14 März 2012

Kernschmelze im Schwimmbad

Statistisch gesehen begehen Frauen angeblich am häufigsten Morde, wenn sie ihre Tage haben. Diese kleine Tatsache nur am Rande, damit ihr wisst, in welcher Grundstimmung ich meinen Tag heute begonnen habe.
Trotzdem stimmte ich dem Vorschlag, meine Neffen zusammen mit meinen beiden Kleinen ins Schwimmbad zu begleiten, relativ begeistert zu - endlich mal wieder Abwechslung von den eigenen vier Wänden bzw. dem Spielplatz vor der Haustür.
Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Wenn Lenny plötzlich beschließt, ins tiefe Becken zu hüpfen, muss ich Matilda erstmal vorsichtig irgendwo sicher ablegen, bevor ich ihn retten kann. Aber ich stellte mich geistig darauf ein, mich in der Luft zu zerreissen, das würde schon gehen.
Gute Lust, irgendwas zu zerreissen, hatte ich ohnehin. Matilda zahnt, d.h. die Nacht war anstrengend, und auch tagsüber ist sie recht quengelig. Lenny dagegen beschränkte sich darauf, zu jeder passenden Gelegenheit loszuheulen: Beim Abholen von der Tagesmutter (weil wir erst nach Hause fuhren, um etwas zu essen, statt sofort ins Schwimmbad), beim Essen (weil es Schinkennudeln gab statt Nudeln mit Pesto), beim Aufbrechen (weil wir ins Schwimmbad fahren wollten, statt daheim zu bleiben).
Im Schwimmbad angekommen stellte ich fest, dass es für die ca. 12 gerade ankommenden Familien genau eine große Kabine gab. (Die war natürlich schon besetzt.) Der Rest war auf den sich allein umziehenden Erwachsenen ausgelegt. Sammelkabinen sind offenbar out. Also musste ich mich halt bei offener Tür umziehen, weil sich diese mit 2 Kindern, Sporttasche und Babyschale in der Kabine einfach nicht mehr schließen ließ.
Nachdem wir also mit Anreise und Umziehen ca. 1,5 Stunden verbracht hatten, folgte eine halbwegs harmonische halbe Stunde im Wasser. Lenny hatte großen Spaß, also ist unschwer zu erwarten, wie er auf meine Ankündigung reagierte, dass wir jetzt wieder gehen müssten. Aber das Wasser im Babybecken war um einiges kälter als das im großen Becken, und ich habe keine Lust, dass Matilda sich zu ihren Zähnen auch noch erkältet.
Ich versuchte also, die Kleine abzutrocknen, während ich mit halbem Auge den heulenden Großen überwachen musste, der sich standhaft weigerte, das tiefe Becken zu verlassen. Bei dieser Gelegenheit stellte ich fest, dass jemand offenbar Wasser in meine (oben auf einer Bank weit weg von den Becken stehende) Babyschale geschüttet hatte. Während ich Lenny in seinen Bademantel (den er hasst, was er laut kundtat) steckte, fiel Matilda ein, dass Schwimmen hungrig macht, was sie ihrerseits auf babytypische Weise kommunizierte.
In der Kabine wurde wenigstens Lenny kurzzeitig ruhig, nachdem ich die beiden laut angeschrien hatte, dass sie die Klappe halten sollten. So schnell es ging, zog ich die beiden und mich selbst an, um Matilda draußen dann endlich stillen zu können. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob das bei meinem Adrenalinlevel wirklich zu ihrer Beruhigung beigetragen hätte.
Als wir die Kabine verließen, streckte ein älterer Mann seinen Kopf aus seiner Kabine und wagte es zu sagen: "Sie gehen wohl zum Schreien ins Schwimmbad."
Ich sah ihn an, in der Annahme, mich verhört zu haben, doch sein Gesichtsausdruck bestätigte seine Worte.
Ich weiß nicht, was er in meinem Gesicht gesehen hat, aber es hat ihn wohl gerettet, denn er schaffte es, seine Tür zu schließen, bevor ich bei ihm war, und mit etwas Kraftaufwand gelang es ihm sogar, sie zuzuhalten, bis er sie versperren konnte. Andere Kabinentüren öffneten sich, um zu sehen, was es mit der schreienden Furie auf sich hatte, die da an die Tür hämmerte und brüllte: "Ich will, dass Sie sich sofort bei mir entschuldigen, Sie blödes Arschloch!"

Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er die Tür nicht zugemacht hätte. Vermutlich hätte ich ihn nicht tätlich angegriffen. Vielleicht hätte ich ihn beim Kragen gepackt, wenn er angezogen gewesen wäre. Vielleicht hätte ich ihm nur ins Gesicht gebrüllt. Fakt ist: Dieser leicht überzogene, aber durchaus berechtigte Wutausbruch war nicht ausschließlich meiner Überforderung und meiner Hormonlage geschuldet. Sondern auch einer inneren Stimme, die mir immer öfter sagt, ich soll mir nichts gefallen lassen. Und diese Stimme sorgt dafür, dass ich mich trotz Kontrollverlust, trotz der Peinlichkeit der Situation (ich glaube, ich habe ein paar von den verschreckt aus ihren Kabinen guckenden Unbeteiligten auch noch angeschnauzt), trotz des neuen (?) Schimpwortes, das meine Neffen jetzt gelernt haben und trotz der schmerzenden Hand kein bisschen schlecht bei der Sache fühle. Ganz im Gegenteil: So entspannt war ich schon lange nicht mehr.
Vielleicht wird ja doch nochmal ein Kämpfer aus mir. :)

6 Kommentare:

naiko hat gesagt…

gerade hat blogger meinen schönen, geistreichen kommentar gefressen - und jetzt tue ich halt bloß noch kund, dass ich da war und deinen eintrag gelesen hab. :-(

Anke hat gesagt…

Mann, ich kann dich so gut verstehen... ich glaube, ich wuerde mit 2 Kindern (oder auch nur einem) gelgentlich auch auf eine ganz schoene Geduldsprobe gestellt.
KAnn das ja gerade mal wieder ueberpruefen, bei meiner Schwester mit 2 Kindern...
immer wieder bist du gezwunden, Dinge zu tun auf die du eigentlich gar keine Lust hast, und das sind die Dinge, die die Kinder am wenigsten wollen. Zaehneputzen, ins Bett gehen, das Schokomuesli doch noch (jetzt, und am esstisch) fertig essen....

Anonym hat gesagt…

ist ja nicht so, dass ich nicht voller bewunderung wär für euch, eure nerven, eure anstrengungen und eure geduld! und vor allem bin euch endlos dankbar, dass ihr euch anstrengt! sonst muss ich (bzw unsereiner) das in 10 jahren nämlich alles nachholen, wenn euch eure kinder altersgemäß jede art von mitarbeit verweigern... und ehrlich gesagt, das ist nicht so ohne, basis-kindererziehung gegen die eltern, für die kinder... argh! :-(

naiko hat gesagt…

ahhh, ich bin nicht anonym! - bzw wollte es nicht sein, sorry! (frag mal lenny, wie man sowas verhindert, die jugend von heute kann sowas nämlich - heißt es - das sind ja schließlich alles digital natives...)

Mama arbeitet hat gesagt…

Ja, Schwimmbadbesuche mit Kindern sind ein Abenteuer mit ungewissen Ausgang. Kenne ich zur Genüge - vor allem, wenn die Kinder unterschiedliches Alter und Bedürfnisse haben, und mit Baby ist sowieso alles nicht einfacher...

Habe ich gerne gelesen, und freu mich über die Überschrift, und dass es dir hinterher gut ging. Sich nicht alles gefallen zu lassen muss trainiert werden - notfalls eben im Schwimmbad! ;)

Chris hat gesagt…

Mach sie alle platt, recht hast du!