25 April 2008

A dot connected

Und schon wieder muss ich euch mit Youtube zudröhnen. Diesmal sind es sogar über 14 Minuten. Aber das Zuhören lohnt sich, wie ich finde. Kein Wunder, der Mann redet über mein Leben.



Und wie ich fürchte auch über das unzähliger anderer. Ich kann mir nicht helfen - ich sehe die Gesichter der zuhörenden Studenten, und weiß, dass sie alle trotzdem BWL studieren und Karriere machen (somebody elses live leben) werden. Weil das genau das ist, was sie wollen, the kind of work they love. Oder weil sie denken, dass es das ist.
Was hätte ich getan, wenn jemand zu meinem Studienbeginn so eine Rede gehalten hätte? Wahrscheinlich hätte es nicht viel geändert. Weil ich damals nicht wusste, was ich will. Weil das, was ich zu wollen glaubte, von so vielen anderen beeinflusst war, von dem Wunsch, anderen zu gefallen, so zu sein, wie alle anderen, zu machen, was 'man' eben macht, wenn man ein gutes Abi hat und die Welt einem offen steht.
Weil es ungemein schwer war, zu wissen, was ich will.
Das finde ich oft immer noch ziemlich schwierig. Und ich scheine nicht allein zu sein. Nicht nur in beruflichen Fragen.
Woher weiß man eigentlich, was man will? Woher kommt die innere Stimme, die einem sagt, wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, müsste ich unbedingt noch dies, das und jenes tun? Und wie zum Teufel kann es sein, dass sie so leise wird, dass man sie nicht mehr hört?
Wie könnte es anders sein, Tori Amos hat ein Lied dazu geschrieben. Dazu gibt's jetzt aber nur noch den Link, sonst kann ich diesen Blog bald komplett nach youtube verlegen.
Sometimes, I said sometimes I hear my voice, and it's been here, silent all these years...

23 April 2008

Risiken und Nebenwirkungen

Sicher kennt ihr das vielstrapazierte Klischee des Verrückten, der sich für normal, und die ganze Welt um sich herum für verrückt hält. Momentan, da ich mich eigentlich als von meiner 'Verrücktheit' halbwegs geheilt (oder wenigstens stark in Heilung begriffen) betrachte, muss ich gestehen, dass mich dieses Gefühl des öfteren beschleicht. Zum Beispiel neulich, im Taxi. Selbiges bestellte ich wie immer bei meiner Lieblings-Taxinummer (man wählt einfach so oft hintereinander die 'number of the beast', bis sich am anderen Ende der Leitung ein Taxiunternehmen meldet), und diesmal schickten sie mir endlich mal einen zur Nummer passenden Fahrer. Der redete nicht nur ununterbrochen, sondern hatte auch seine ganz eigene Theorie zu allen möglichen weltanschaulichen Dingen, die Dittsche harmlos erscheinen lassen. Es gelang mir ganz gut, mich mental (nicht verbal, dazu waren zu wenig Gesprächslücken) abzugrenzen, bis er mich auf einen viel zu wenig beachteten, katastrophalen Nebeneffekt der Erderwärmung aufmerksam machte: beim Schmelzen der Pole werde ja so viel Kälte freigesetzt, dass es bestimmt bald zu einer neuen Eiszeit kommen würde. Seither komme ich nicht mehr von diesem Gedankengang los, so sehr ich mich auch dagegen zu wehren versuche. Ist das etwa die Erklärung für das viele schlechte Wetter hier im Norden im letzten Sommer?
Überhaupt scheint mir eine gesunde Portion Paranoia spätestens seit meinem Initiationsbesuch beim Steuerberater angebracht: Wenn man selbständig aber verheiratet ist, wird zwar das zu versteuernde Einkommen in einen gemeinsamenen Topf geworfen, aber der Bemessungsbetrag für den Steuersatz wird nicht erhöht. D.h. wir verdienen zwar zu zweit, zahlen aber soviel wie eine Person mit doppeltem Einkommen. Liegt's an mir, dass ich mir da irgendwie diskriminiert vorkomme? Gemäß oben erwähnter Theorie ist die Welt dann wohl gerecht, und ich übersensibel. Deswegen stört es mich wahrscheinlich auch, wenn ich an einem Bestattungsinstitut vorbeilaufe, auf dessen Firmenschild unter dem Namen groß 'Bestatterinnen' steht. Wen interessiert's bitteschön, ob er von einem männlichen oder einem weiblichen Bestatter in den Sarg gepackt wird? Der Tod macht uns alle... äh... unterschiedlich?
Zum Glück hatte mein Versicherungsberater gleich das passende Produkt für solche Fälle parat: für Firmen gibt es tatsächlich eine Anti-Diskriminierungs-Versicherung. Na dann is ja gut. Sobald jeder diese Versicherung hat, kann man dann nach Herzenslust diskriminieren, sich als Diskriminierter dafür entschädigen lassen, und ich kann endlich den dämlichen Autor von Warum Frauen gern Mars essen und Männer nur ohne Schuhe einparken können verklagen (von dem mein Taxifahrer übrigens in höchsten Tönen schwärmte).
Zum Glück habe ich am Ende dieser letzten zwei Tage, innerhalb derer sich dieses ganze verwirrende Kuddelmuddel abspielte, noch einen Laden gefunden, der mich wieder etwas mit der Welt versöhnt hat. Laut Firmenschild kann man dort 'Endzeitmöbel' kaufen. Leider (?) steht der Laden schon lange leer. Was nur drei Dinge bedeuten kann:
a) In einer wie auch immer gearteten Endzeit braucht man keine Möbel.
b) Die Endzeit ist längst da, allerdings nur in dem räumlich sehr beschränkten Universums 'Möbelladen'.
c) Die Endzeit ist schon vorbei, deswegen ist der Laden ausverkauft/nicht mehr nötig.
Ich finde, das klingt alles irgendwie positiv. Und das, obwohl ich schon seit drei Tagen keine Tablette mehr genommen habe. Was mich zu der Vermutung verleitet, dass
a) ich trotz anhaltendem Schwindel keine Tabletten mehr brauche
b) die Genesung längst stattgefunden hat,
c) die Depression schon vorbei ist.
Ich finde, das klingt alles irgendwie positiv.
Und wem das alles etwas wirr vorkommt, der rufe mich unter der bekannten Nummer an, ich besorg mir ein Taxischild, hole euch ab und quatsche euch so lange zu, bis ihr mir glaubt: die Welt ist verrückt, ich bin normal.

20 April 2008

Kulturförderung

Heute ist Sonntag.
Einer der wenigen dienstfreien Tage im April.
Mein Mann telefoniert gerade zum vierten Mal mit seinem Arbeitgeber. Weil die Arbeit für morgen organisiert werden muss - ein Auswärtstermin steht an, ein Assistent fehlt, welches Auto nimmt man denn, und wann trifft man sich wo zur gemeinsamen Abfahrt.
Eigentlich nicht weiter schlimm. Muss ja irgendwann und von irgendwem organisiert werden. Oder?
Sollte die Planung der Arbeit nicht eigentlich während der Arbeitszeit erfolgen? Weil sie ein Teil der Arbeit, nicht der Freizeit ist.
Mein Mann sagt, er schreibt sich Überstunden dafür auf. Die er irgendwann abfeiern darf. Evtl. Wenn nicht wieder mal grade jemand fehlt. Weil er keine Vertretung für sich finden konnte. Was eigentlich Aufgabe seines Arbeitgebers wäre.
Mein Mann meint, das sei halt die 'Kultur 'an seiner Arbeitsstätte.
Kultur, nach der Definition, die ich gelernt habe, ist (stark verkürzt und vereinfacht) ein Satz von Werten, Normen, Regeln zum Umgang mit Situationen, die sich eine mehr oder weniger geschlossene Gruppe selbst gibt.
Nicht zwingend explizit. Häufig gar nicht bewusst. Stabilität und Dauerhaftigkeit gewinnt das ganze hauptsächlich dadurch, dass man sich dran hält und danach lebt. Weil das eben so ist. Weil's alle machen.
Kultur - ist das nicht was schönes? Förderungswürdiges?

17 April 2008

Bilder- und Worteklau

Heute bin ich traurig.
So hingeschrieben klingt das irgendwie sehr nach Schulaufsatz.
Aber mir wurde glaubhaft versichtert, dass es wichtig ist, meine Gefühle auszudrücken. Also werde ich die unsinnige Angst, dass sich jetzt alle bemüßigt fühlen, mich retten zu wollen, einfach beiseite schieben, und versuchen, ein Bild von meinem Innenleben zu zeichnen. (Unsinnig, weil mich das ja eigentlich freuen sollte; tatsächlich ist es mir aber eher unangenehm - es könnt sich ja jemand Sorgen machen, und das will ich doch nicht. Warum eigentlich?)
Ein Bild ist gar nicht so einfach; ich habe zwar irgendwo begabte Malergene in der Familie, aber sehr wenig Übung. Was meine Stimmung immer sehr schön ausdrückt, ist Musik. Und das ist auch gleich eine gute Gelegenheit, euch von meinen fantastischen Neuentdeckungen bei lastfm zu berichten. Unter meinen Favoriten sind zur Zeit Imogen Heap (nein, ich weiß auch nicht genau, wie man das ausspricht, und ja, die Musik ist genau so wie der Name klingt), Sarah Slean (ich steh einfach auf die girl-and-her-piano-Sache), Kate Havnevnik, Natalie Merchant und Sia. Kate Nash ist auch klasse, passt aber nicht so ganz in meine momentane Gefühlslage.
Seht ihr, wie geschickt ich jetzt abgelenkt habe? Eigentlich sollte die Musik ja dazu dienen, meine Stimmung zu verdeutlichen. Also:


Das trifft's schon ziemlich genau. Oder auch das hier:


Oder am besten das hier (bis zum Ende angucken, das wird am Schluss richtig stark):


Jetzt habe ich euch dazu gebracht, stundenlang Videos zu gucken, und mich elegant um Worte gedrückt. Dabei sollten doch Worte meine Spezialität sein. Und eigentlich kann ich ja auch ziemlich genau sagen, wie's mir geht: ich bin traurig.
Der Schwindel hat ziemlich nachgelassen und kommt nur noch ganz selten kurz durch. Eigentlich fühle ich mich emotional recht stabil, mit der Tendenz, mir etwas mehr Sorgen zu machen als zu den besten Alles-Egal-Zeiten, aber nicht annähernd so wie zu Depressionszeiten. Vielleicht fällt's mir nur mehr auf, weil ich eben jetzt beim Medizin-Absetzen besonders drauf achte.
Und heute bin ich eben traurig. Melancholisch. Ein bisschen unglücklich. Über nichts bestimmtes, einfach nur so. Angefüllt von einem Gefühl. Und wieder mal trifft jemand anders genau das, was ich sagen will, am besten mit einem Songtext:
I need the darkness
The sweetness
The sadness
The weakness
Oh, I need this...

07 April 2008

Whuuiiiiiiiiiiiiiiieeeeee - Halbtagsschwindel

Die Überschrift sagt eigentlich schon alles darüber, wie's mir grade geht. Sprachverwirrt (Mischung aus dt. hui und engl. whee), leicht überdreht, völlig rational und klar, und vor allem schwindelig. Genauer gesagt ist mir meistens einen halben Tag lang schwindelig - so richtig scheußlich, als ob man gleich umfällt, nicht so lustig, wie wenn man was getrunken hat - bevor die halbe Dosis der Tabletten, die ich noch nehme, wieder wirkt und mich rein gleichgewichtstechnisch stabilisiert. Das ganze fühlt sich an, als stünde ich unter einer großen Glocke, auf die jemand in unregelmäßigen schwungvoll mit einem großen Hammer draufhaut.
Emotional spüre ich bis jetzt nicht viele Auswirkungen, und wenn dann eher positive: meine Stimmung euphorisch zu nennen, wäre zu viel, aber manchmal - häufig - ist sie durchwegs positiv. Besser als durchschnittlich. (Ihr seht, ich habe in der Klinik brav meine Lektion gelernt: Nicht einfach sagen 'Es geht mir gut', weil das jeder immer sagt, und es alles von super bis bescheiden heißen kann. ;))
Außerdem bin ich sehr motiviert was zu arbeiten. Da kam mir letzte Woche der Anruf von einer Übersetzungsagentur ganz recht, die eine furchtbar dringende Übersetzung Japanisch - Deutsch zu vergeben hatten. Voller Begeisterung nannte ich einen hohen Preis (gestiegenes unternehmerisches Selbstbewusstsein + schlecht lesbarer Text), und versprach, dass der Termin kein Problem war. Dummerweise wollten die einen Preis für den Quelltext (nicht wie in D üblich den Zieltext). D.h. ich musste meine Preise irgendwie umrechnen. Und das schnell, sie hatten's ja eilig. Jetzt hoffe ich ganz stark, dass ich die Herstellerfirma der Tabletten dazu bringen kann, mir die Differenz zu zahlen, um die ich mich zu meinen Ungunsten verrechnet habe (ca. Faktor 3).
Nachdem mir das bewusst geworden war, war ich einigermaßen missgestimmt. Was mir allerdings wirklich die Laune verdarb, war die Erkenntnis, dass ich mich auch um einen Tag vertan hatte. D.h. ich hatte nicht zwei, sondern nur einen Tag Zeit.
Ich erinnere mich, dass ich in der Grundschule Schwierigkeiten mit den Wochentagen hatte, aber das ist ungefähr 50 Jahre her. (Hab ich mich jetzt wieder verrechnet?).
Trotzdem, ich habe die Übersetzung überpünktlich abgeliefert, großes Lob (und wenig Geld) von der Agentur kassiert, Folgeaufträge in Aussicht, und übers Wochenende auch noch so ziemlich jeden Kampf gegen unseren neuen Computer gewonnen.
Also, erste Zwischenbilanz: positiv!
Weitere Berichte aus der Schwindel-Käseglocke folgen.

02 April 2008

Auf Entzug

Heute beginnt der Rest meines Lebens - ohne Medikamente. Sprich, ich habe angefangen, meine Alles-Egal-Pillen abzusetzen, natürlich wie immer in Absprache mit meinem Arzt. Das ganze geht ganz sanft und langsam vor sich. Also erwartet mich wohl kein cold turkey. Sondern?
Neulich hab ich mal eine Tablette vergessen. Abends hatte ich prompt das Gefühl, dass es mir wieder schlechter ging. Ich lag im Bett und grübelte vor mich hin - und hörte ganz von selbst wieder auf. Das war neu. Ich werde versuchen, mich daran zu erinnern, dass das geht, wenn's soweit ist.
Ohnehin habe ich das Gefühl, dass die Wirkung des Antidepressivums in letzter Zeit nicht mehr so stark ist. Ich träume zwar immer noch wild, aber lang nicht mehr so intensiv wie am Anfang. Meine Bettlaken muss ich auch nicht mehr so oft wechseln. Und egal... ist mir schon noch vieles, aber nicht ausschließlich immer. Also wird das vielleicht tatsächlich ein sanfter Abschied.
Halten Sie das aus?, hat mich mein Psychiater gefragt. Eigentlich fühle ich mich stabil genug dafür. Nur Leos Arbeit macht mir Sorgen. Die ist zur Zeit so extrem belastend (ja, noch mehr als sonst, ich hätt's auch nicht für möglich gehalten), dass es schon mit Tabletten unerträglich ist.
Also werde ich einfach mein bestes geben, alle Tricks und Strategien anwenden, die ich in der Klinik so gelernt habe, vielleicht grübeln, aber auch wieder damit aufhören, und wenn ich's gar nicht mehr aushalte, viele viele wirre Blogeinträge schreiben. :)
Goodbye Trevilor!