23 April 2008

Risiken und Nebenwirkungen

Sicher kennt ihr das vielstrapazierte Klischee des Verrückten, der sich für normal, und die ganze Welt um sich herum für verrückt hält. Momentan, da ich mich eigentlich als von meiner 'Verrücktheit' halbwegs geheilt (oder wenigstens stark in Heilung begriffen) betrachte, muss ich gestehen, dass mich dieses Gefühl des öfteren beschleicht. Zum Beispiel neulich, im Taxi. Selbiges bestellte ich wie immer bei meiner Lieblings-Taxinummer (man wählt einfach so oft hintereinander die 'number of the beast', bis sich am anderen Ende der Leitung ein Taxiunternehmen meldet), und diesmal schickten sie mir endlich mal einen zur Nummer passenden Fahrer. Der redete nicht nur ununterbrochen, sondern hatte auch seine ganz eigene Theorie zu allen möglichen weltanschaulichen Dingen, die Dittsche harmlos erscheinen lassen. Es gelang mir ganz gut, mich mental (nicht verbal, dazu waren zu wenig Gesprächslücken) abzugrenzen, bis er mich auf einen viel zu wenig beachteten, katastrophalen Nebeneffekt der Erderwärmung aufmerksam machte: beim Schmelzen der Pole werde ja so viel Kälte freigesetzt, dass es bestimmt bald zu einer neuen Eiszeit kommen würde. Seither komme ich nicht mehr von diesem Gedankengang los, so sehr ich mich auch dagegen zu wehren versuche. Ist das etwa die Erklärung für das viele schlechte Wetter hier im Norden im letzten Sommer?
Überhaupt scheint mir eine gesunde Portion Paranoia spätestens seit meinem Initiationsbesuch beim Steuerberater angebracht: Wenn man selbständig aber verheiratet ist, wird zwar das zu versteuernde Einkommen in einen gemeinsamenen Topf geworfen, aber der Bemessungsbetrag für den Steuersatz wird nicht erhöht. D.h. wir verdienen zwar zu zweit, zahlen aber soviel wie eine Person mit doppeltem Einkommen. Liegt's an mir, dass ich mir da irgendwie diskriminiert vorkomme? Gemäß oben erwähnter Theorie ist die Welt dann wohl gerecht, und ich übersensibel. Deswegen stört es mich wahrscheinlich auch, wenn ich an einem Bestattungsinstitut vorbeilaufe, auf dessen Firmenschild unter dem Namen groß 'Bestatterinnen' steht. Wen interessiert's bitteschön, ob er von einem männlichen oder einem weiblichen Bestatter in den Sarg gepackt wird? Der Tod macht uns alle... äh... unterschiedlich?
Zum Glück hatte mein Versicherungsberater gleich das passende Produkt für solche Fälle parat: für Firmen gibt es tatsächlich eine Anti-Diskriminierungs-Versicherung. Na dann is ja gut. Sobald jeder diese Versicherung hat, kann man dann nach Herzenslust diskriminieren, sich als Diskriminierter dafür entschädigen lassen, und ich kann endlich den dämlichen Autor von Warum Frauen gern Mars essen und Männer nur ohne Schuhe einparken können verklagen (von dem mein Taxifahrer übrigens in höchsten Tönen schwärmte).
Zum Glück habe ich am Ende dieser letzten zwei Tage, innerhalb derer sich dieses ganze verwirrende Kuddelmuddel abspielte, noch einen Laden gefunden, der mich wieder etwas mit der Welt versöhnt hat. Laut Firmenschild kann man dort 'Endzeitmöbel' kaufen. Leider (?) steht der Laden schon lange leer. Was nur drei Dinge bedeuten kann:
a) In einer wie auch immer gearteten Endzeit braucht man keine Möbel.
b) Die Endzeit ist längst da, allerdings nur in dem räumlich sehr beschränkten Universums 'Möbelladen'.
c) Die Endzeit ist schon vorbei, deswegen ist der Laden ausverkauft/nicht mehr nötig.
Ich finde, das klingt alles irgendwie positiv. Und das, obwohl ich schon seit drei Tagen keine Tablette mehr genommen habe. Was mich zu der Vermutung verleitet, dass
a) ich trotz anhaltendem Schwindel keine Tabletten mehr brauche
b) die Genesung längst stattgefunden hat,
c) die Depression schon vorbei ist.
Ich finde, das klingt alles irgendwie positiv.
Und wem das alles etwas wirr vorkommt, der rufe mich unter der bekannten Nummer an, ich besorg mir ein Taxischild, hole euch ab und quatsche euch so lange zu, bis ihr mir glaubt: die Welt ist verrückt, ich bin normal.

3 Kommentare:

naiko hat gesagt…

ist sie, bist du!
n.

Britta hat gesagt…

Keine Sorge Tanja, bevor du druch die neue Eiszeit erfrierst bist du längst ertrunken, weil der Meeresspiegel durch das abgeschmolzene Eis soooooo doll gestiegen ist, dass bis auf den Brocken und andere erhebungen Deutschland überflutet sein wird. ;P

Ja, wir sollten alle auf die Umwelt aufpassen und sie schützen, doch Panisch-machen a´la "Day after Tomorrow" sollten wir uns auch nicht lassen.

(Und wer ein Problem damit hat, dass ich dieses Franz. Wort vor dem Filmtitel falsch geschrieben hab, der kann sein Problem gern behalten, ich hatte nie Französisch und wie man in dieser Sprache schreibt weiss ich erst recht nicht. ;) )

Anonym hat gesagt…

Dazu passt ja gut, was ich erst im Spiegel gelesen habe: die Tiefsee der Antarktis wird kälter. Das könnte die interessante Kopfgeburt Deines Taxifahrers neu beleben (wie ekelich bildhafte Sprache doch sein kann), nachzulesen übrigens unter http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,548732,00.html

Zu Deinen Endzeitmöbeln fällt mir auch ein Anekdötchen ein. In der Gabelsbergerstraße gibt es einen Laden, der fast ebenso verwaist aussieht wie Deiner - mit einer milchigen Scheibe, auf der geschrieben steht: "Die Änderei". Ist doch schön zu wissen, wo man hingehen kann, wenn man man / frau frau alles satt hat satt hat. So denke ich mir, wenn's mal nicht so gut läuft, kann ich ja immer noch die Änderei betreten: There's a whole new life waiting for you ...

Aber so schlimm war's bisher nicht ;-)

Liebe Grüße,
Euer Mac