte ich ohnehin. Matilda zahnt, d.h. die Nacht war anstrengend, und auch tagsüber ist sie recht quengelig. Lenny dagegen beschränkte sich darauf, zu jeder passenden Gelegenheit loszuheulen: Beim Abholen von der Tagesmutter (weil wir erst nach Hause fuhren, um etwas zu essen, statt sofort ins Schwimmbad), beim Essen (weil es Schinkennudeln gab statt Nudeln mit Pesto), beim Aufbrechen (weil wir ins Schwimmbad fahren wollten, statt daheim zu bleiben).
Im Schwimmbad angekommen stellte ich fest, dass es für die ca. 12 gerade ankommenden Familien genau eine große Kabine gab. (Die war natürlich schon besetzt.) Der Rest war auf den sich allein umziehenden Erwachsenen ausgelegt. Sammelkabinen sind offenbar out. Also musste ich mich halt bei offener Tür umziehen, weil sich diese mit 2 Kindern, Sporttasche und Babyschale in der Kabine einfach nicht mehr schließen ließ.
Nachdem wir also mit Anreise und Umziehen ca. 1,5 Stunden verbracht hatten, folgte eine halbwegs harmonische halbe Stunde im Wasser. Lenny hatte großen Spaß, also ist unschwer zu erwarten, wie er auf meine Ankündigung reagierte, dass wir jetzt wieder gehen müssten. Aber das Wasser im Babybecken war um einiges kälter als das im großen Becken, und ich habe keine Lust, dass Matilda sich zu ihren Zähnen auch noch erkältet.
Ich versuchte also, die Kleine abzutrocknen, während ich mit halbem Auge den heulenden Großen überwachen musste, der sich standhaft weigerte, das tiefe Becken zu verlassen. Bei dieser Gelegenheit stellte ich fest, dass jemand offenbar Wasser in meine (oben auf einer Bank weit weg von den Becken stehende) Babyschale geschüttet hatte. Während ich Lenny in seinen Bademantel (den er hasst, was er laut kundtat) steckte, fiel Matilda ein, dass Schwimmen hungrig macht, was sie ihrerseits auf babytypische Weise kommunizierte.
In der Kabine wurde wenigstens Lenny kurzzeitig ruhig, nachdem ich die beiden laut angeschrien hatte, dass sie die Klappe halten sollten. So schnell es ging, zog ich die beiden und mich selbst an, um Matilda draußen dann endlich stillen zu können. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob das bei meinem Adrenalinlevel wirklich zu ihrer Beruhigung beigetragen hätte.
Als wir die Kabine verließen, streckte ein älterer Mann seinen Kopf aus seiner Kabine und wagte es zu sagen: "Sie gehen wohl zum Schreien ins Schwimmbad."
Ich sah ihn an, in der Annahme, mich verhört zu haben, doch sein Gesichtsausdruck bestätigte seine Worte.
Ich weiß nicht, was er in meinem Gesicht gesehen hat, aber es hat ihn wohl gerettet, denn er schaffte es, seine Tür zu schließen, bevor ich bei ihm war, und mit etwas Kraftaufwand gelang es ihm sogar, sie zuzuhalten, bis er sie versperren konnte. Andere Kabinentüren öffneten sich, um zu sehen, was es mit der schreienden Furie auf sich hatte, die da an die Tür hämmerte und brüllte: "Ich will, dass Sie sich sofort bei mir entschuldigen, Sie blödes Arschloch!"

Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er die Tür nicht zugemacht hätte. Vermutlich hätte ich ihn nicht tätlich angegriffen. Vielleicht hätte ich ihn beim Kragen gepackt, wenn er angezogen gewesen wäre. Vielleicht hätte ich ihm nur ins Gesicht gebrüllt. Fakt ist: Dieser leicht überzogene, aber durchaus berechtigte Wutausbruch war nicht ausschließlich meiner Überforderung und meiner Hormonlage geschuldet. Sondern auch einer inneren Stimme, die mir immer öfter sagt, ich soll mir nichts gefallen lassen. Und diese Stimme sorgt dafür, dass ich mich trotz Kontrollverlust, trotz der Peinlichkeit der Situation (ich glaube, ich habe ein paar von den verschreckt aus ihren Kabinen guckenden Unbeteiligten auch noch angeschnauzt), trotz des neuen (?) Schimpwortes, das meine Neffen jetzt gelernt haben und trotz der schmerzenden Hand kein bisschen schlecht bei der Sache fühle. Ganz im Gegenteil: So entspannt war ich schon lange nicht mehr.
Vielleicht wird ja doch nochmal ein Kämpfer aus mir. :)

29 Februar 2012

In Frieden fallen

(Gleich wird's ein bisschen kitschig, aber ich kann nichts dafür, mein Unterbewusstsein ist schuld.)
Träume vom Fallen sind für mich mit die allerschlimmsten, von der Sorte, wo man schweißgebadet aufwacht, oder schlimmer, kurz vor dem Fallen endlos am Abgrund balanciert und nicht aufwachen kann. Wenn es mir Träume vom Fallen schickt, will mein Unterbewusstsein mir wohl sehr eindrücklich etwas kommunizieren. (Dass es um mich fürchtet, weil ich irgendein zu großes Risiko eingehe? Dass ich verlassen werden könnte? Oder mich selbst im Stich lasse?)
Schon lange habe ich nicht mehr vom Fallen geträumt, aber neulich war es wieder soweit: Ich war mit Leo zusammen in einem sehr hohen Gebäude. Wir waren auf der Flucht, und wie in jedem schlechten Horrorfilm rannten wir nach oben. Auf dem Dach angekommen fanden wir einen Außenaufzug - einen baufälligen Käfig, der gerade außerhalb unserer Reichweite hing. Ich machte mich für einen Sprung über den Abgrund bereit, und das übliche Ich-werde-gleich-fallen-Ziehen im Bauch stellte sich ein. Aber was für eine Wahl hat man, wenn einen fiese Traum-Feinde verfolgen?
Da legte mir Leo den Arm um die Schulter, führte mich weg vom Aufzug an den Rand des Daches und sagte: "Wir kommen hier auch anders runter."
Er klang sehr entschlossen, so entschlossen, dass ich mir nicht sicher war, ob er einen Plan B hatte, oder ob er nur meinte, bevor die uns kriegen, springen wir lieber in den Tod.
Ich war erst skeptisch, dachte mir dann aber: Wenn es keinen Plan B gibt, sterbe ich eben in seinen Armen, und das ist ok.
Und wir sprangen, ohne Zögern und ohne jede Spur von Angst.
(Und ja, es gab einen Plan B, wir sind nicht gestorben, aber das war gar nicht mehr so wichtig.)

Ich könnte jetzt lange darüber spekulieren, was dieser Traum bedeutet, was mir mein Unterbewusstsein damit alles sagen will. Kontrolle abgeben, loslassen, Vertrauen und Vertrautheit, die Freiheit von Angst. Aber ich glaube, eigentlich will es mir nur eines mitteilen: Ich fühl mich gut.

Ungefähr so: Optimist

25 Februar 2012

Fröhlich-therapeutisches Rumgezicke

Szene vor dem Supermarkt: Auf dem Eltern-Kind-Parkplatz stehen zwei typische Familienkutschen und, schön in der Mitte dazwischen, ein dottergelber Sportwagen, in den garantiert kein Kindersitz passt.
Während wir unsere Einkäufe einladen, kommt die Besitzerin des Wagens - etwa Ende 50 und offensichtlich ohne Kind - und legt ihre kleine Einkaufstüte in den Kofferraum. Als ich gerade Lenny ein seinen Sitz packe, will sie an mir vorbei - und klappt meine Wagentür, in der ich gerade stehe, etwas weiter zu, so dass ich mich nicht mehr bewegen kann.
Ich: Entschuldigung, ich muss hier noch mein Kind anschnallen.
Sie: Macht nichts, ich komm schon vorbei.
Ich: Das ist ja schön für Sie, aber ich habe keinen Platz mehr.
Sie: Ja, da haben Sie wohl etwas zu weit drüben geparkt.
Ich (deren Auto perfekt in der Mitte der Parkplatzmarkierung stand): Eigentlich ist das hier sowieso ein Eltern-Kind-Parkplatz.
Sie: Äh, ich hab einen Hund dabei.
Schlägt die Autotüre zu und fährt mit wummerndem Motor davon.

Vor nicht allzu langer Zeit wäre ich in dieser Situation spätestens nach ihrem 'Macht nichts' verstummt, hätte mich aber die ganze Autofahrt nach Hause lang geärgert. Aufgeregt habe ich mich heute natürlich auch über so viel Unverschämtheit auf einem Haufen. War aber dabei trotz allem seltsam gut gelaunt. Weil mindestens drei bis vier Therapeuten auf der Rückbank saßen, sich gegenseitig gratulierend die Hände schüttelten und mir auf die Schulter klopften.
Oberflächlich gesehen habe ich mit diesem Wortwechsel ja überhaupt nichts erreicht. Ich bin sicher, die Frau hat sich nicht mehr als drei Sekunden darüber Gedanken gemacht. Wenn ich aber über den unbezahlbaren Reichtum nachdenke, den ich gewonnen habe - meine Würde, meinen eigenen Raum, den sie mir gedankenloserweise zu nehmen versucht hat, mein Selbstbewusstsein - dann scheint mir der Preis für so ein Sportwagenei dagegen geradezu lächerlich.
Und nicht zuletzt ist da der kleine, schadenfrohe Triumph, das letzte sinnvolle Argument in einem Streitgespräch gehabt zu haben. Mal ehrlich: "Ich habe einen Hund dabei"? Wie hilflos ist das denn? Höchstens einen Vogel hast du, dämliche Sumpfdotterkuh! :)

08 Februar 2012

Mama, der organisierte Clown

Heute Morgen hat Lenny darauf bestanden, mir die Nase mit Penatencreme einzucremen. Ist so ein Spiel, das er normalerweise mit Nivea macht. Ich verteile die Creme dann auf Nase und Lippen und wir finden's lustig. Das Penaten allerdings viel langsamer einzieht als Nivea, fiel mir erst im Auto auf dem Weg zur Tagesmutter ein. Ein Blick in den Rückspiegel bestätigte meine Befürchtung: Ich sah aus wie ein Clown.
Mein erster Gedanke bei diesem Anblick galt aber nicht dem nahenden Fasching, sondern lautete ungefähr so: Prima, wenn ich so der Tagesmutter gegenübertrete, hält sie mich für organisiert genug, dass ich Zeit habe, Kosmetika zu benutzen und klar genug denken kann, mir ob der Kälte die Lippen einzucremen.
Und habe mich einen Moment lang ehrlich und ernsthaft darüber gefreut. o_0

21 Januar 2012

The essence of it

Ich: Lenny, komm mal her, ich heb dich hoch, dann siehst du den Sonnenaufgang.
Lenny (auf meinem Arm aus dem Fenster schauend): Oh, hell.
Ich (schnüffelnd): Äh, ja schön, aber jetzt sollten wir schnell Windeln wechseln...
Wenn das keine treffende Jobbeschreibung fürs Elternsein ist. Wir zeigen unseren Kindern, wie schön die Welt ist, und machen ihren Dreck weg.
:)