21 November 2008

Be careful what you teach...

Gestern beim Psychiater. Ja, ich geh da noch ab und zu hin, nur um zu gucken, ob's mir auch gut geht. Während ich bei ihm drin sitze (Couch ist out, sowas gibt's da nicht), kommt zweimal die Sprechstundenhilfe rein, weil er irgendwelche Unterschriften vergessen hat.
Beim zweiten Mal verspürt er offenbar das Bedürfnis, sich zu entschuldigen: "Tut mir leid. Aber Sie sind ja stabil und gefasst, das stört Sie ja nicht, oder?"
Ich will schon lächeln und nicken, natürlich stört mich das überhaupt nicht, und er ist ja auch nur ein Mensch... Dann setzt plötzlich die Wirkung monatelanger Gehirnwäsche (zu Deutsch Psychotherapie) ein. Ich gucke ihn kritisch an: "Also, nach allem, was ich in meinen vielen Therapien gelernt habe, muss ich eigentlich sagen, dass mir das nicht recht ist. Ich möchte hier den Raum und die Aufmerksamkeit einnehmen, die mir zustehen, und verbitte mir weitere Unterbrechungen."
Er guckt mich entsetzt an. He, ich hab nur gesagt, was mir seine Kollegen immer wieder eingetrichtert haben! Ist das also nicht mal so wirklichkeitstauglich, dass es in den vier Wänden seines Sprechzimmers funktioniert, wo solches psychobabble herkommt?
Dummerweise kann ich mir schon lange das Grinsen nicht mehr verkneifen. Er lacht mit, aber eine kleine Spur Verunsicherung bleibt. Und ich komme mir schäbig vor. Als hätte ich die Waffe gegen meinen eigenen Lehrmeister erhoben... Aber spaßig war's doch! :)

10 Kommentare:

naiko hat gesagt…

tja, und mir fallen da natürlich gleich wieder nur ernste dinge ein - obwohl ich es zunächst mal einfach cool finde, dass du's so und nicht anders gemacht hast! - ich hätte das garantiert nicht gekonnt: spricht für die diagnose deines artzes ;-)

das ernste: ich habe eine menge leute in meinem leben, die es wirklich gut mit mir meinen, und die mir gerade in krisensituationen immer wieder ratschläge geben, auch gute! der haken ist nur: es gibt ratschläge, die sind für sich gesehen wirklich gut, aber viele leute kommen nur sehr mäßig damit zurecht, wenn man sie auf sie selbst anwendet. z.b. "sei egostischer und denk mehr an dich, nimm nicht so viel rücksicht ständig und sag, wenn dir was nicht passt!" - tja, wendet das mal auf den ratgebenden an... (ich habe bisher nur wenige begeisterte reaktionen geerntet.)

da wird ziemlich schnell klar, dass meine ablehnende haltung gegen solche wohlgemeinten ratschläge sooo ungerechtfertigt nicht ist. es funktioniert nämlich nicht gut, gar nicht. und dabei sind besagte leute wirklich auf meiner seite. aber alles will man halt doch nicht aushalten, außerdem ist es immer sehr schwierig - habe ich das gefühl - wenn menschen sich plötzlich anders als gewohnt verhalten. (versteh ich auch!)

tja, es gehört sehr viel mut dazu, gute ratschläge, die einem selbst nützen, aber nicht allen anderen, auch umzusezten. ich gratuliere!!! neidlos!

alles liebe
n.

p.s. einer der wenigen, denen ich seine ratschläge wirklich abnehme bzw. zutraue, dass er mit den folgen umgehen kann, ist 18! da kann man von lebenserfahrung noch nicht wirklich sprechen. tja, weisheit und alter...

p.p.s. ach ja, ich sollte anmerken, dass ich keinem, der mir schon mal einen guten rat gegeben hat, hier auf den schlips treten will! ich kann gute von schlechten ratschlägen sehr wohl unterscheiden - auch von abwiegelungen. um letztere geht's nicht - nur um die schwiergkeit der umsetzung. ok? (auch ja: ich lege wert auf die gefühlswelt anderer, auch wenn mir das nicht immer nützt - sorry, not ready to change that!)

naiko hat gesagt…

hey, a.
ich unterschreibe mit absicht immer nur mit n.
bitte lass den namen weg, ich habe publikum, das mich nicht so leicht finden soll, und da ich nun wirklich nicht weiß, was im interent alles geht...
pleaeeese!!!
thank you.
n.
p.s. mir ist klar, dass viele der genannten naiko als adresse kennen, aber trotzdem - es sind nicht alle... noch... ;-)

Tine hat gesagt…

Hey, gut gemacht :o) Klasse Konter :o)

Birgit hat gesagt…

*prust* Geiler Spruch! Der hat dem armen Mann sicherlich um Wochen in seiner eigenen Therapie zurückgeworfen. ;-)

naiko hat gesagt…

ganz ehrlich - ich möchte jetzt mal unken - aber warum findet Ihr eigentlich alle, dass das so wahnsinnig krass ist? ich finde, tanja hat schlicht etwas geschafft, dass viele andere dauern tun - nämlich, sich zur wehr zu setzen gegen ewtas,das SIE besonders gestört hat (nicht alle anderen...), und das auf bewundernswert ünerlegene und ironische art. aber all die antworten deuten für mich darauf hin, dass alle anderen das entweder nicht können und neidisch sind (?) oder aber für meine begriffe ein bisschen arg viel spaß daran haben, wenn jemandem etwas um die ohren gehauen wird, das ihn irritieren muss!

in tanjas situation war ihre reaktion ein zeichen eines sehr wichtigen lern- und heilungsprozesses - und ich stimme da alexander zu, es hat auch was damit zu tun, dass man ärzte und dergleichen volk oft arg überhöht - aber ansonsten: überlegt mal,warum Ihr solch eine genugtuung daraus zieht, dass der psychiater, der ja auch einiges geleitset hat in dem ganze prozess, wenn ich tanja da richtig verstanden habe, eine "abreibung" bekommen hat?

sorry, finde ich übertrieben! und irgendwie beängstigend.

ich weiß, ich beschmutze das nest - normalerweise bin ich da vorsichtig, aber da ja alle so auf wahrheiten stehen...
n.

Leo und Tanja hat gesagt…

Ich finde, wir schaffen hier alle etwas Wichtiges: Wir schreiben hier in diesem Blog Dinge, die sonst vielleicht ungesagt bleiben würden. Und Naiko hat recht, meine Leistung war nicht sooo groß, denn die Situation hatte nichts besonders Einschüchterndes, so dass ich ganz locker reagieren konnte und keine Repressalien befürchten musste.
Der Punkt bei der Sache ist tatsächlich das Mittelmaß: Entweder, man hält die Klappe, wenn einem jemand auf die Füße tritt, dann hat man wieder mal sich selbst herabgesetzt und alles bleibt wie's ist. Oder man wartet so lange, bis man sauer wird, weil man vorher den Mut nicht aufbringt, was zu sagen, oder es ja eigentlich gar nicht so wichtig ist. (Daher vielleicht das Vergnügen über die 'Abreibung'.) Es wäre so viel einfacher, wenn wir es mehr gewöhnt wären, unsere Bedürfnisse zu äußern, und auch auf entsprechende Äußerungen anderer nicht entsetzt, beleidigt oder wütend zu reagieren. Statt dessen machen sich die einen ständig Gedanken, ob sie auch keinem auf die Füße treten, während die anderern in verzweifelter, oft verspäteter Selbstverteidigung um sich schlagen, und keiner ist glücklich. Warum hat unser intelligenter Designer den Menschen neben Schwarzwurzeln auch dieses Bedürfnis nach Kommunikation mitgegeben, ohne dran zu denken, sie mit den entsprechenden Fähigkeiten auszustatten...?

naiko hat gesagt…

gute frage!
ich stimme dem zu - wenn wir das mittelmaß einhalten könnte, dann ginge es sicher allen besser und niemand müsste sich dann auch zu sehr über unfreundliches gegen andere freuen, denn dann gäbe es ja weniger unfreundliches, und weniger leute, denen man das "gönnt".
tja, der mittlere weg führt zu erleuchtung - sagte schon buddha.
liebe grüße
n.

Birgit hat gesagt…

Hmmm, witzig, wie verschieden man den Post lesen kann. Ich persönlich fand deine Antwort gegen den Psychiater einfach witzig-eloquent und in keinster Weise unfreundlich oder als "Abreibung" gegen den Psychiater. Es war einfach nur ein charmanter Umgang mit der Situation und diese kleine Anekdote merkt er sich bestimmt länger und lieber, als wenn du einfach nur (ganz mittelmäßig) gesagt hättest :"ach doch ja, das stört mich jetzt schon ein bisschen".

Anonym hat gesagt…

Jaja, Naiko, das merk ich mir ;-)

Ich finds auch klasse, Tanja. An der Stelle allerspätestens sollte klar sein, dass sich dein Gegenüber auf Augenhöhe befindet. Man (ich schreibe bewusst "man") tendiert ja dazu, solche Personen zu erhöhen, weil man als eine Art Bittsteller zu ihnen kommt.

Hervorragend! :-)

Alexander aus A.

Leo und Tanja hat gesagt…

I've got the power...
Sprich: Ich kann ja Kommentare löschen. Also habe ich Alexanders Kommentar mit Naikos Namen einfach mal gelöscht und ohne Namen neu veröffentlicht. Ich hoffe, dass ich mit diesem kleinen Eingriff in die Meinungs-, Presse- und sonstige Freiheit zugunsten der Privatsphäre davonkomme und ihr trotzdem weiter fleißig Kommentare schreibt!
Tanja